Die privaten Versicherer sehen sich mit Vorwürfen konfrontiert, sie würden Geschädigte der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal nicht angemessen entschädigen und ihnen bewusst Steine in den Weg legen. Das widerspricht der Selbstdarstellung der Branche als Retter in der Not. Pauschale Vorwürfe sind dennoch nicht angebracht: weil viele Versicherer zahlen.
Als das Sturmtief Bernd im Sommer 2021 Deutschland heimsuchte, brachte es viel Leid und Zerstörung mit sich. 182 Menschen verloren ihr Leben, ganze Städte wurden verwüstet, Häuser hinweggespült, Existenzen zerstört. Sinnbild für das Leid wurde das Ahrtal, wo die Fluten besonders wüteten.
Ein Jahr ist das Ereignis nun her: doch noch immer sind viele Häuser nicht wieder aufgebaut, viele Orte verwüstet. Es wird noch Jahre dauern, bis wieder Normalzustand hergestellt werden kann. Die Versicherungswirtschaft präsentiert sich hierbei als Helfer in der Not: zumindest in der Eigendarstellung. So gut wie jeder Hausbesitzer, der versichert gewesen sei, habe mittlerweile sein Geld erhalten, so schrieb der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) per Pressetext im Juli. 5 Milliarden Euro seien bereits ausgezahlt worden: knapp 60 Prozent der versicherten Kosten.
Klagen wegen verzögerter oder unzureichender Leistungen
Doch die Selbstdarstellung der Branche deckt sich nicht mit dem, was aktuell die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. Demnach seien längst nicht alle Versicherer bereit, schnell und unbürokratisch Hilfe zu leisten. Im Gegenteil: So mancher Versicherer würde den Betroffenen bewusst Steine in den Weg legen, Zahlungen hinauszögern und die Geschädigten zu faulen Kompromissen überreden wollen. Das Ziel: Geld einsparen aufgrund der immens hohen Schäden. Ähnliche Vorwürfe hatte bereits der SWR im März erhoben.
Das Blatt beruft sich unter anderem auf mehrere Verbraucheranwälte, die eine beachtliche Zahl an Mandanten in der betroffenen Region vertreten: unter anderem im Ahrtal. Ein Vorwurf: Es seien vor allem schwere Schäden, die noch nicht reguliert seien, während Bagatellschäden schnell und unkompliziert ausgezahlt wurden. Die Versicherungswirtschaft beruft sich unter anderem auf Handwerkermangel und Engpässe bei den Baumaterialien, um zu begründen, weshalb rund 3,5 Milliarden Euro versicherte Summe noch nicht abgerufen wurden. Doch das sei nicht der einzige Grund.
So bedeute ein abschließend regulierter Schaden auch nicht, dass die Geschädigten die ihnen zustehende Summe ausgezahlt bekommen hätten, berichtet der Düsseldorfer Fachanwalt Mark Wilhelm der „Süddeutschen Zeitung“. Manche Versicherer hätten versucht, die Betroffenen mit niedrigeren Auszahlungsangeboten abzuspeisen - Deals, die von den Betroffenen aufgrund ihrer Not oft angenommen würden.
Grundsätzlich beobachte er ein „seltsames Regulierungsverhalten“, sagt Wilhelm der Zeitung: Je höher die zu zahlende Summe, desto wahrscheinlicher seien Probleme zwischen Kunden und Versicherer. Zugleich schränkt der Anwalt ein, dass er die harten Negativfälle auf dem Tisch habe. Einige Versicherer würden zum Beispiel die Flutopfer dazu drängen, ein stark beschädigtes Haus zu sanieren statt neu aufzubauen, obwohl die Wände durch Heizöl stark kontaminiert und durch das Wasser geschädigt seien, das Haus folglich unbewohnbar. Das sei für die Versicherer schlicht billiger.
Ein weiterer Vorwurf an die Versicherer: Sie versuchen, die gängige Praxis bei den staatlichen Unterstützungsleistungen zu nutzen, um den Betroffenen nur eine Teilsumme auszahlen zu müssen. Denn um Hilfe von Bund und Ländern zu erhalten, müssen die Hausbesitzer angeben, ob sie privat vorgesorgt haben und welche Schäden der Versicherer bereits erstattet hat bzw. erstatten will. Bleibt in der Schwebe, welche Gelder dem Geschädigten durch seinen Elementarversicherer zustehen, bremse das auch die staatlichen Hilfsgelder aus. Folglich seien die Betroffenen in ihrer Not eher zu Kompromissen bereit. Denn die zuständigen Förderbanken übernehmen den Restbetrag, für den der Versicherer nicht aufkommt.
Grundsätzlich wird in dem Artikel ein Vorwurf an die Assekuranzen erhoben, den die Versicherer gern selbst in Richtung der Politik machen: Manche Anbieter seien auf die Schäden zu schlecht vorbereitet gewesen, hätten zu wenig Expertise bei der Regulierung gezeigt, mangelhafte Gutachten erstellt, seien mit der Situation überfordert gewesen. Versäumnisse, die wohl auch innerhalb der Branche ein Umdenken erfordern: nicht alle Anbieter sind mit Blick auf Naturgefahren gut genug vorbereitet auf ein derart verheerendes Großereignis.
Doch um pauschale Vorwürfe an die Branche zu erheben, taugen die Vorgänge nicht. Selbst die zitierten Anwälte im Text berichten, dass viele Versicherer gut leisten. Andere wiederum würden dazulernen, nachdem sie anfangs Probleme gemacht hätten.
Oft nicht klar, wann und wo wieder aufgebaut wird
Welche Probleme es beim Wiederaufbau in den betroffenen Gebieten gibt, hat auch Versicherungsmaklerin Madeleine Schüller aus Erfstadt dem Versicherungsboten berichtet. Der Mangel an Handwerkern und Baumaterial sei ein Problem, das auch Probleme mit dem Versicherer provozieren könne. So würden manche Betriebe überzogene Preise aufrufen - die die Versicherer skeptisch machen. Sie berichtet zugleich aber auch von großer Solidarität in den Gebieten, sodass einige Handwerker sogar kostenlos helfen.
Ein weiteres Problem: Oft sehen Versicherungsverträge vor, dass ein Haus an derselben Stelle wieder neu errichtet werden muss. Doch das kann in einem Gebiet, wo erneut mit verheerenden Hochwassern zu rechnen ist, die falsche Entscheidung sein. „In einigen Fällen ist leider noch gar nicht klar, wie und wann und vor allem wo wieder aufgebaut werden kann. Oftmals sind noch behördliche Punkte zu klären“, so die Maklerin. Bei der Frage, wann und in welchem Umfang entschädigt wird, reden eben viele mit - nicht allein die Versicherer.