Seit Oktober 2021 ist Karoline Mielken Teil der Geschäftsführung von Nettowelt – ein Anbieter, der sich auf Nettotarife in der Altersvorsorge spezialisiert hat. So auch bei Riester-Verträgen, bei denen der Verbraucherschutz wiederholt die hohen Abschluss- und Vertriebskosten kritisiert hat. In der Vertriebsbranche sorgten die Nettoangebote in der staatlich geförderten Altersvorsorge zuletzt für viel Aufsehen. Mielken verrät im Versicherungsbote-Interview, weshalb sie hier jede Menge Chancen sieht.
Versicherungsbote: Frau Mielken, zu Ihrem Amtsantritt als Geschäftsführerin von Nettowelt sagten Sie, dass Nettotarife ein unglaubliches Zukunftspotenzial haben. Wie hoch war der Anteil von Netto-Tarifen beim Riester-Neugeschäft zuletzt?
Karoline Mielken: Der Anteil war noch viel zu klein – und das, obwohl wir Riester als Nettotarif nicht erst seit 2022 im Repertoire haben. Dies wird sich in 2022 stark verändern. Riester ist aufgrund des geänderten Höchstrechnungszinses und der gleichzeitigen Erfüllung der Beitragsgarantie als Bruttotarif nahezu nicht mehr umsetzbar. All diese Umstände haben dazu geführt, dass wir die Vorteile von Nettotarifen nun an diesem Paradebeispiel mit nettoriester.de zeigen können. In der Form der Nettotarife kommen die Zulagen auch wirklich beim Kunden an. Und der Vermittler kann die Plattform kostenfrei nutzen.
Das ‚unglaubliche Zukunftspotenzial‘ von Netto-Produkten… liegt das nur an der politischen Debatte um einen Provisionsdeckel?
Nein, ganz und gar nicht. Die Debatte stellt das Thema Nettotarife ein wenig mehr ins Rampenlicht, das ist definitiv der Fall. Von einem Zwang halten wir hingegen nicht viel. Ein Vermittler soll überzeugt sein von dem, was er tut. Wenn er nur aufgrund von gesetzlichen Vorschriften ein neues Modell auswählen muss, wird er sich schwieriger damit identifizieren.
Aufmerksamkeit ist bekanntlich immer nur dann gut, wenn das, was man anbietet, auch wirklich vorzeigbar ist – und das sind Nettotarife. Das Besondere ist, dass der Vermittler dem Kunden eine Art Haustarif oder Mitarbeiterkonditionen ermöglichen kann und im gleichen Atemzug nicht auf seine Vergütung verzichten muss. Ganz im Gegenteil! Er kann diese unabhängig von Versicherervorgaben weitestgehend selbst definieren – je nach entstandenem Aufwand und natürlich nach Möglichkeit des Kunden. Und: Die Vergütung ist verdient, sie kann dem Vermittler nicht mehr genommen werden.
Was zeichnet Ihrer Ansicht nach einen echten Nettotarif aus?
Ein echter Nettotarif beinhaltet keine auf die Vermittlung bezogenen Abschlusskosten. Er ist auch in den Verwaltungs- und Kapitalanlagekosten deutlich schlanker, also auf ein Minimum reduziert. Alle Tarife, die Sie bei uns finden, sind echte Nettotarife.
Gibt es Bestrebungen aus der Branche, für eine einheitliche Definition von Netto-Tarifen zu sorgen? Was unternimmt Nettowelt diesbezüglich?
Ja, das ist eines unserer Ziele. Hier gibt es keine echte und offizielle Definition. Wir können nur informieren und unser Wissen der letzten Jahre weitergeben. Ein großes Manko in diesem Bereich ist die fehlende Lektüre. Wer sich intensiv mit dem Thema „Nettotarife“ auseinandersetzen möchte, muss entweder viel Recherchearbeit leisten oder aber an entsprechenden Webseminaren teilnehmen. Wir (und auch andere Anbieter) haben diese Vorarbeit schon erledigt. Hier spielt die Spezialisierung eine große Rolle.
...angemessene Vergütung, wenn Kunde Mehrwert erkennen kann
Kritiker befürchten, dass bei der Riester-Rente nun Wettbewerb über reduzierte Vermittlervergütung stattfindet. Setzt sich das durch, folgen alle andere Rentenversicherungen. Teilen Sie diese Befürchtung?
Karoline Mielken: Eine Reduzierung hat ja bereits im Bereich der Bruttopolicen stattgefunden. Im Bereich der Honorarvermittlung bieten wir an, entsprechend der gewohnten Courtage aus der Bruttowelt ebenfalls einen Prozentsatz für die Vergütung auszuwählen. Dadurch, dass der Vermittler hier von Fall zu Fall entscheiden kann, bietet sie natürlich mehr Flexibilität. Dies würde ich daher eher als eine Chance sehen anstatt als eine Gefahr. Denn außer Frage steht auch, dass eine vernünftige und hochwertige Beratung ihren Preis haben muss.
Werden Netto-Tarife angeboten, stellt sich natürlich die Frage nach Vergütung der Beratungsleistung. Eine Honorarverordnung gibt es nicht. Selbst bei den Verbraucherzentralen schwankt der Preis für eine Beratung in Sachen Altersvorsorge teilweise erheblich. Wie kann ein Verbraucher Ihrer Ansicht nach feststellen, ob ihm ein angemessenes Honorar in Rechnung gestellt wurde?
Eine solche konkrete Verordnung gibt es nicht, das ist richtig. Es gelten dennoch die Grundsätze, die auch sonst für die Angemessenheit einer Vergütung in der Bruttowelt maßgeblich sind. Hier gibt es entsprechende Urteile, die die Leitplanken darstellen.
Ein Beispiel: Wenn mir jemand den Zutritt zu einem Großmarkt verschaffen könnte und ich hierfür einmalig einen Betrag zahlen soll, kann ich zunächst schwer einschätzen, ob dies ein faires Angebot ist. Wenn ich dauerhaft günstiger einkaufen kann, dann werde ich dies sehr wohl zu schätzen wissen.
Wenn der Kunde den Mehrwert klar erkennen kann, wird er die Vergütung als angemessen wahrnehmen.
Inwieweit sehen Sie die Anbieter von Netto-Tarifen in der Pflicht, auf eine transparente Honorarverordnung hinzuwirken?
Wir als Nettowelt sind ein Dienstleister – wir sehen uns nicht als „Vergütungspolizei“. Dennoch wollen wir hier an die Hand nehmen. Eine maximale Transparenz für Kunden ist unser Ziel. Wir gehen hierzu regelmäßig mit unseren Partner-Versicherern ins Gespräch und schulen unsere Vertriebspartner. Ebenfalls diskutieren wir in Workshops mit verschiedenen Verbänden, welche Vorgaben hier sinnvoll sein könnten.
Die Fragen stellte Michael Fiedler