Warum die Riester-Rente einen festen Platz in der geförderten privaten Altersvorsorge hat, nun aber dringend Unterstützung braucht. Ein Kommentar von Martin Gräfer, Vorsitzender des Vorstands Bayerische Allgemeine Versicherung AG.
Es besteht seit Jahrzehnten dringender Reformbedarf bei der Finanzierung der Altersvorsorge in Deutschland. Dies trifft auf die gesetzliche Rente ebenso zu wie auf die staatlich geförderte private Altersvorsorge. Die Risiken, die ansonsten auf die deutsche Gesellschaft zukommen, sind eigentlich schon beobachtbar. Die Krise am Energiemarkt, die Inflation und die Zinsentwicklung wirken dabei wie Brandbeschleuniger. Es steht zu befürchten, dass besonders Geringverdienende die Altersvorsorge herunterfahren werden, um gestiegenen Energiekosten und der allgemeinen Teuerungsrate zu begegnen. Das darf nicht passieren!
Anpassung an die Realität vonnöten
Was man schon lange weiß: Durch den demographischen Wandel kommen in Deutschland immer weniger Beitragszahler auf immer mehr Rentner. Die Demographiekrise ist nicht mehr zu ändern, sie kommt unaufhaltsam auf uns zu. Die Riester-Rente war vor gut 20 Jahren ein sehr erfolgreicher Ansatz, um diesem Problem zu begegnen. Und sie ist sicher eines der erfolgreichsten staatlich geförderten Formate zur ergänzenden, freiwilligen Altersvorsorge weltweit. Dies lag einmal an der gezielten und wirksamen Förderung durch den Staat - und auch an der Beratungsqualität insbesondere der Versicherungsvermittler in Deutschland.
Um neben gesetzlicher Rente und betrieblicher Altersversorgung den Lebensstandard aller Bevölkerungsgruppen im Alter zu sichern, muss das Riester-Format an die Realität in 2022 angepasst werden. Das Produkt ist sehr komplex. Und es erfordert deshalb einen hohen Beratungsaufwand.
Zudem ist es Kunden und Versicherern aktuell unmöglich, Anlagemöglichkeiten mit besseren Renditechancen zu nutzen – zum Beispiel Aktien oder Sachwerteanlagen. Auch mit Blick auf die Beitragserhaltungsgarantien könnte eine Flexibilisierung die Riester-Rente attraktiver machen. Kunden, die etwas mehr Risiko und zugleich bessere Rendite-Chancen in Kauf nehmen, sollten doch die Möglichkeit haben, einen Vertrag mit Beitragserhaltungsgarantien von 80 Prozent statt den bisher vorgeschriebenen 100 Prozent – oder sogar dem völligen Verzicht auf Garantien – abzuschließen.
Die umlagenfinanzierte Rentenversicherung durch eine Aktienrente zu ergänzen, kann ebenfalls viel Potenzial haben. Die Kombination wäre auch sinnvoll, weil der Aufbau eines völlig neuen Systems so lange dauern würde, dass es viel zu spät Wirkung entfalten könnte. Viel sinnvoller wäre es deshalb, das bestehende System zu nutzen und zu reformieren.
Ich halte es für dringend geboten, dass aus der heutigen Riester-Rente eine echte Investmentrente für die ergänzende Altersvorsorge wird. Eines der erfolgreichsten Konzepte zur Finanzierung der Altersvorsorge einfach zu beenden, zudem aus rein dogmatischen oder gar ideologischen Gründen, ist eben keine gute Idee. Oder braucht ein FDP-geführtes Finanzministerium ein völlig neues Produkt, welches dann als „Lindner-Rente“ in die Geschichte eingeht – und ähnlich erfolgreich verläuft wie die „Nahles-Rente“? Besagte Rente mit 63 wird von vielen Menschen in Anspruch genommen, die vorzeitig und abschlagsfrei in den Ruhestand wechseln: Aber sie verschärft die demographische Situation und trägt zum Fachkräftemangel bei.
Zulagen an Inflationsrate koppeln?
Es mangelt nicht an Ideen, sondern am Willen, sie umzusetzen. Dabei schreit die aktuelle Situation gerade danach, dass staatliche Zulagen an die Inflationsrate und das Einkommen gekoppelt werden, um Geringverdiener besser fördern zu können. Sonst werden wir sehr bald feststellen, dass viele Menschen die gestiegenen Heizkosten durch Einsparungen bei der privaten Vorsorge finanzieren werden!
Damit das nicht passiert, müssen gerade Einkommensschwächere die Möglichkeit haben, von einer angehobenen steuerlichen Förderfähigkeit zu profitieren. Zusätzlich sollte der Höchstrechnungszins (Garantiezins) auf diejenige Phase ausgerichtet werden, in der er einen wirklichen Hebel hat: auf die Rentenbezugsphase; und dann aber ebenfalls an Inflation und Leitzinsentwicklung gekoppelt. Die Bayerische ist unter den gegebenen Umständen mit der Entwicklung des Riester-Geschäftes zufrieden. Seit im März dieses Jahres unser neuer Netto-Riester-Tarif zertifiziert wurde, erleben wir im Markt gesteigertes Interesse. Besonders bei jungen Familien kommt dieser Tarif, den wir in Zusammenarbeit mit nettowelt anbieten, gut an.
Aber ich gebe zu: Offenbar ist es Politik und Medien gelungen, die Riester-Rente totzureden. Und gerade auch Beraterinnen und Berater lassen sich davon offenbar beeinflussen. Das ist schade. Und ich fühle mich wieder einmal ein wenig mehr wie der leidenschaftliche, aber letztlich erfolglose Don Quijote. Meine Windmühlen sind die Politikerinnen und Politiker, die jeder Realität zum Trotz glauben, dass nun Millionen von Deutschen nur noch an der Börse ihr Glück finden müssen. Denn wenn das wenige Millionen Norweger können, dann muss das für 80 Millionen Deutsche doch mindestens ähnlich gut sein. Es lebe die Riester-Rente. Und wer sich diesen Oldtimer der Altersvorsorge aus Gründen der Vernunft noch sichern möchte, den beraten wir dazu jederzeit gerne.