Versicherungsvertreter haben einen Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte. Die Unternehmen versuchen jedoch oft, über sogenannte Provisionsverzichtsklauseln diesen Anspruch einzuschränken. Eine dieser Klauseln wurde nun vom Oberlandesgericht Düsseldorf gekippt.
Ein Versicherungsvertreter hat Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind. Dies bestimmt Paragraf 87 Handelsgesetzbuch (HGB) in Verbindung mit Paragraf 92 Absatz 1 HGB. Der Anspruch gilt sogar nach dem Ende des Vertragsverhältnisses für alle dynamischen Geschäfte, die auf die Vermittlung des Vertreters zurückzuführen sind.
Statt Überhangprovision kann ein Ausgleich gezahlt werden
Aber der Vertreter kann nach Vertragsende statt der Überhangprovisionen auch einen Ausgleich erhalten. Bedingungen hierfür regelt Paragraf 89b HGB. Der Ausgleich beträgt für Versicherungsvertreter höchstens drei Jahresprovisionen oder Jahresvergütungen – und hat den Vorteil für Vertriebsunternehmen, dass sie verschont sind von jahrelangen Abrechnungen und Zahlungen.
Buchauszug macht Provisionshöhe nachvollziehbar
Ein weiterer Rechtsanspruch des Vertreters besteht in seinem Recht auf einen Buchauszug gemäß Paragraf 87c HGB. Dieses Recht kann nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden – es gilt uneingeschränkt. Sichert der Buchauszug doch, dass der Vertreter seine Ansprüche auf Provisionszahlungen gegenüber dem Vertriebsunternehmen geltend machen kann. Der Vertreter kann über den Buchauszug Mitteilung über alle Umstände verlangen, die für den Provisionsanspruch, seine Fälligkeit und seine Berechnung wesentlich sind. Ist demnach für den Vertreter alles im Lot? Leider nein.
Überhangprovisionen führen oft vor Gericht
Denn eine Vielzahl von Prozessen, die Überhangprovisionen betreffen, zeigen ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit, so dass es immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten kommt. Dies ist durch drei Gründe verursacht:
- Nach Vertragsende gibt es häufig Streit, welcher Anspruch auf Ausgleich oder auf welche Provisionshöhe für den Vertreter besteht. Häufig betrifft der Rechtsstreit Provisionen für dynamische Versicherungsprodukte mit der Möglichkeit, die Versicherungsleistung zu erhöhen – so genannte Dynamikprovisionen. Oft gehen Ansichten zwischen Unternehmen und Vertreter darüber auseinander, welche Erhöhung dem Vertreter zuzurechnen ist. Damit der Vertreter wissen kann, welche Dynamikprovisionen ihm zustehen, muss er zudem wissen, ob der Versicherungsnehmer der Möglichkeit einer Erhöhung (auch der Prämien) zugestimmt hat.
- Man könnte derartige Fragen durch Verweis auf die Ausgleichszahlung gemäß Paragraf 89b HGB ignorieren. Jedoch: Unter bestimmten Bedingungen fällt der Anspruch auf Ausgleich weg. Das trifft zum Beispiel dann zu, wenn der Vertreter den Vertrag selber kündigte ohne Fehlverhalten des vertraglich gebundenen Unternehmens. Demnach liegt es mitunter im Interesse des Vertreters, dass eben der Anspruch auf Überhangprovisionen bestehen bleibt.
- Hingegen liegt es im Interesse der Vertriebe und Unternehmen, nicht ewig lang nach Beendigung des Vertretervertrags Provisionen nachzahlen und diese verwalten zu müssen. Zumal man durch den Paragraf 87c HGB ja auch ständig in der Rechenschaftspflicht ist trotz Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem Vertreter. Aus diesem Grund enthalten viele Vertragswerke sogenannte Provisionsverzichtsklauseln. Diese aber sind rechtlich sehr umstritten.
Klage – ausgerechnet gegen Musterklausel der Spitzenverbände
Ursächlich für den Rechtsstreit, der in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verhandelt wurde (Az. 16 U 215/20) , war die Provisionsverzichtsklausel im Vertretervertrag eines Versicherungsunternehmens. Es handelte sich aber nicht um eine x-beliebige Verzichtsklausel. Vielmehr traf es just jene Klausel, die musterhaft durch den Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), den Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und den Bundesverband Assekuranz für Führungskräfte (VGA) vorgeschlagen wurde. Um was ging es in diesem Rechtsstreit?
Ein Versicherungsvertreter lag im Streit um Dynamikprovisionen mit einem Versicherer, an dem er zuvor vertraglich gebunden war. Nach Auslaufen des Vertragsverhältnisses meinte der Mann, noch Ansprüche auf Dynamikprovisionen zu haben für Versicherungsverträge, die er für den Versicherer vermittelt hatte. Hierzu wollte er eine Neufassung des Buchauszugs gemäß Paragraf 87c HGB – der Auszug sollte aufzeigen, wie sich die durch den Vertreter vermittelten Verträge in jener Zeit entwickelten, als kein Vertragsverhältnis mehr zwischen Versicherer und Vertreter bestand.
Versicherer verweigerte Buchausdruck-Neufassung mit Verweis auf Provisionsverzichtsklausel
Der Versicherer aber – er hatte bereits einen Buchauszug ausgehändigt für den Zeitraum des bestehenden Vertragsverhältnisses mit dem Vertreter – verweigerte nun einen erneuten Auszug unter Verweis auf die Provisionsverzichtsklausel unter Paragraf 12 Abs. 4 des Handelsvertretervertrags. Denn der Versicherer meinte, die Klausel würde ihn von weiteren Ansprüchen des Vertreters entbinden – und zwar aufgrund des folgenden Wortlauts:
„Mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses erlischt jeder Anspruch der Vertreterin gegen die Gesellschaften auf irgendwelche Provisionen und sonstige Vergütungen; ausgenommen sind etwaige Ansprüche aus Paragraf 87 Abs. 3 HGB und Paragraf 89b HGB.“
Vertreter klagte auf Herausgabe des Buchauszugs – und bekam in zwei Instanzen recht
Der Vertreter klagte nun vor dem Landgericht Düsseldorf – und bekam in zwei Instanzen recht. Denn zunächst hielt das Landgericht Düsseldorf die Klausel für unwirksam (Az. 6 O 43/18). Das wollte sich der Versicherer nicht gefallen lassen – zumal er ja eine Musterklausel verwendete, die mehrere Verbände empfohlen hatten. Der Versicherer ging in Berufung vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf. Die Berufung aber wurde abgeschmettert – auch laut Oberlandesgericht Düsseldorf verstößt die Klausel gegen geltendes Recht.
Warum die Provisionsverzichtsklausel gegen bestehendes Recht verstößt
Sobald AGB-Klauseln von einer geltenden Rechtsnorm abweichen, unterliegen sie der Inhaltskontrolle gemäß Paragraf 307 BGB – eine solche Klausel ist nur dann dennoch rechtens, wenn sie:
- entweder mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung zu vereinbaren ist oder
- wenn sie wesentliche Rechte und Pflichten aus der Natur des Vertrags beachtet.
Sobald beide Bedingungen aber nicht erfüllt sind, wird der Vertragspartner unangemessen benachteiligt – dann weicht die Klausel nicht nur von einer Rechtsnorm ab, sondern verstößt gegen geltendes Recht.
Klausel benachteiligt den Vertreter entgegen den Geboten von Treu und Glauben
Die Musterklausel, die der Versicherer verwendete, verstößt gegen geltendes Reicht – entgegen den Geboten von Treu und Glauben wird der Vertreter unangemessen benachteiligt. Die Unrechtmäßigkeit der Klausel liegt darin begründet, dass die gewählte Fassung dem Vertreter verdeutlichen würde: Mit dem Ende des Vertragsverhältnisses würden grundsätzlich keine Provisionen mehr beansprucht werden können. In diesem Verständnis aber werden dem Vertreter Rechte abgesprochen, die der Gesetzgeber für ihn vorgesehen hat.
Da hilft es auch nicht, dass relativierend auf Paragraf 87 Abs. 3 HGB und Paragraf 89b HGB verwiesen wird – dennoch muss beim Wortlaut davon ausgegangen werden, dass weitere gesetzlich vorgesehene Ansprüche durch die Klausel ausgeschlossen werden sollen. Die Verweise erscheinen wie Ausnahmen gegenüber der Regel, dass eben grundsätzlich keine Provisionen mehr beansprucht werden könnten. In dieser Bedeutung schränkt Paragraf 12 Abs. 4 des Handelsvertretervertrags den Risikobereich des Unternehmens zu Lasten des Vertreters ein. Und auch das darf eine solche Klausel nicht.
Provisionsverzichtsklauseln seien dennoch möglich
Was aber bedeutet das Urteil nun für Provisionsverzichtsklauseln? Sind diese jetzt unmöglich, weil sie stets gegen Gesetz verstoßen? Keineswegs. Möglich bleiben laut Gericht nämlich „rein klarstellende Klauseln“, die eben nicht den Risikobereich des Vertriebsunternehmens zu Lasten des Vertreters einschränken würden.
Demnach werden wir wohl auch in Zukunft den Provisionsverzichtsklauseln in den Vertragswerken begegnen. Wie aber eine widerspruchsfreie Klausel konkret beschaffen sein muss, die einen Provisionsverzicht formuliert, ohne die Rechte des Vertreters einzuschränken –– darüber hüllt sich das Urteil es Oberlandesgerichts dann doch in Schweigen. Klauseln dieser Art werden die Gerichte also noch länger beschäftigen müssen. Das Urteil ist auf der Webseite der Justiz Nordrhein-Westfalen verfügbar.