Ende 2022 steht für bei der Sozialen Pflegeversicherung ein Minus von etwa 2,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig steigen die Eigenanteile für Pflegebedürftige kräftig an. Warum die Bundesregierung die Finanzierung der Pflegeversicherung zeitnah in Angriff nehmen und auch auf eine betriebliche Pflegeversicherung (bPV) setzen sollte, erklärt Dr. Rainer Reitzler, CEO der Münchener Verein Versicherungsgruppe, im Gastkommentar.
Um eines klar und deutlich vorwegzunehmen: Um den völligen Zusammenbruch der Sozialen Pflegeversicherung (SPV), die 1995 eingeführt wurde, zu verhindern, ist eine private kapitalgedeckte Pflegezusatzversicherung unabdingbar und alternativlos. Ein guter Ansatz stellt hierbei der Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) dar, der sich in seinem jüngsten Gutachten sogar für eine verpflichtende private Pflegezusatzversicherung ausgesprochen hat. Der andere Weg ist der Abschluss einer eigenen privaten Pflegezusatzversicherung, die Branche bietet seit vielen Jahren leistungsstarke Produkte an. Die beste Absicherung ist meiner Einschätzung nach immer noch das Pflegetagegeld. Eher abzuraten ist von der Pflegerente, weil sie nach wie vor sehr teuer ist. Die staatlich geförderte Pflegezusatzversicherung (Pflege-Bahr) wird vonseiten der Politik indes seit Jahren vernachlässigt, denn die staatliche Zulage beträgt pro Monat unverändert nur fünf Euro. In den zurückliegenden Pflegereformen wurde der Pflege-Bahr schlicht und einfach nicht beachtet.
Und was macht die Ampel? Bis jetzt nichts. So ist im Koalitionsvertrag z. B. eine Begrenzung und Planbarkeit der Eigenanteile vorgesehen. Gerade Letztere bringen immer mehr Pflegeheimbewohner in höchste finanzielle Not: Aktuellen Daten des Wissenschaftlichen Instituts der AOK zufolge muss ein Pflegebedürftiger im Durchschnitt 2.438 Euro pro Monat für das erste Jahr im Pflegeheim selbst aufbringen. Zwar wird seit Januar 2022 ein Leistungszuschlag zum einrichtungs-einheitlichen Eigenanteil (EEE) gezahlt, der jedoch von der Dauer der stationären Pflege abhängt. Im ersten Jahr sind das fünf Prozent, bis Ende des zweiten Jahres 25 Prozent, bis Ende des dritten Jahres 45 Prozent und nach dem Ende des dritten Jahres 70 Prozent. Dieser Leistungszuschlag zum EEG ist jedoch kein Verdienst der Ampel, sondern basiert auf der Entscheidung der vorherigen Bundesregierung. Den Höchstsatz von 70 Prozent erhalten jedoch derzeit nur vier von zehn Pflegebedürftigen, weil sie länger als drei Jahre im Heim untergebracht sind. Diese Regelung begrenzt zudem nur den Eigenanteil. Unterkunfts- und Verpflegungskosten sowie die Investitionen in die Pflegeeinrichtungen, die sämtlich von den Pflegebedürftigen zu bezahlen sind und ein Vielfaches der Pflegekosten ausmachen, bleiben außer Acht.
Der Hauptgrund für den im Vergleich zum Vorjahr um 21,5 Prozent gestiegenen Eigenanteil liegt in der seit 1. September 2022 geltenden Bezahlung des Pflegepersonals mindestens auf Tarifniveau. Vor dem Hintergrund der Anerkennung und Wertschätzung des Pflegepersonals sind die Lohnerhöhungen mehr als angebracht und nicht zu diskutieren. Da die SPV jedoch ein Teilleistungssystem ist, sind die Pflegeheime gezwungen, die höheren Kosten an die Pflegeheimbewohner und ihre Angehörigen weiterzugeben. Die hohe Inflation und explodierenden Energiekosten werden zu weiteren finanziellen Belastungen führen. Der immer weiter steigende gesamte Eigenanteil wird die Zahl derer, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, erhöhen. Es ist ein Teufelskreis.
Ende 2022 hat die SPV ein Defizit von rund 2,5 Milliarden Euro angehäuft. Für 2023 ist ein Anwachsen dieses Fehlbetrags zu erwarten. 2021 haben etwa 4,9 Millionen Menschen Leistungen aus der SPV erhalten. In seiner aktuellen Kurzanalyse prognostiziert das Wissenschaftliche Institut der PKV (WIP) eine Zunahme bereits bis 2025 auf rund 5,5 Millionen Pflegebedürftige. 2050 sollen es 7,3 Millionen sein. Andere Prognosen, wie z. B. die des Bundesgesundheitsministeriums oder der Bertelsmann-Stiftung seien längst von der Realität überholt, so das WIP. Denn „Pflegebedürftigkeit“ im engeren Sinne, und damit anspruchsberechtigt im Rahmen des SGB XI zu sein, sei letztlich eine politisch festgelegte Größe. Pflegewissenschaftliche Kriterien würden zwar einfließen, die Entscheidung, welche Kriterien berücksichtigt werden, sei jedoch gesellschaftlich zu treffen. Hier habe es 2017 mit der Neudefinition des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs eine wesentliche Neubewertung gegeben.
Vor diesem Hintergrund wirkt der von der Ampel geplante weitere Ausbau der umlagefinanzierten SPV absurd. Die Umverteilung von den jüngeren zu den älteren Generationen würde auf unerträgliche Weise verschärft.
Etwa 72 Prozent der Bürger haben noch keine private Pflegezusatzversicherung abgeschlossen, so das Ergebnis einer Yougov-Umfrage aus dem Jahr 2020. Für den Versicherungsvertrieb sind das glänzende Aussichten. Die meisten Vermittler haben das Thema Pflege ganz oben auf ihrer Agenda. Der Einstieg ins Gespräch ist jedoch schwierig. Angesichts der Komplexität des Themas – fünf Pflegegrade, ambulante oder stationäre Versorgung – ist es für den Kunden sehr schwierig, die persönlich beste Absicherung zu finden. Dazu kommt, dass die meisten Menschen überhaupt keine Vorstellungen haben, wie beispielsweise ambulante Pflege konkret aussieht. Umso mehr kommt es auf eine professionelle Beratung im Gespräch an. Ein wesentlicher Ansatz dabei ist, den persönlichen Bedarf auf Basis der aktuellen Bedingungen des Umfeldes wie beispielsweise voraussichtliches Alterseinkommen, Wohnort, Familienstand und Versorgungspräferenz zu ermitteln.
Jüngere Kunden wollen in der Regel von einer privaten Pflegeversicherung nichts wissen. Dabei ist jeder vierte Pflegebedürftige jünger als 65 Jahre. 2020 waren elf Prozent der Bezieher von SPV-Leistungen sogar jünger als 40 Jahre. Die Pflegezusatzversicherung des Münchener Verein – die Deutsche PrivatPflege – haben wir dementsprechend mit dem Optionsbaustein auf Höherversicherung ausgerüstet und somit speziell auf die jüngere Zielgruppe ausgerichtet. Das Besondere ist, dass es sogar 20 Optionen sind, die eine Höherversicherung ermöglichen. Unsere vielfältigen Erhöhungsoptionen sind so flexibel wie das Leben. Damit liegen wir im Wettbewerb mit Abstand an der Spitze.
Anfang 2023 wird die politische Debatte zur Finanzierung der Pflegeversicherung an Fahrt aufnehmen. Der Verband der Privaten Krankenversicherung wird hier auch sein Modell zu einem neuen Generationenvertrag für die Pflege einbringen. Im Kern dieser solidarischen und generationengerechten Finanzierung der Pflegeversicherung steht eine private Pflegezusatzversicherung. Eine weitere Säule sozialer Sicherung für den Pflegefall in einer alternden Gesellschaft ist die betriebliche Pflegeversicherung (bPV). Mit ihr lassen sich ganze Belegschaften für das Risiko eines Pflegefalls in der Familie absichern. Die Politik ist aufgefordert, auch diese Säule zu stärken, indem die Beiträge für eine bPV steuer- und sozialabgabenfrei gestellt werden. Die Versicherer stehen mit passenden Produkten bereit.