Bei den gesetzlichen Krankenkassen klafft ein Milliarden-Loch. Die Grünen fordern nun, die Beitragsbemessungsgrenze anzuheben. Gutverdiener müssten dann höhere Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zahlen.
Es war die Nachricht des gestrigen Tages: Für Millionen gesetzlich Krankenversicherte sollen die Beiträge zur Krankenversicherung steigen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) prognostiziert für 2023 ein Defizit im GKV-System von 17 Milliarden Euro. Ausgleichen sollen diesen Fehlbetrag auch die Krankenversicherten, indem der Zusatzbeitrag um 0,3 Prozentpunkte angehoben wird. Im Schnitt werden dann 16,2 Prozent des Bruttolohnes allein für den Krankenversicherungs-Schutz fällig.
"Mehr Solidarität im System schaffen"
Das hat nun Debatten über eine gerechte Finanzierung des GKV-Systems entfacht. Die Grünen im Bundestag bringen ins Spiel, dass auch die Beitragsbemessungsgrenze angehoben werden soll. "Wir müssen mehr Solidarität im System schaffen“, sagte Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Und weiter: „Starke Schultern sollten in Krisenzeiten mehr Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen“. Deshalb dürfe es kein Tabu sein, die Beitragsbemessungsgrenze raufzusetzen.
Konkret würde das bedeuten, dass Gutverdiener mehr Beitrag zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zahlen müssten. Die Beitragsbemessungsgrenze in der GKV gibt die Höhe des Einkommens an, das mit Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung belastet werden kann. Bis dahin ist das Einkommen beitragspflichtig, alles darüber ist beitragsfrei.
Aktuell liegt die entsprechende Beitragsbemessungsgrenze bei 58.050 Euro im Jahr bzw. 4.837,50 Euro im Monat. Brisant: Im Koalitionsvertrag von SPD, FDP und Grünen ist nicht vorgesehen, diese anzuheben. „Aber damals waren uns auch die enormen Preissteuerungen noch nicht absehbar“, sagt nun Dahmen. Die gesetzliche Krankenversicherung brauche höhere Einnahmen, gleichzeitig müssten viele Beitragszahlende entlastet werden. „Wir können einem Großteil der Menschen in naher Zukunft nicht auch noch höhere Krankenkassenbeiträge zumuten“, so der studierte Notfall-Mediziner.
Kritik an Lauterbachs Beitrags-Plänen
Zeitgleich regt sich Kritik an den Plänen Lauterbachs, den GKV-Beitragssatz anzuheben. Dieser wird hälftig auch von den Arbeitgebern gezahlt. „Eine weitere Erhöhung der Krankenkassenbeiträge kann sich Deutschland nicht mehr leisten“, sagt Markus Jerger, Vorsitzender des Bundesverbandes Der Mittelstand (BVMW), laut dpa. Deutschland habe schon jetzt die größte Abgaben- und Steuerlast in Europa. „Im Grunde brauchen wir Ausgaben senkende Strukturreformen in allen Zweigen der Sozialversicherungen“, so Jerger.
Strukturmaßnahmen fordert auch Andreas Storm, Vorstands-Chef der DAK Gesundheit. „Der Minister hat eine strukturelle Unterfinanzierung der (gesetzlichen Krankenversicherung) GKV selbst angesprochen, will die Hälfte des Defizits aber mit Einmal-Maßnahmen lösen“, kritisierte er in der „Bild“.
Tatsächlich hat Karl Lauterbach weitere Reformen angekündigt. „Wir müssen an vier Stellschrauben drehen: Effizienzreserven im Gesundheitssystem heben, Reserven bei den Krankenkassen nutzen, zusätzliche Bundeszuschüsse gewähren, und die Beiträge anheben“, sagte er im März der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Ein entsprechendes Gesetzvorhaben werde vorbereitet. Auch bei der Finanzierung der Krankenhäuser soll es Änderungen geben: diese sind mit mehr als 81,54 Milliarden Euro Kosten in 2021 teuerster Ausgabenblock der GKV.