Inflation, Zinsanstieg und Ukraine-Krieg sorgen für Volatilität am Immobilienmarkt. Zudem sorgen Klimaschutz-Anforderungen für Risikoverschiebungen, beobachtet das „Trendbarometer Immobilienanlagen der Assekuranz 2022“ von EY Real Estate.
2021 schloss das damalige „Trendbarometer Immobilienanlagen der Assekuranz“ mit der Aussicht, dass 63 Prozent der befragten Versicherer die Immobilienquote in der Kapitalanlage steigern wollen. Die Quote belief sich letztes Jahr auf 11,5 Prozent.
Im nun veröffentlichten 15. Trendbarometer (PDF) wird deutlich, dass die erwartete Steigerung der Immobilienquote eingetreten ist. Mit 12,1 Prozent erreicht sie sogar einen neuen Höchststand. Doch der seit 13 Jahren anhaltende Trend zu steigenden Immobilienquoten in den Kapitalanlagen der deutschen Versicherer schwächt sich ab. Gaben im 2021 noch 63 Prozent der befragten Versicherer an, ihre Immo-Quote steigern zu wollen, waren es in diesem Jahr „nur noch“ die Hälfte der Versicherer.
Ebenfalls die Hälfte der 30 befragten Assekuranzen stimmt dem Satz „Aufgrund der aktuellen Situation werden wir vorerst keine Investments in Osteuropa tätigen“ zu. Weitere 30 Prozent wählen die Antwort „Ich stimme eher zu“. 80 Prozent der Versicherer wollen derzeit also keine Investitionen in Osteuropa tätigen - nicht ohne Folgen: Erstmals löst Nordamerika Europa als attraktivstes Investitionsziel der Versicherer ab. Und gegenüber Investitionen in Deutschland wächst die Skepsis: Insgesamt gehen 95 Prozent der Befragten davon aus, dass die Attraktivität Deutschlands als sicherer Investitionsstandort unter der Abhängigkeit von russischen Energieimporten Schaden nimmt.
„Versicherungen agieren am Immobilienmarkt derzeit überwiegend abwartend. Zwar stellen sie ihre Investitionsstrategie nicht gänzlich infrage – im aktuell volatilen Umfeld zwischen Inflation, Zinsanstieg und Krieg in der Ukraine ist Geduld allerdings das Gebot der Stunde“, fasst Jan Ohligs, Partner bei EY Real Estate und Autor der Studie, zusammen.
Nachhaltigkeit als Werttreiber
Die Umfrage zeigt auch, welche Hoffnungen die Kapitalanlagestrategen der Versicherer mit dem Investment in nachhaltige Immobilien verbinden: Insgesamt gehen 90 Prozent der befragten Unternehmen davon aus, dass sich solche Kapitalanlagen beim Wiederverkauf auszahlen. Doch der finanzielle Aufwand für energetische Sanierung lässt sich nur schwer abschätzen. „Nachhaltigkeit und insbesondere die Emissionsoptimierung von Immobilienbeständen werden nicht zuletzt auch durch die striktere Regulatorik zum ökonomischen Faktor“, sagt Ohligs. „Auch ein höherer Wiederverkaufswert scheint realistisch – aktuell steht jedoch die Finanzierung der notwendigen Maßnahmen an. Eine rein cashflowbasierte Herangehensweise könnte sich als zu optimistisch herausstellen, wenn wir die Entwicklung der Bau- und Materialkosten in der Rechnung berücksichtigen.“
Als größtes Hindernis bei der Umsetzung von ESG-Strategien ist aus Sicht von 95 Prozent der Versicherer das Fehlen valider Daten.
Auffallend ist, dass immer mehr Versicherer bereit sind, höhere Risiken einzugehen. Danach gefragt, welche Risikokategorien 2022 im Investment-Fokus stehen, wählen 40 Prozent der Versicherer „Opportunistic“ - die risikoreichste Kategorie. Im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 18 Prozent. Die risikoärmsten Kategorien „Core“ (70 Prozent) und „Core+“ (85 Prozent) bleiben die favorisierten Investitionsziele der Assekuranz.
„Versicherer müssen trotz knappem Produktangebot und entsprechendem Druck ihre Renditeerwartungen erfüllen und können diese nicht beliebig senken“, sagt Ohligs. „Hinzu kommt, dass nicht wenige Immobilien, die zuvor noch als ‚Core‘ eingestuft wurden, durch die neuen Anforderungen an den Klimaschutz nun in eine risikoreichere Kategorie fallen.“
Über die Studie
Das „Trendbarometer Immobilienanlagen der Assekuranz“ wurde 2022 zum 15. Mal erstellt. Im Mai 2022 wurde dafür eine Umfrage unter 30 führenden Unternehmen der hiesigen Assekuranz durchgeführt. An der Befragung beteiligten sich verschiedene Akteure der Versicherungsbranche, etwa Pensionskassen sowie Lebens- und Rückversicherungen.