Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will Zahlungen in den Pflegevorsorgefonds aussetzen, um leere Kassen zu füllen. Ein umstrittener Schritt: auch in der gesetzlichen Pflegeversicherung tut sich ein gewaltiges Finanzloch auf. Das könnte zudem die Akzeptanz die Akzeptanz für einen staatlich organisierten Kapitaldeckel in der Rentenversicherung gefährden, warnt ein Krankenkassen-Funktionär.
Im Jahr 2015 richtete die damalige große Koalition einen Pflegevorsorgefonds ein: jedes Jahr sollten 0,1 Prozentpunkte der Beitragseinnahmen kapitalgedeckt angelegt werden, um die Folgen der Demografie aufzufangen. Denn da immer ältere Menschen leben in Deutschland, die statistisch auch ein höheres Risiko haben, pflegebedürftig zu werden. Hier sollte eine kapitalgedeckte Säule das Umlageverfahren entlasten.
1,6 Milliarden Euro sollen in laufende Ausgaben fließen
Doch dieser Pflegevorsorgefonds steht nun zur Debatte, wie das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) am Freitag berichtet. Demnach plant Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), den Fonds auszusetzen, um die aktuell hohen Kosten in der Pflegeversicherung aufzufangen. Stark vereinfacht: statt die rund 1,6 Milliarden Euro pro Jahr anzulegen, soll das Geld nun ausgegeben werden, um laufende Ausgaben zu decken. Das Netzwerk beruft sich hierbei auf Informationen aus der Ampelkoalition.
Ziel sei es, zu verhindern, dass der Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung im kommenden Jahr weiter ansteigen müsse, heißt es in dem Bericht weiter. Die Bürger ächzen ohnehin unter explodierenden Kosten, auch der durchschnittliche Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung wurde um 0,3 Prozentpunkte angehoben. Zunächst sei eine einmalige Aussetzung der Zahlungen vorgesehen, doch lange reicht diese auch nicht. Steigende Kosten in der Pflegeversicherung könnten damit bis Sommer 2023 ausgesetzt werden. Bisher hat der Pflegevorsorgefonds rund 10 Milliarden Euro angespart.
Die erforderliche Gesetzesänderung soll an das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz angehängt werden, welches aktuell im Bundestag beraten wird. Dieses soll eigentlich Krankenhäuser dazu verpflichten, mit einer ausreichenden Zahl von Pflegekräften zu arbeiten. Darüber hinaus soll das Gesetz auch mehr Telemedizin bei Behandlungen ermöglichen. Denn die Kliniken haben ein Problem: Wie mehr Pflegerinnen und Pfleger einstellen, wenn es an Fachkräften fehlt? Gerade Beratungen zu Medikamenten und Gesundheitsverhalten könnten dann vermehrt online erfolgen. Allein in den Kliniken sind laut dem Krankenhaus-Barometer des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) 22.300 Pflegestellen unbesetzt.
Großes Finanzloch bei Pflegekosten
Allein in diesem Jahr erwartet die gesetzliche Pflegeversicherung nach RND-Informationen ein Defizit von 2,5 Milliarden Euro, im kommenden Jahr wird gar ein Fehlbetrag von 5 Milliarden Euro erwartet. Noch immer leiden die Pflegekassen an Mehrausgaben infolge der Corona-Pandemie: zugleich macht sich auch die galoppierende Inflation durch steigende Ausgaben bemerkbar. In den Pflege-Einrichtungen verteuern sich zum Beispiel die Energie, das Essen - und Ausgaben für notwendige Reparaturen und Investitionen.
Doch auch die Alterung der Gesellschaft führt zu stark steigenden Kosten. Im Jahr 2021 lagen sie in der gesetzlichen Pflege bei 53,9 Milliarden Euro - sie sind mittlerweile fast dreimal so hoch wie im ersten Jahr ihres Bestehens. Der Anteil pflegebedürftiger Menschen könnte laut einem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium von fünf Prozent der Gesamtbevölkerung bis 2050 auf 7,5 Prozent steigen. Der Beitragssatz in der gesetzlichen Pflegeversicherung müsste demnach bis 2040 um 1,5 bis zwei Prozentpunkte angehoben werden, um alle Leistungen wie gewohnt zu finanzieren.
Hier sollte der Pflegevorsorgefonds eigentlich ein Baustein sein, um die stark steigenden Kosten abzufedern: geplant ist, ihn ab dem Jahr 2034 abzuschmelzen. Entsprechend wird das Vorhaben scharf kritisiert. „Diese wichtige Sozialversicherung muss zukunftsfähig und generationsgerecht gemacht werden. Der Fonds ist der erste und einzige Ansatz“, sagte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, dem RND. Und weiter: „Damit bekommen die Kritiker recht. Es ist immer schlecht, wenn der Hund den Wurstsalat bewachen soll“.
"Zweckentfremdung von Mitteln"
Ein ähnliches Problem sieht Andreas Storm, Vorsitzender der Krankenkasse DAK-Gesundheit. Denn einen vergleichbaren Kapitalpuffer wie für die Pflege plant die Bundesregierung auch für die gesetzliche Rente. Wird er in Zeiten leerer Kassen einfach abgeschmolzen, so wird er de facto wirkungslos. Folglich sei das Vorhaben des Gesundheitsministers „kein gutes Omen“ für die Rentenversicherung, sagte Storm dem „Handelsblatt“. Es sei eine „Zweckentfremdung von Mitteln, die zur langfristigen Kapitaldeckung gedacht sind“.