Fortschritte erkennen die Studienmacher auch bei der Transparenz der Solvency-II-Berichte. Diese sei auf einem vergleichsweise hohem Niveau. „Das ist sehr erfreulich, die Versicherungsgesellschaften haben hier ihre Hausaufgaben gemacht“, sagt Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein. Aber es gebe auch negative Entwicklungen, besonders bei den großen Versicherern. Dort habe die Transparenz an der einen oder anderen Stelle abgenommen. Als Beispiel wird die Allianz Leben genannt, ohne dass konkrete Gründe für die geringere Transparenz angeführt werden. Aber unter anderem wird moniert, dass der Versicherer keine ESG-Risiken ausweise: stark vereinfacht Risiken, die aus Investments in umweltschädliche oder sozial fragwürdige Branchen und Unternehmen entstehen. Hier hatte zum Beispiel die NGO Urgewald das Engagement der Münchener in der Kohleindustrie bemängelt.
Insgesamt würden 32 Versicherer darauf verzichten, ihre Nachhaltigkeitsrisiken auszuweisen, bemängeln die Studienautoren. „Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Thema für die CSR-Berichterstattung, sondern auch für die Solvenzeinschätzung. Das scheint noch nicht bei allen Gesellschaften angekommen zu sein“, sagt Dr. Carsten Zielke, Geschäftsführer der Zielke Research Consult GmbH. Anders formuliert: Nicht nur mit Blick auf die Unternehmens-Verantwortung ist die Frage relevant, ob Versicherer nachhaltig und ökologisch investieren. Das betrifft auch ihre Finanzstabilität. Werden zum Beispiel bestimmte Techniken in der EU verboten oder stark eingeschränkt, kann sich für die Versicherer ein Investment an dieser Stelle als finanzielles Risiko entpuppen - und Abschreibungen erforderlich machen.
Run-off-Dienstleister tendenziell schwach
Darüber hinaus haben BdV und Zielke darauf geschaut, wie Run-off-Versicherer dastehen. Versicherer also, die kein Neugeschäft zeichnen, sondern sich darauf spezialisiert haben, laufende Verträge nur noch abzuwickeln. Das Urteil fällt eher negativ aus. Von elf getesteten Unternehmen hätten 7 Anbieter Solvenzprobleme, weil sie Kundengelder abschöpfen müssen, um ausreichend stabil zu sein. Vier Run-off-Gesellschaften weisen zudem eine Verlusterwartung aus. „Damit ist das Run-Off-Branchensegment im Marktvergleich sehr schwach. Die Unterschiede zwischen den Unternehmen sind aber sehr groß!“, schreiben die Analysten.
Auswirkungen durch die jetzt wieder steigenden Zinsen werden sich hingegen erst in vielen Jahren als Überschussbeteiligung bei den Kundinnen und Kunden bemerkbar machen. Kurzfristig hilft es aber den Solvenzquoten, sagt Kleinlein. Erneut erhebt er den Vorwurf des „legalen Betrugs“ in Richtung der Lebensversicherer.
„Die deutsche Lebensversicherung ist zu unflexibel, um auf sich ändernde Zinsen reagieren zu können, das haben die letzten Jahre einmal mehr gezeigt“, sagt Kleinlein. Besonders die Unternehmen, die viel in Staatsanleihen investiert haben, würden durch die deutschen Anforderungen nach HGB Schwierigkeiten bekommen – sie kommen in der Regel zwar besser durch Zeiten niedriger Zinsen, könnten aber bei steigenden Zinsen dennoch nur geringe Überschüsse geben. Der Anteil des Investments in Staatsanleihen sei gegenüber dem Vorjahr in etwa stabil geblieben. Die Studie sowie dazugehörige Tabellen zu den einzelnen Anbietern können auf der Webseite des BdV eingesehen werden.