Madeleine Schüller ist Versicherungsmaklerin aus Erfstadt – einem jener Orte südwestlich von Köln, die bei der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 besonders stark verwüstet wurden. Die Wassermassen rissen Häuser mit sich, zerstörten Existenzen. Im Versicherungsbote-Interview berichtet sie vom Stand des Wiederaufbaus, von Schwierigkeiten und von Solidarität – aber auch, wie sich die Versicherer nach der Flut verhalten, wenn Schäden am Haus gemeldet werden.
Versicherungsbote: Ihre Gemeinde Erfstadt war im Juli 2021 von der verheerenden Flut betroffen, die ganze Ortschaften zerstörte und viele Menschenleben kostete. Zunächst die Frage: Wie geht es Ihnen und Ihren Kundinnen und Kunden heute?
Madeleine Schüller: Vielen Dank für Ihre Nachfrage. Gott sei Dank ist in Erftstadt niemand durch die Flut verstorben, leider jedoch in der Eifel und insbesondere im Ahrtal, wo wir ebenfalls Kunden betreuen.
Uns als Unternehmen und unseren Mitarbeitern geht es gut, wobei dieses Ereignis sicherlich auch uns unvergessen bleibt – insbesondere aufgrund der enormen Anzahl an Schäden und der persönlichen Schicksalsschläge der Kunden. Eine unserer Stärken ist unsere Teamarbeit. Wir können uns über das Erlebte austauschen und über Erfahrungswerte bezüglich der Schadenabwicklung berichten. An dieser Stelle auch hier nochmal ein ganz großes Dankeschön an unser Team.
Wie es den Kunden geht, vermögen wir nicht und möchten wir auch nicht öffentlich beurteilen, da eine solche Situation sehr tief in die geschützte Privatsphäre des Einzelnen eindringt. Wir begegnen den Betroffenen diesbezüglich mit professionellem Respekt und Verständnis. Außerdem verarbeitet jeder Betroffene sein persönliches Schicksal individuell anders.
Viele Häuser müssen neu aufgebaut oder von Grund auf saniert werden. Wie sind Ihre Erfahrungen mit den Wohngebäude- und Elementarschaden-Versicherern? Leisten diese schnell und unbürokratisch - oder gibt es auch Probleme?
Wie auf viele andere Fragen gibt es leider auch hierauf keine pauschale Antwort. Generell lässt sich jedoch sagen, dass die meisten Gesellschaften, bei denen wir Schäden eingereicht haben, gut leisten. In einigen Fällen ist leider noch gar nicht klar, wie und wann und vor allem wo wieder aufgebaut werden kann. Oftmals sind noch behördliche Punkte zu klären. In diesen Fällen bilden die Versicherer Rückstellungen in angemessener Höhe, warten jedoch auf Infos bezüglich des Wiederaufbaus.
Es gibt auch Fälle, da möchten die Kunden nicht wieder an der ursprünglichen Stelle aufbauen. In diesen Fällen wird dann meistens pauschal abgerechnet und ausgezahlt. Probleme in dem Sinne gibt es wenige. Eine verständlicherweise große Herausforderung für viele Kunden ist es, sich in Geduld zu üben – sei es aufgrund des Handwerkermangels, aufgrund von langen Trocknungsphasen oder von mangelnder öffentlicher Versorgung (Gasanschlüsse fehlen zum Beispiel teilweise noch immer). Auch kommt es immer wieder zu Rückschlägen oder unerwarteten Herausforderungen.
Wir erkennen jedoch immer wieder, dass es bei einigen Gesellschaften einen Unterschied macht, ob der Kunde direkt mit dem Versicherer kommuniziert oder ob die Kommunikation über uns als Makler abgewickelt wird. Wir bieten diesen Service natürlich jedem Betroffenen an. Gerade in einer solchen Ausnahmesituation können wir als Makler doch richtig zeigen, was es heißt, optimal abgesichert zu sein und anständig betreut zu werden. Es ist für unser gesamtes Team eine Selbstverständlichkeit und auch ein persönliches Anliegen, dadurch Hilfestellung zu leisten. Schließlich kommen wir alle ja auch aus dieser Region.
Die Versicherer schreiben vor, einen Schaden schnellstmöglich zu melden. Aber geht das in so einer Extremsituation wie nach der Flutkatastrophe überhaupt – oder denken die Menschen zunächst an andere Dinge? Zeigten die Versicherer hier Nachsicht?
Hier haben die meisten Versicherer hervorragend reagiert. Wir haben am Morgen des 15.07. bereits die ersten Schäden gemeldet. Weitere folgten in den Tagen und Wochen danach. Aufgrund der Evakuierung und von fehlenden Kommunikationswegen (kein Telefon- und Internetempfang) war es den Kunden ja teilweise auch gar nicht möglich, sich zu melden. Wir haben meist angegeben: „Keine Schadensmilderung aufgrund Evakuierung möglich“ oder „Meldung konnte erst jetzt erfolgen, da seit dem Schadenereignis kein Telefon- und Internetempfang vorhanden“.
Unsere Erfahrung zeigte jedoch, dass die betroffenen Kunden sich recht schnell mit uns in Verbindung gesetzt haben, egal auf welchen Kanälen. Wir haben zum Beispiel sofort unsere Festnetznummer, welche auch nicht erreichbar war, auf noch funktionierende Mobiltelefone umleiten lassen. So waren wir nahezu immer erreichbar. Bei einigen Kunden war uns auch sofort klar, dass diese sicherlich betroffen sein werden. Diese haben wir dann teilweise eigenständig kontaktiert. In diesem Zusammenhang war es den meisten Kunden auch einfach nur wichtig, dass sie uns erreicht haben und wir ihnen mitteilen konnten, dass sie in Hausrat und Wohngebäude (oder Gewerbetreibende im Bereich Inhalt- und Gebäudeversicherung) gegen Elementarschäden versichert sind. Auch bei den KFZ-Schäden war die Info zur vorhandenen Teilkasko wichtig. Manchmal half schon diese erste Information zum bestehenden Versicherungsschutz.
Wir haben auch sofort im Team einen Notfallplan besprochen und dann umgesetzt. Viel Zeit zum Nachdenken blieb in diesen Tagen nicht. Von den stark betroffenen Gesellschaften forderten wir bereits am 15.07 sogenannte Sonderrufnummern und auch Hinweise zur Sonderabwicklung an und erhielten beides auch zeitnah. Dies hat aus unserer Sicht alles gut funktioniert. Eine unserer Kernkompetenzen – unsere Nähe zum Kunden – hat sich hier ganz klar als absolut richtig und wichtig erwiesen.
...nach unseren Erfahrungen handeln die Gesellschaften überwiegend fair
Bei derartigen Ereignissen werden regelmäßig auch viele Unterlagen – etwa Versicherungsverträge, aber auch Kaufdokumente usw. – vernichtet. Wie kann man denn dieses Problem lösen, wenn der Versicherungsschein wortwörtlich weggespült wurde?
Dies stellte für uns und unsere Kunden absolut kein Problem dar. Da wir voll digitalisiert arbeiten, haben wir alle Daten und Unterlagen im System. Um die Schadensmeldung vorzunehmen, musste uns der Kunde keinerlei Unterlagen wie etwa einen Versicherungsschein oder ähnliches einreichen. Viele Kunden hinterlegen in unserem Mandantenportal auch wichtige private Unterlagen wie Kopien vom Personalausweis etc. So konnten viele wichtige Dokumente, wenn auch nicht im Original, erhalten bleiben. Auch die Abwicklung der Schäden lief digital, da auch die Postversorgung für Wochen teilweise eingestellt wurde. Amazon hat zum Beispiel auch angezeigt: „keine Lieferung in diesem Bereich möglich“.
Laut GDV-Verbandschef Jörg Asmussen sei bisher nur ein Teil der Elementarschäden beglichen worden. Die Begründung: “Die Versicherer zahlen nicht pauschal eine Summe aus, sie bezahlen ganz konkret den Wiederaufbau eines Gebäudes“. Können Sie uns einen Einblick geben, wie dieser Prozess abläuft? Müssen die Versicherten teils in Vorleistung gehen – und jeden Schritt gegenüber dem Versicherer einzeln abrechnen?
Wenn Kunden in Vorleistung gehen, zum Beispiel bei einem Einkauf im Baumarkt, dann erfolgt die Regulierung meist recht schnell. Bei Handwerkerrechnungen müssen die Kunden meist nicht in Vorleistung gehen– wurden diese möglichst vorab bereits mit einem Kostenvoranschlag avisiert und sind nicht überteuert, erfolgt auch hier die Regulierung recht zeitnah. Sicherlich gibt es hier und da Bearbeitungsrückstände. Dies ist jedoch auch den Handwerksbetrieben bewusst und diese verhalten sich überwiegend auch kulant, da es hier teilweise ja auch Abtretungen gegenüber der Versicherungsgesellschaft gibt oder sie den Nachweis haben, dass der Kunde versichert ist. Wir haben insbesondere bei den großen Schäden sofort Gutachter beauftragt, welche teilweise bereits am 19.07., sofern möglich, besichtigt haben. Diese haben dann teilweise Pauschalzahlungen freigegeben, sofern der Kunde diese wünschte oder benötigte und haben Rückstellungen für die Wiederherstellung bei den Gesellschaften gebildet, sodass es zu keinen nennenswerten Vorleistungen gekommen ist.
Eine pauschale Abrechnung gibt es aber, wenn überhaupt, nur im „Kleinstschadenbereich“ oder bei sogenannten „Eigenleistungen“. Andere Leistungen werden anhand der tatsächlich entstanden und durchgeführten Arbeiten beglichen. Man muss den Kunden einfach ordentlich über die einzelnen Schritte und Abwicklungsvorgänge informieren. Dann herrscht Klarheit und es kommt nicht zu Unmut. Auch bei diesem Thema ist leider immer noch Geduld gefragt, und diese ist verständlicherweise nicht immer gegeben. Unser Fazit: Auch wenn etwas Geduld gefragt ist, werden die versicherten Leistungen erbracht und die Gesellschaften reagieren fair. Zumindest in den Schadenfällen, die wir für die Kunden abwickeln.
Müssen nach Ihren Erfahrungen die Häuser wieder an derselben Stelle aufgebaut werden, oder hat hier auch ein Umdenken eingesetzt? Nach meinem Wissen schreiben viele Elementar-Vertragsbedingungen vor, dass an gleicher Stelle gebaut werden muss.
Dies ist gar nicht so einfach zu beantworten. Es gibt Bereiche, da ist ein Wiederaufbau schlichtweg nicht möglich. Die uns bekannten Fälle wurden und werden jedoch alle von den Gesellschaften beglichen. Jedoch wird der Grundstückswert oft nicht ersetzt. Das ist besonders bitter, wenn das Grundstück nicht mehr vorhanden bzw. kein Bauland mehr ist. Jedoch stellen einige Gemeinden den Betroffenen teilweise zu sehr fairen Konditionen Bauland zum Wiederaufbau zur Verfügung.
Bei Betroffenen, die einen Wiederaufbau an gleicher Stelle nicht möchten, ist etwas Verhandlung mit dem Versicherer notwendig. Wir konnten jedoch auch hier sehr gute Lösungen zur absoluten Zufriedenheit der Kunden finden, sodass Schäden übernommen und erstattet werden. Unserer Erfahrung nach handeln bei diesem Jahrhundertereignis die Gesellschaften überwiegend fair und kundenfreundlich, auch wenn es etwas Zeit in Anspruch nimmt.
...viele Handwerker helfen kostenfrei - andere zu überhöhten Preisen
Vermehrt hört man, dass Menschen in Ihrer Region Probleme haben, Handwerker für den Wiederaufbau der Häuser zu finden. Schließlich ist der Bedarf enorm. Wie sind hier Ihre Erfahrungen? Kommt es dadurch zu Verzögerungen beim Wiederaufbau?
Ein ganz klares Ja. Aktuell ist Winter und einige Baustellen sind zum Erliegen gekommen [Anmerkung Redaktion: Das Gespräch wurde Anfang März geführt]. Der komplette Wiederaufbau inkl. Aufbau der Infrastruktur und der Natur wird sicherlich noch Jahre dauern. Wir hoffen für alle Betroffenen, die aktuell noch nicht wieder in Ihre Häuser zurück können oder diese nur notdürftig bewohnen, dass sie bis zum Sommer / Herbst wieder alles wiederhergestellt bekommen. Insbesondere die öffentliche Versorgung mit Wasser, Strom und Gas sowie funktionierende Heizungen und trockene Wände sind enorm wichtig. Dies ist leider noch nicht überall der Fall.
Ich habe ebenfalls gelesen, dass die Handwerker aufgrund der hohen Nachfrage teils sehr hohe Preise abrufen, die über dem gängigen Marktschnitt liegen. Kann es hier Probleme mit der Deckungszusage des Versicherers geben, sodass er etwa den Preis nur teils oder gar nicht ersetzt?
Dies haben wir leider auch bereits mehrfach erlebt. Die meisten Gesellschaften zahlen bis 30 Prozent über marktüblichen Preisen aufgrund der besonderen Notsituation. Kunden verstehen dies generell. Dennoch arbeiten einige Handwerksbetriebe wirklich mit recht miesen Maschen, weil sie genau wissen, dass die Kunden teilweise keine anderen Angebote und Handwerker bekommen. Diese Vorgehensweise ist für uns absolut inakzeptabel. An dieser Stelle sei jedoch auch erwähnt, dass dies zum Glück nicht die Mehrheit betrifft und viele Handwerksbetriebe einen Top-Service bieten.
Viele Handwerker helfen auch Betroffenen, die gegebenenfalls nicht versichert sind, kostenfrei und ohne Gegenleistung. Sowohl hier in Erftstadt als auch in der Eifel und im Ahrtal gibt es tolle Helferserviceangebote, welche auch von Fachhandwerkern tatkräftig unterstützt werden. Ohne die vielen freiwilligen Privatpersonen, Handwerker, Landwirte oder Betriebe mit schweren „Geräten“ wie LKW, Bagger usw. stünde der Wiederaufbau noch ganz am Anfang. Diesen Menschen gehört immer wieder ein riesiger Dank. Ohne diese Hilfskräfte würde der Wiederaufbau, welcher jetzt im Winter gerade etwas schwierig ist, ab dem Frühling auch nicht machbar sein.
Welche Rolle können Assistance-Leistungen wie Handwerker-Services spielen?
Einige Versicherer haben dies ja bereits im Angebot. Und unsere Erfahrungen sind diesbezüglich gut. Auch hier kommt es jedoch durch die Flut zu Verzögerungen. Oder es fehlen schlichtweg Angebote, da Handwerker fehlen. Dann müssen die Kunden sich eigenständig um Fachfirmen kümmern. Generell wird der Service jedoch von uns und den Kunden oft angenommen und geschätzt.
In den schwer betroffenen Gebieten verfügten nur 38 Prozent der Hausbesitzer über eine Elementarschaden-Deckung. Beobachten Sie seitdem eine steigende Nachfrage nach solchen Policen?
Ja! Uns haben auch nicht betroffene Kunden oder Interessenten kontaktiert und um Überprüfung des bisherigen Versicherungsschutzes gebeten.
Ist es überhaupt noch möglich, in Ihrer Region bezahlbaren Elementarschutz zu finden? Nach der Flut in Sachsen 2002 und 2006 berichteten die Verbraucherzentralen, dass viele Hausbesitzer Änderungskündigungen erhielten – entweder, sie nahmen deutlich höhere Kosten in Kauf, oder sie verloren ihren Schutz. Das sorgte damals auch in der Politik für viel Kritik an den Versicherern.
Uns stört bei dieser Entwicklung etwas, dass einige Gesellschaften – trotz anfänglich anders lautenden Aussagen – nun in betroffenen Gebieten keinen Elementarschutz mehr anbieten möchten. Zunächst hieß es bei vielen Gesellschaften, „Schaden durch Tief Bernd wird nicht als klassischer Vorschaden bewertet und berechnet“. Hier ist die Entwicklung nach unserer Erfahrung jedoch aktuell anders. Positiv an der Tätigkeit als Makler ist ja die Möglichkeit der marktübergreifenden Ausschreibung – und zum Beispiel auch die Möglichkeit, Produkte wie die Elementardeckung von Asspario anbieten zu können. Beitragserhöhungen haben wir bereits zu diesem Jahr vernommen und gehen auch von weiteren Beitragserhöhungen aus. Wenn man sich aber die Entwicklung der Immobilienpreise anschaut und dann die Versicherungsprämie in Relation stellt, liegt die „RundumSorglos“- oder „ALL-IN“- Prämie oftmals bei lediglich 0,2 Prozent des Immobilienwerts. Im Verhältnis zum Wert einer Immobilie halten wir die Entwicklung der Prämien für angemessen. Außerdem ist laut Wetterexperten aufgrund des Klimawandels in unserer Region vermehrt mit Starkregen zu rechnen.
Würden Sie eine Elementarversicherungs-Pflicht für Immobilienbesitzer befürworten, wie sie aktuell debattiert wird?
Wir haben nahezu 85-90 Prozent unserer Privat- und Gewerbekunden in allen möglichen Bereichen bereits gegen Elementar abgesichert. Wenn ein Kunde diese Absicherung also nicht wünscht, protokollieren wir dies. Ich denke: Eine Pflichtversicherung wie zum Beispiel die KFZ-Haftpflichtversicherung ist schwer umsetzbar. Zumal einige Gebiete ja laut Gesellschaften nicht gegen alle Gefahren versicherbar sind. Hier müsste es mehr Informationen geben, um eine adäquate Antwort geben zu können. Wir empfehlen daher die qualifizierte Beratung von unabhängigen Maklern, da diese eine professionelle und flächendeckende Ausschreibung zum optimalen Versicherungsschutz für die jeweilige Person oder den jeweiligen Betrieb anbieten können.
Die Fragen stellte Mirko Wenig