Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will die Mittel für die Aktienrente deutlich aufstocken. Bisher ist eine Anschubfinanzierung von zehn Milliarden Euro vorgesehen: doch Ökonomen sind sich einig, dass dies nicht annähernd ausreichen wird, um die Höhe der Beiträge künftig abzufedern.
Die sogenannte Aktienrente startet mit einem Jahr Verspätung: aufgrund der Ausgaben infolge des Ukraine-Krieges hat die Bundesregierung den Start auf 2023 verschoben. Ein Kapitalstock soll gebildet werden, um das Umlagesystem der gesetzlichen Rente zu entlasten. Denn immer mehr Rentner stehen immer weniger Beitragszahlern gegenüber: infolge dessen müsste der Rentenbeitrag eigentlich deutlich steigen.
In einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ machte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) deutlich, dass die nun vorgesehene Summe nicht annähernd ausreichen wird, um die Beitragszahler dauerhaft zu entlasten. Zehn Milliarden Euro pro Jahr sind als Anschubfinanzierung vorgesehen. „Wir brauchen mittel- bis langfristig eine dreistellige Milliardensumme, damit die Erträge der Aktienanlage einen spürbaren Effekt auf die Stabilisierung der Rentenbeiträge und des Rentenniveaus haben können“, sagte Lindner dem Berliner Blatt.
Experten warnen: Investitionssumme reicht nicht
Dies deckt sich mit Einschätzungen von Ökonomen, die die bisher vorgesehene Summe für völlig unzureichend halten. Die Aktienrente soll einen Kapitalstock bilden, dessen Vermögen in Aktien und Fonds investiert wird, um künftig starke Beitragserhöhungen in der gesetzlichen Rentenversicherung zu verhindern. Doch im Jahr 2060 müssten schon 860 Milliarden Euro angespart worden sein, um das Rentenniveau zu sichern, so hatte Jochen Pimpertz gewarnt, Rentenexperte am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln.
Dabei geht Pimpertz ohnehin davon aus, dass sich Rentenniveau und Beitragssatz zur Rente ungünstig entwickeln: zwangsläufig. Er nimmt an, dass das Sicherungsniveau vor Steuern bei der gesetzlichen Rente ab 2030 schon deutlich sinken muss -auf 43 Prozent- und eine Beitragsobergrenze von 22 Prozent festgeschrieben wird. Nach seinen Modellen wären schon 2040 gut 30 bis mehr als 50 Milliarden Euro Fondsvermögen vonnöten, wenn der Beitrag zur Rente bei 22 Prozent des Bruttolohnes und das Rentenniveau bei 46 Prozent stabilisiert werden soll.
Auch andere Ökonomen warnen, dass der angedachte Kapitalstock viel zu gering ist: etwa Martin Werding, Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bonn. „Das Umlagesystem ist gestresst. Eine ordentliche Kapitaldeckung ist die einzige Alternative, damit das System nicht gänzlich aus den Fugen gerät“, sagte der Experte bereits im letzten Jahr gegenüber t-online.de. Er hatte das Gutachten für einen Renten-Kapitalstock mit ausgearbeitet, mit dem die FDP in den Bundestags-Wahlkampf zog.
Auch laut Werding würden die geplanten 10 Milliarden Euro nicht annähernd ausreichen. „Das entspricht gerade einmal dem Gegenwert der Rentenausgaben für zehn Tage. So lässt sich die Rente nicht retten“, argumentiert der Ökonom. Nach seinen Berechnungen müsste 2036 ein Kapitalstock von 96 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, um die Rentenkasse wirksam zu entlasten. „Wichtig ist, ob der Bund in den Folgejahren Mittel nachlegt. Es ist auch möglich, dass man die Rentenbeiträge früher anhebt, um das System zu entlasten und den Fonds aufzubauen“, so der Ökonom.
Zum Vergleich: der Norwegische Staatsfonds als größter derartiger Kapitalstock der Welt verwaltete 2021 ein Vermögen von 1,16 Billionen Euro. Allein im ersten Halbjahr des letzten Jahres erwirtschaftete er eine Rendite von rund 95 Milliarden Euro: fast das Zehnfache dessen, was die Bundesregierung als Anschub investieren will.
Wie soll das finanziert werden?
Doch wie soll die Aktienrente finanziert werden? Schon die Anschubfinanzierung von zehn Milliarden Euro stellte die Politik vor Probleme. Und führte zu einer unkonventionellen Lösung: die erste Summe fließt als Darlehen des Bundes an die neue Aktienrücklage, ist also auf Pump finanziert. Hat aber den Vorteil, dass dieser Betrag dann nicht unter die Schuldenbremse fällt, da er ja an den Bund zurückgezahlt werden muss. "Wir machen uns zunutze, dass der Staat für seine Anleihen weniger zahlen muss als die Kapitalmärkte an Rendite bringen“, erklärt hierzu nun Christian Lindner dem "Tagesspiegel". Zur Finanzierung der dreistelligen Milliardensumme gebe es Ideen, aber „noch keine abgeschlossene Willensbildung der Bundesregierung“.