Erschreckender Trend: Die Deutschen nehmen ältere Personen zunehmend als Bürde wahr. Das zeigt eine Langzeit-Umfrage im Auftrag der Versicherungswirtschaft. So stimmt der Aussage, „Ältere kosten den Staat zu viel Geld“, mittlerweile fast jeder Dritte zu.
Einen gefährlichen Trend zeigt eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts USUMA und der Universität Leipzig im Auftrag der Versicherungswirtschaft. Demnach nehmen die Deutschen ältere Menschen zunehmend als gesellschaftliche Last wahr. Im Jahr 2021 vertrat fast jeder Dritte (30,5 Prozent) die Ansicht, dass Ältere den Staat zu viel Geld kosten. Im Jahr 1996, als die Umfrage erstmals durchgeführt wurde, waren es mit 15 Prozent Zustimmung nur halb so viele.
„Es ist vor allem die Verteilung finanzieller Ressourcen, die die Generationen immer mehr entzweit. Darin schwingt die Sorge mit, dass die Sozialsysteme bald überlastet sein könnten“, sagt Studienleiter Elmar Brähler, emeritierter Professor für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie an der Universität Leipzig. Die Ergebnisse seien umso erstaunlicher, als die Bevölkerung in den vergangenen 25 Jahren gealtert sei. Denn auch das zeigt die Studie: Ältere haben grundsätzlich ein positiveres Altersbild als Jüngere.
Studie fragt nach Einstellungen und Stereotypen zum Alter
Konkret hat die Langzeitstudie das Ziel, Stereotype sowie positive und negative Zuschreibungen zum Alter herauszufinden - und wie diese sich in der Bevölkerung wandeln. Befragt wurden repräsentativ 2.509 Menschen aus Deutschland im Alter von 16 bis 95 Jahren. Für ihre Studie haben die Wissenschaftler das Altersbild in drei Dimensionen aufgeteilt, denen wiederum je sechs Aussagen zugeordnet wurden. Die Zustimmung zu diesen Aussagen konnten die Teilnehmenden auf einer Skala von 0 („Trifft nicht zu“) bis 3 („trifft voll zu“) bewerten. Die drei Dimensionen sind:
- Weisheit: zeichnen ein Bild Älterer als wissend, erfahren und die Gesellschaft mit Werten und kulturellem Wissen bereichernd. Zum Beispiel anhand der Aussage „Jüngere können vom Rat Älterer in persönlichen Fragen profitieren“.
- Rigidität und Isolation: beschreibt alte Menschen als einsam, eingeschränkt und abgehängt. Hier stehen persönliche Einbußen im Mittelpunkt, die mit dem Alter einher gehen können. Zum Beispiel anhand der Aussage: „Die meisten älteren Menschen fühlen sich einsam“.
- Bürde: diese Stereotype beschreiben alte Menschen als eine Belastung für die Gesellschaft und drücken Sorge über die Konsequenzen des demografischen Wandels aus. Zum Beispiel anhand von Aussagen wie: „Ältere Menschen kosten den Staat zu viel Geld“ oder „Die zunehmende Anzahl älterer Menschen bringt der Gesellschaft viele Belastungen und nur wenig Nutzen“.
Während die Dimensionen Weisheit und Rigidität die individuellen Zuschreibungen zu älteren Menschen erfassen, fragt die Dimension „Bürde“ nach den Einstellungen der Menschen zu den gesellschaftlichen Folgen der wachsenden Zahl Älterer. Zu letztgenannter Dimension sei angemerkt, dass ausschließlich negative Aussagen vorgegeben sind: auch das kann bereits Einfluss auf eine Umfrage haben, wie Statistiker wiederholt betont haben.
Immerhin lässt sich feststellen, dass die individuellen Zuschreibungen zum Alter tendenziell positiv sind. So betrachten insgesamt 87,1 Prozent (1996: 87,9 Prozent) der Befragten Ältere als erfahrene Ratgeber. Demgegenüber beschreiben nur 47 Prozent sie als einsam, depressiv und nicht auf der Höhe der Zeit. 1996 waren 43,7 Prozent dieser Ansicht. Auch hier lässt sich aber feststellen, dass mit steigendem Lebensalter die Zuschreibungen positiver werden. So schrieben zum Beispiel unter den bis 35-Jährigen 73,4 Prozent älteren Menschen eine hohe Weisheit zu, bei den 36- bis 65-Jährigen waren es 82,4 Prozent und bei den mindestens 66 Jahre Alten 92,1 Prozent.
Der anbahnende Generationenkonflikt zeigt sich bei Dimension "Bürde"
Der Trend zu mehr negativen Einstellungen zeigt sich hingegen, wenn nach den gesellschaftlichen Folgen des Alterns gefragt wird: folglich in der Dimension „Bürde“. 30,5 Prozent der Befragten vertreten die Meinung, dass „Ältere den Staat zu viel Geld kosten würden“. Gegenüber 1996 (15 Prozent Zustimmung) hat sich die Zustimmung verdoppelt. Ebenfalls um 9,8 Prozentpunkte legte die Zustimmung zu der Aussage „Der Staat sollte mehr Geld für Jüngere ausgeben“ zu: von 11,80 Prozent in 1996 auf 21,60 Prozent in 2021. Ein deutlicher Anstieg ist auch bezüglich der Forderung zu beobachten, begrenzte medizinische Leistungen sollten zunächst Jüngeren zugute kommen: von 14,60 Prozent auf 20,70 Prozent (siehe Grafik).
"Darauf achten, dass der Zusammenhalt nicht verloren geht"
„Wir müssen darauf achten, dass der Zusammenhalt zwischen den Generationen nicht verloren geht“, sagt angesichts der Ergebnisse Peter Schwark, Geschäftsführer des Versicherungsverbandes GDV. Jüngere hätten zunehmend das Gefühl, zu kurz zu kommen, etwa bei der Rente. „Die Lasten des demografischen Wandels müssen fair verteilt werden“, so Schwark.
„Altersbilder prägen nicht nur das Verhalten gegenüber älteren Menschen. Sie können auch politische Entscheidungen mit beeinflussen“, betont Studienleiter Brähler. Dies zeigte sich beispielsweise in der Debatte darüber, bis zu welchem Alter Menschen noch ein künstliches Knie- oder Hüftgelenk bekommen sollten. „Auch bei der Energiepauschale ging es um die Frage, ob Rentnern der Zuschuss zustehen soll oder nicht“, so Brähler.
Nicht untersucht wurden in der Studie die Ursachen für die Verschlechterung des Alters-Images. Wiederholt hatten hier Generationenforscher zu bedenken gegeben, dass die Darstellung von älteren Menschen in Medien und Politik selbst dazu beitragen kann, dass sich negative Images verhärten: etwa, wenn ältere Menschen einseitig als Kostenfaktor dargestellt werden, zum Beispiel in der Debatte um Pflegekosten und Rentenversicherung. Um dieses Image geradezurücken, hat sich der Verein "BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen“ gegründet, der für differenziertes Bild des Alterns eintritt. Die Studie ist auf der Webseite des GDV als Download verfügbar.