Viele Fondsanbieter preschten zur Einführung der EU-Offenlegungsverordnung voran: Ihren Fonds verpassten sie kurzerhand das Label Artikel 9, die höchste ESG-Kennzeichnung. Nun müssen sie Zurückrudern und das kostet Vertrauen! Ein Gastbeitrag von Martin Gräfer, Vorstandsmitglied die Bayerische und Daniel Regensburger, Geschäftsführer Pangaea Life.
Neun, neun, neun sind alle meine ESG-Fonds. Diese abgewandelte Liedzeile drängte sich uns beim Blick auf die Nachhaltigkeitsfonds des Marktes regelrecht auf: „dunkelgrüne“ Artikel-9-Fonds allerorten.
Warum die proklamierte Nachhaltigkeit mit der Realität der Fonds nur bedingt zu tun hatte, zeigt sich jetzt: Immer mehr Anbieter stufen ihre ESG-Fonds hastig von Artikel 9 auf Artikel 8 zurück. Ein wichtiger Grund hierfür dürften neue Vorstöße der EU im Kampf gegen Greenwashing sein.
Einmal mehr zeigt sich, dass am Ende die Substanz darüber entscheidet, wie nachhaltig ein Anlegeprodukt ist. Wenn wir unsere Glaubwürdigkeit beim Thema Nachhaltigkeit nicht leichtfertig aufs Spiel setzen wollen, ist spätestens jetzt die Zeit für volle Transparenz.
Risse im grünen Zukunftstraum?
Und doch ist nicht alles eitel Sonnenschein in der neuen nachhaltigen Versicherungswelt: Dunkle Wolken ziehen seit einiger Zeit in Form von immer neuen Anschuldigungen über vorgebliches Greenwashing auf. Mit Folgen in der Bevölkerung: Verkaufen uns die Versicherer mit ihren nachhaltigen Fonds den sprichwörtlichen alten Wein im grün lackierten Schlauch?
Nachhaltige Substanz statt grünem Mantel
Natürlich machte sich so eine Artikel-9-Einstufung auf jedem nachhaltigen Fonds hervorragend. Vor allem, da viele der Meinung sind: Artikel 9 ist pauschal besser, weil nachhaltiger. Doch dazu später mehr. Da es an verbindlichen Vorgaben mangelte oder diese noch sehr vage waren (und sind), konnten Anbieter ihre Fonds bei Inkrafttreten der neuen Transparenzverordnung weitgehend selbst in eine der Kategorien einordnen.
Kaum erstaunlich, dass sich unter diesen „dunkelgrünen“ Produkten Fonds fanden, deren Portfolios kaum von herkömmlichen „Mainstream“-Aktienfonds samt der obligatorischen globalen Konzerngiganten zu unterscheiden waren. Worin der nachhaltige Impact hier genau bestand? Detektivarbeit.
Dass es hier nun reihenweise zur Herabstufung kommt, schädigt unsere Glaubwürdigkeit und stärkt das auch von den Medien gern aufgegriffene Narrativ einer grünwaschenden Finanzbranche. Die Welle der Artikel-9-Umfaller ist Wasser auf die Mühlen von Skeptikern und einschlägigen Verbraucherschützern, die der Assekuranz die Reden von der nachhaltigen Transformation ohnehin nie abnahmen.
Höchste Zeit für Klartext. Statt einer grünen Verpackung sind wir unseren Kundinnen und Kunden folgende Antworten schuldig: Was genau macht unsere ESG-Fonds nachhaltig? Wie genau befördern die Assets darin soziale, ökologische und ökonomische (Rendite!) Faktoren? Welches Risiko ist damit verbunden?
Völlig klar ist: Um nachhaltige Substanz führt bei Fonds in Zukunft kein Weg vorbei – die Zeiten eines grünen Marketing-Anstrichs sind passé. Ist dies erfüllt, sollten wir Aufklärungsarbeit leisten, dass ein augenscheinlich „nur“ hellgrüner Artikel-8-Fonds für das Gros der Kunden vielleicht sogar die nachhaltig bessere Wahl ist.
Mehr Freiheit = ganzheitlichere Nachhaltigkeit
Denn unser Job als Produktgeber ist es, soziale und ökologische Aspekte mit einer einträglichen Rendite für unsere Kunden zu verbinden. An uns liegt es deutlich zu machen: Altersvorsorge und somit immer auch die Verhinderung von Altersarmut und die Sicherung des Lebensstandards ist ein elementarer Teil von Nachhaltigkeit. Dabei sind es die deutlich größeren Freiheiten und die höhere Flexibilität von Artikel 8, mit der wie diese ganzheitliche Nachhaltigkeit in den Produkten für unsere Kundinnen und Kunden realisieren können.
Die strengen Vorgaben zu Artikel 9 haben eine klare ökologische Schlagseite und schränken die Vereinigung mit den anderen Aspekten der ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit teils erheblich ein. Bei unseren Artikel-8-Fonds der Pangaea Life haben wir deshalb von Beginn an bewusst darauf verzichtet, die Selbsteinstufung als Artikel 9 für den bloßen Marketing-Effekt mitzunehmen. Stattdessen können Kunden transparent nachvollziehen, wie die Sachwerte in den beiden Fonds sauberen Strom produzieren oder nachhaltiger Wohnraum entsteht – und wie sie damit Geld verdienen.
Um weitere Vertrauensverluste zu verhindern und im Sinne eines mündigen Kunden zu handeln, sollten wir unsere nachhaltigen Anlagephilosophien noch genauer, noch proaktiver – und ja – noch ehrlicher kommunizieren: Denn Glaubwürdigkeit ist die wichtigste Währung, wenn wir als entscheidender Akteur der nachhaltigen Transformation ernstgenommen werden wollen. Erklären wir, warum eine ESG-Artikelnummer weniger am Ende für den Kunden oft mehr ist.