Originell und ein Lichtblick ist die Idee der Regierungspartei FDP, das Umlageverfahren durch reichlich sprudelnde Kapitalmarktrenditen zu stützen, die aus der Anlage eines Kapitalstocks an den Aktienmärkten resultieren. Nach aktuellen Informationen sollen dazu für den Start im Jahr 2023 für 10 Milliarden Euro Bundesanleihen begeben und über den Haushalt als Startkapital zur Verfügung gestellt werden. Der Bund erwirbt im Gegenzug eine Forderung gegenüber dem Kapitalstock. So lässt sich die Anrechnung der Mittel auf die Schuldenbremse umgehen. Zusätzlich wird die Möglichkeit geschaffen, Bundesvermögen wie zum Beispiel Unternehmensbeteiligungen einzubringen.
Doch die Tücke steckt im Detail. Die Idee kommt nicht nur viel zu spät. Für nennenswerte Entlastungseffekte sind auch ein Kapitalstock von mehreren 100 Milliarden Euro und signifikante Kapitalmarktrenditen erforderlich. Letztere müssten deutlich über den Zinsen für Bundesanleihen liegen, denn nur die Differenz steht für eine Finanzierung der Renten zur Verfügung. Erhebliche Zweifel sind angebracht, denn die Refinanzierungskosten des Bundes dürften wieder deutlich zunehmen. Die Zinssätze steigen nämlich inflationsbedingt zügig an. Und die derzeit dynamisch anwachsenden Staatsschulden werden die Bonität des Bundes verschlechtern und damit die Refinanzierung zusätzlich verteuern. Problematisch aus unserer Sicht auch: Wenn der Bund Forderungen gegen den Kapitalstock hat, kann er sie bei Finanzierungsengpässen in anderen Bereichen geltend machen und dem Kapitalstock so seine Mittel wieder entziehen.
Jeder sich selbst der Nächste?
Wie unsere Umfragen zeigen, ahnen die Bürger, dass die Rente entgegen allen früheren Aussagen eben nicht sicher ist. Geht es aber konkret darum, wie die sich abzeichnende teure Rechnung zu bezahlen ist, ist sich jeder selbst der Nächste. Dies zeigt die jüngste Umfrage zum Altersvorsorge-Index DIVAX-AV vom Herbst 2022. Nach bevorzugten Lösungen zur Stabilisierung der gesetzlichen Rente gefragt, setzen auch die Bürger auf das „Weiter-wie-bisher“. Die meisten Befragten wollen weder steigende Beitragssätze noch ein sinkendes Rentenniveau noch ein höheres Renteneintrittsalter. Favorit sind steigende Bundeszuschüsse zum Auffüllen der Rentenkasse – ob finanziert durch Einsparungen in anderen Bereichen, durch zusätzliche Staatsschulden oder durch Steuererhöhungen. Wenn die Politik sich also zuerst um Wählerstimmen und erst danach um die Lösung eines der größten aktuellen Probleme kümmert, macht sie alles richtig. Dass all dies von den Erwerbstätigen und den Unternehmen, die zugleich Beitrags- und Steuerzahler sind, erwirtschaftet werden muss, scheint völlig aus dem Blick zu geraten.
Unser Ansatz: Ein konzertiertes Maßnahmenpaket
Wie könnte also ein Lösungsansatz aussehen? Der Kapitalstock für die Aktienrente sollte wesentlich schneller befüllt werden. Das Rentenniveau sollte wieder weniger schnell zunehmen als die Löhne – das hilft langfristig, die Schere zwischen rückläufigen Beitragseinnahmen und steigenden Rentenzahlungen zu schließen. Der Beitragssatz sollte weitgehend stabil gehalten werden, um die ohnehin schon hohe Abgabenlast in Deutschland nicht weiter zu erhöhen. Das Renteneintrittsalter sollte an die Lebenserwartung gekoppelt werden, mit Auffangnetzen für diejenigen, die gesundheitsbedingt nicht mehr arbeiten können. Alle Reserven auf dem Arbeitsmarkt müssen erschlossen werden. Zuwanderung muss besser gesteuert werden. Und junge Familien müssen bessere Rahmenbedingungen fürs Kinderkriegen bekommen. Die beste Rentenpolitik für zukünftige Generationen ist nämlich gute Familienpolitik mit ihren Wechselwirkungen in fast alle anderen Bereiche der Politik.
Genauso wichtig aber: Eigenverantwortliche private Altersvorsorge muss belohnt werden. Das Riester-Sparen muss endlich aus dem Korsett der Bruttobeitragsgarantie befreit werden. Altersvorsorge über Fondssparpläne sollte mit höheren Freibeträgen für Kursgewinne und Dividenden steuerlich gefördert werden. Schließlich: Altersvorsorge mittels Wohneigentum können sich Bürger ohne größere Erbschaften fast nicht mehr leisten. Die Politik könnte hier helfen, indem hohe Nebenkosten des Erwerbs wie die Grunderwerbssteuer endlich reformiert und kostenintensive Auflagen überdacht werden.
Dringend geboten ist nach unserer Auffassung also ein kohärentes Bündel sinnvoller Einzelmaßnahmen, die alle zusammen eine Überforderung der künftigen Erwerbstätigen mit Steuer- und Sozialversicherungsabgaben in Grenzen halten. Anders als in der Vergangenheit dürfen die Vorschläge einer dafür einzurichtenden Expertenkommission nicht wieder in der Schublade verschwinden, sondern müssen in schnelles politisches Handeln münden. Dazu müsste die Thematik zur Chefsache des Kanzlers erklärt, dort geführt und verantwortet und so von vornherein allen parteiideologischen Diskussionen der beteiligten Ministerien entzogen werden.