Die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland stehen vor einem der größten Defizite ihrer Geschichte. Und noch immer ist unklar, wie das Finanzloch gestopft werden soll. Dabei bleibt für gesetzliche Regelungen vor der Sommerpause kaum noch Zeit.
‚Können sich die gesetzlich Versicherten auf eine dauerhaft stabile Finanzierung der Krankenversicherung verlassen? Wie will die Koalition die Krankenhauslandschaft neu strukturieren?‘ Mit diesen Fragen setzten sich Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) und Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, bereits im März diesen Jahres auf einer Veranstaltung des Verbands auseinander (Video-Aufzeichnung).
Tenor seinerzeit: Lauterbach will an folgenden vier ‚Stellschrauben drehen‘ (Versicherungsbote berichtete):
- Effizienzreserven im Gesundheitssystem heben
- Reserven bei den Krankenkassen nutzen
- zusätzliche Bundeszuschüsse gewähren
- Anhebung der Krankenkassen-Beiträge
Doch in welchem Ausmaß die Beitragserhöhung ausfallen soll, ist unklar. Nach der Ankündigung steigender Beiträge meldeten sich bereits Gegner solcher Maßnahmen zu Wort. In ungewohnter Einigkeit sprachen Gewerkschaftler und Vertreter der Arbeitgeber von Ungerechtigkeit, wenn jetzt Sozialbeiträge steigen würden.
Doch: „Es muss eine Lösung geben, sonst laufen wir voll in die Beitragserhöhung“, so Doris Pfeiffer auf einem Presseseminar des GKV-Spitzenverbands in Sommerfeld bei Berlin. Pfeiffer zeigte sich enttäuscht, dass Lauterbach die Zeit nicht für einen Gesetzesentwurf genutzt habe.
AOK sieht Finanzminister in der Pflicht
„Versicherte, Arbeitgeber, Ärzte, Kliniken und Pharmaindustrie brauchen Gewissheit, worauf sie sich im kommenden Jahr einzustellen haben“, drängt auch Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands. Die Kassen bräuchten „schnellstmöglich Klarheit, eine Hängepartie wie im Vorjahr sollte es nicht noch einmal geben“, so die Funktionärin. Allerdings sieht der AOK-Bundesverband eher Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in der Pflicht. „Er muss schnell über die Freigabe der notwendigen zusätzlichen Bundesmittel entscheiden und zeitnah mitteilen, mit wie viel Milliarden Euro er die prognostizierten Finanzprobleme der GKV und der SPV im Jahr 2023 lindern will“, so Reimann.
Und Reimann weiß auch: „Je geringer die zusätzlichen Bundesmittel ausfallen, desto höher wird der Druck auf Beitragszahler und Leistungserbringer ausfallen.“
Dass in den zwei verbleibenden Sitzungswochen vor der parlamentarischen Sommerpause ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, der Klarheit in die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen bringen wird, darf bezweifelt werden.