Die Aufsichtsbehörde BaFin hat eine neue Dienstanweisung in Kraft gesetzt, die Beschäftigten verbietet, privat mit Aktien, Anleihen und anderen Wertpapieren zu handeln. Damit zieht man Konsequenzen aus dem Wirecard-Skandal. Damals war der Vorwurf laut geworden, Mitarbeitende hätten Insider-Informationen zu dem Pleite-Unternehmen für eigene Aktiendeals genutzt.
Der Wirecard-Skandal war auch ein Finanzaufsichts-Skandal. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatten mit Aktien des Skandal-Unternehmens gehandelt. Der Vorwurf an die Watchdogs: Insider-Handel.
Einige Beschäftigte der Behörde hatten selbst dann noch mit Wirecard-Derivaten gehandelt, nachdem das Unternehmen bereits Insolvenz anmelden musste. Das wird als ein Grund angesehen, weshalb die Aufseher nicht durchgriffen, als es Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen gab. Schlimmer noch: Im Frühjahr 2019 hatte die BaFin ein zweimonatiges Leerverkaufsverbot für Wirecard-Papiere verhängt. Nach dem Verbot war es -stark vereinfacht- untersagt, auf fallende Aktienkurse des Unternehmens zu wetten.
Die BaFin hatte angekündigt, auf die Vorfälle reagieren zu wollen. Was sie nun auch umsetzt. Den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es seit Anfang September weitestgehend untersagt, mit Aktien, Anleihen und weiteren Wertpapieren privat zu handeln: Interessenkonflikte sollen so ausgeschlossen werden. Das teilt die Behörde auf ihrer Webseite mit.
"Jeglichen Anschein von Missbrauch vertraulicher Informationen unterbinden"
"Ziel der am 1. September 2022 in Kraft tretenden Dienstanweisung für private Finanzgeschäfte der Bafin-Beschäftigten ist, jeglichen Anschein von Missbrauch vertraulicher Informationen zu unterbinden“, sagte Mark Branson, Präsident der BaFin, am Donnerstag vor Pressevertretern. Die neuen Regeln würden zu den strengsten weltweit gehören, ergänzte er.
Konkret geht es um die sogenannte Dienstanweisung für private Finanzgeschäfte der Beschäftigten der Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht. Diese sieht folgende Verbote und Einschränkungen vor:
- Allen BaFin-Beschäftigten ist der Handel von Finanzinstrumenten, die von beaufsichtigten Unternehmen ausgegeben werden, verboten.
- BaFin-Beschäftigten sämtlicher Aufsichtsbereiche (90 Prozent der Beschäftigten) ist der Handel in Finanzinstrumenten mit Bezug zu sämtlichen in der Europäischen Union ansässigen Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und sonstigen Finanzinstituten verboten.
- Allen BaFin-Beschäftigten ist der Handel von Finanzinstrumenten, die an einem inländischen organisierten Markt gehandelt werden, verboten: stark vereinfacht also von Unternehmen, die an Dax oder MDax gehandelt werden und entsprechende Zulassungsverfahren durchlaufen haben.
- Für alle BaFin-Beschäftigten sind spekulative Finanzgeschäfte, also das kurzfristige Handeln beispielsweise mit derivativen Finanzinstrumenten oder Aktien, nicht gestattet.
- Alle BaFin-Beschäftigten müssen Finanzgeschäfte ab dem ersten Euro melden.
- Für einen Teil der Beschäftigten, hauptsächlich in der Marktaufsicht tätig, gilt auch ein Handelsverbot für Finanzinstrumente, die im inländischen Freiverkehr gehandelt werden. Hierzu werden stark vereinfacht Finanzinstrumente gezählt, die nicht in den offiziellen Börsenhandel einbezogen sind und nicht denselben strengen Regeln unterliegen. Hierzu zählen nach Informationen der Frankfurter Börse viele deutsche und ausländische Aktien, festverzinsliche Wertpapiere deutscher und ausländischer Emittenten, sowie Fonds, Zertifikate und Optionsscheine. Aktien aus über 60 Ländern sind in diesen Handel einbezogen.
Vorwurf gegen 42 Beschäftigte
Wie die BaFin weiter berichtet, ergaben sich seit 2018 bei 42 Beschäftigten Anhaltspunkte, dass sie gegen Regeln zu privaten Finanzgeschäften verstoßen haben. Dies habe die interne Aufarbeitung im Zuge des Wirecard-Skandals gezeigt. Von diesen 42 Verdachtsfällen wurden in elf Fällen die behördlichen Verfahren abgeschlossen, zwölf Verwaltungsverfahren laufen noch, und in 19 Fällen wird noch geprüft, ob ein Verfahren eröffnet werden soll. Hierbei handelt es sich jedoch um Verstöße gegen die -sehr laxen- bisherigen Vorschriften. Erst am 16. Oktober 2020 hatte die BaFin eine Übergangsregelung in Kraft gesetzt, die strengere Vorgaben machte - und nun durch die neue Dienstanweisung ersetzt wird.
Wie das Verbot kontrolliert werden soll, teilt die BaFin nicht mit. Zu befürchten ist, dass sich die neuen Regeln negativ auf die Attraktivität der Behörde als Arbeitgeber auswirken. Finanzexperten, die nicht mit Aktien handeln dürfen? Fest steht: Bei vielen BaFin-Beschäftigten stoßen die Vorgaben auf Unverständnis:
Im Juli 2021 wurde bereits ein Schreiben öffentlich, welches Andreas Wolter, Personalrats-Chef der BaFin, an den Finanzstaatssekretär Jörg Kukies geschrieben hatte. Und dies bezog sich auf die weniger strengen Übergangsregeln, die seit Oktober 2020 galten. Es herrsche „große Frustration und Verunsicherung“ über die Einschränkungen sowie die Art und Weise, wie sie kommuniziert worden seien, schreibt Wolter. Und weiter: „Wir erachten den aktuellen Regelungsstand als unbefriedigend und verfassungsrechtlich bedenklich“. Die Mitarbeitenden würden die Verbote als Abstrafung für den Wirecard-Skandal empfinden.