Die Allianz will bei der Schadensbearbeitung durchstarten. So solle die Kfz-Schadenermittlung beim Direktversicherer Allianz Direct künftig in 60 Sekunden erfolgen. Dabei solle künstliche Intelligenz eingesetzt werden.
Im Januar 2022 hatte der Münchener Versicherer angekündigt, bei der Schadensbearbeitung künftig verstärkt auf künstliche Intelligenz zu setzen. Dass der Ansatz funktionieren kann, zeigte vor Jahren die Fukoku Mutual Life Insurance. Der japanische Lebensversicherer nutzt seit Januar 2017 das Watson-System des amerikanischen Unternehmens IBM. Dieses Programm sammelt unterschiedliche Informationen, die für eine Auszahlung relevant sind. Dazu gehören unter anderem medizinische Berichte von Ärzten sowie Informationen zu Operationen oder zur Länge des Krankenhausaufenthalts. Zwar würde die endgültige Entscheidung über Auszahlung weiterhin in den Händen der Mitarbeiter liegen. Allerdings habe der Versicherer durch den Software-Roboter fast 30 Prozent der Mitarbeiter in der betreffenden Abteilung eingespart.
In Deutschland hatte die Zurich bereits im September 2016 Software-Roboter eingeführt. Diese werden seither im Bereich Leben eingesetzt und übernehmen dort standardisierte Prozesse bei der Bearbeitung von Kündigungen. Grundlage für deren Handeln seien Arbeitsschritte, denen klare und standardisierte Regeln zugrunde liegen. Seit Mitte 2017 wird die KI-Software auch bei der Auswertung von medizinischen Berichten eingesetzt. Der damalige Präsident des Verwaltungsrats der Zurich, Tom de Swaan, sprach seinerzeit von etwa 40.000 eingesparten Arbeitsstunden durch die Beschleunigung. So sei die durchschnittliche Bearbeitungszeit für einen Schadensfall von einer Stunde auf fünf Sekunden reduziert worden.
Allianz: Übernahme eines Schadenabwicklers hilft
Wie spannend das Thema künstliche Intelligenz für große Versicherungsgesellschaften ist, zeigen auch diverse Investments. Das gilt auch für die Allianz. Der Versicherungskonzern tut dies regelmäßig über seine Investment-Einheit. Denn im März 2020 sicherte sich Allianz X die Mehrheit am Schadenabwickler ControlExpert. Dadurch solle das Schadenmanagement verbessert werden. Aber auch andere Produkte wie etwa Werkzeuge zur Bilderkennung und Betrugsprävention sollen in neue Dienste einfließen.
Das Unternehmen aus Langenfeld im Rheinland ist in Deutschland Marktführer im Bereich Schadenmanagement. ControlExpert arbeitet bei der Schadenbearbeitung von Kraftfahrzeugschäden mit AI-unterstützter Technik. Zudem laufen viele Arbeitsschritte bei Schadensfällen digital und automatisiert über eine eigene Plattform. Laut Unternehmensangaben arbeiteten mehr als 130 Versicherungsunternehmen mit dem Dienstleister zusammen. Darunter befinden sich auch viele deutsche Größen wie etwa Huk-Coburg, Ergo, Generali, HDI, R+V und Zurich.
Inzwischen wird die Technik auch bei der Allianz eingesetzt. Seit Oktober 2021 werde die KI-Software in der Schadensbearbeitung der Autoversicherung eingesetzt. Diesen Service dehnt der Versicherungsriese nun auch auf seinen Direktversicherer aus. So solle bei Allianz Direct künftig eine sekundenschnelle Schadenmeldung und Schadenhöhen-Ermittlung möglich sein. Der komplette Prozess der Kfz-Schadenermittlung solle in 60 Sekunden abgebildet werden. Kunden sollen in nur wenigen Schritten und mittels Foto-Upload ihren Schaden melden und eine präzise Einschätzung des Schadens erhalten. Auf Basis dieser Informationen sollen die voraussichtlichen Reparaturkosten ermittelt werden. Bei Schäden bis zu einer Höhe von 2.000 Euro könne sogar eine sofortige Auszahlung der Schadenssumme erfolgen. Bei einer höheren Schadensumme sollen die Versicherten alternativ eine Partner-Werkstätten auswählen können.
Kfz-Schadenermittlung solle in 60 Sekunden
Die Technologie für die Allianz Direct sei in Zusammenarbeit mit der Allianz SE „Utility for Claims“-Einheit und ControlExpert gebaut worden. Die Software solle vornehmlich bei einfachen Schäden eingesetzt werden. Anhand der, vom Kunden fotografierten Schäden, errechne die KI die Reparaturkosten. Anschließend könne der Kunde eine Überweisung anstossen. Für diese einfachen, standardisierten Fälle würden auch die Sachbearbeiter obsolet. Diese könnten sich künftig kniffligeren Fällen widmen. Einhergehend damit würden Kosten eingespart. „Die Zukunft der Schadenerkennung und -ermittlung ist digital, unkompliziert, intuitiv und schnell. Um noch besser auf die Bedürfnisse unserer Kunden einzugehen, haben wir unsere „60 Sekunden“ Schadenermittlung implementiert und damit den Self-Service-Prozess für unsere Kunden erheblich optimiert.“, sagt Philipp Kroetz, CEO von Allianz Direct.
In Zukunft sollen die Software-Roboter auch bei der Bekämpfung von Betrugsfällen zum Einsatz kommen. „Die Systeme lernen schnell und können aus vergangenen Fällen bekannte Muster erkennen“, erklärte Christopher Iwanowski, Leiter der Schadenentwicklung bei der Allianz Versicherungs AG, im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" im Januar. Wenn die Software mit ausreichend Daten gefüttert ist, soll sie später auch schwierigere Fälle lösen und in der Haftpflichtversicherung eingesetzt werden.