Wie versichert man einen Dachschaden? Und wo bestehen Unterschiede zwischen Bauleistungs- und einer Montageversicherung? Das erklären Stephan Schmitz (Gothaer) und Andreas Knittel (HDI) im Gastbeitrag. Fortsetzung der Reihe 'Sparte in 3 Minuten'.
Eine Versicherung gegen Dachschaden?
Firma Stümpel stellt Kondensatoren her. Für die Erweiterung der Produktion wird eine weitere Halle benötigt, daher beauftragt der Kondensatorhersteller die Firma Dachs Bau, um die komplette Halle zu errichten. Die Parteien vereinbaren, dass eine Bauleistungsversicherung vom Auftraggeber, also der Firma Stümpel, abgeschlossen wird.
Kurzer Einwurf: Dieser Umstand führt uns zur ersten Differenzierung im Wesen der Bauleistung. Die Firma Dachs Bau errichtet das Gebäude komplett, also schlüsselfertig. Bei den derzeit in der deutschen Versicherungsbranche immer noch vorherrschenden Bedingungen unterscheidet man die „Allgemeinen Bedingungen für die Bauleistungsversicherung durch Auftraggeber“ (ABN) und die „Allgemeinen Bedingungen für die Bauleistungsversicherung von Unternehmerleistungen“ (ABU). Da hier ein schlüsselfertiger Bau vereinbart wurde und Firma Stümpel zudem Auftraggeber ist, werden die ABN zu Grunde gelegt. Werden hingegen Ingenieurbauten wie Brücken oder Teilgewerke erstellt, sind die ABU Grundlage der Bauleistungspolice. Die vom GDV erarbeiteten ABBL – „Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Bauleistungen“ – unterscheiden dies nicht mehr. Die früher in ABN und ABU divergierenden Regelungen sind nun in den zu den ABBL zugehörigen Klausel (TK ABBL 2018) berücksichtigt. Die ABBL werden von einzelnen Versicherern bereits eingesetzt, die meisten arbeiten jedoch noch immer mit den Deckungen ABN und ABU.
Zurück zu unserer Ausgangslage: Bei dem Bau der einstöckigen Halle soll vor Abschluss des Rohbaus die Betondecke als Dach eingebaut werden. Bei der Einschalung – also beim Einbringen des flüssigen Betons – geben die Stützen nach und das Dach bricht ein. Eine eindeutige Ursache konnte für diesen Unfall nicht mit Sicherheit festgestellt werden, so dass keines der am Bau beteiligten Unternehmen dafür haftbar gemacht werden konnte - und folglich auch keine Haftpflichtversicherung eine Ersatzzahlung leistete. Somit ein klassischer Fall für die Bauleistungsversicherung, als „Kaskoschutz“ für den Bau.
Was umfasst die Sparte?
Während über die „ABN“ – also der Versicherung für Auftraggeber – alle Lieferungen und Leistungen für schlüsselfertige Neu- und Umbauten von Gebäuden versichert sind, werden bei der „ABU“ (Bauleistungsversicherung von Unternehmerleistungen) alle Baustoffe, Bauteile und Bauleistungen beispielsweise im gesamten Bereich des Rohbaus, Tief- und Ingenieurbaus versichert.
Zusätzlich versichert sind in aller Regel Hilfsbauten und Bauhilfsstoffe, sowie Baugrund und Bodenmassen. Meist sind hier Summen auf Erstes Risiko vereinbart. Das heißt: Die Kosten bis zur jeweils vereinbarten Summe werden vom Versicherer übernommen. Alle darüber hinaus gehenden Kosten gehen zu Lasten des Versicherungsnehmers. Eine Unterversicherung wird hier nicht angerechnet.
Sonderfall Altbau: Ein Mehrfamilienhaus soll um zwei Etagen aufgestockt werden. Für dieses Projekt besteht die Möglichkeit, den Bestand (dieser wird unabhängig vom Alter des Bestandsbaus als „Altbau“ bezeichnet) über diverse Altbauklausen mit zu versichern. Je nach Bedarf wird der Einsturz des Gebäudes, der Schaden in Folge eines Schadens an der Neubauleistung oder allgemein der Sachschaden an der Altbauleistung versichert. Die Prämien für diese Deckungen liegen meist deutlich über den Prämien für die Neubauleistung.
In der Praxis stellt sich oftmals die Frage, welche Unterschiede zwischen einer Bauleistungs- und Montageversicherung bestehen und vor allem: Wann ist welche Bedingungen zu nehmen?
Die beiden Versicherungssparten sind sich recht ähnlich, da es sich bei beiden um Allgefahren-Projektsparten handelt. Die Bezeichnung „Projektsparte“ rührt daher, da die Versicherung Risiken nur so lange in Deckung nimmt, bis das versicherte Gewerk fertig gestellt wurde. Im Anschluss übernimmt eine Bestandssparte (z.B. Maschinen-, Wohngebäude- oder Baubestandsversicherung).
Von einer Bauleistung spricht man bei baulichen Arbeiten, die hergestellt, Instand gehalten oder geändert werden (Materialschwerpunkt meist Beton). Montagearbeiten hängen mit dem Auf- oder Abbau sowie des Zusammenbaus oder Aufstellen von Konstruktionen oder Maschinen zusammen (Materialschwerpunkt meist Stahl). Allerdings gibt es auch Kombinationen von beiden! Welches Bedingungswerk wählt man in diesem Fall? Der überwiegende Teil (> 50%) entscheidet. Je nach Konstellation wird es also eine Bauleistung- oder Montagedeckung und das entsprechende Bedingungswerk zu Grunde gelegt. Falls nötig, wird dieses dann an das konkrete Projekt im Wording angepasst.
Die Tarifierung erfolgt üblicherweise an Hand der Art der Bautätigkeiten. Bei den ABN können dies beispielweise der Hallen- (wie im obigen Beispiel) oder ein Wohngebäudebau sein.
Bei den ABU sind die Einzelgewerke (wie allgemeiner Tiefbau, Ingenieur- oder Brückenbau) maßgebend.
Gibt es aggressives Grundwasser oder muss die Tragfähigkeit des Baugrundes verbessert werden? Besondere Bau- und Gründungsmaßnahmen (wie Pfahl- oder Brunnengründungen) werden mit separaten Beitragssätzen belegt. Gleiches gilt für die Altbauleistungen. Wird sogar in die Statik des Bestandes eingegriffen, muss zur Risikoprüfung das Gutachten vom Statiker eingereicht werden. Altbau-Schäden wird der VN generell nur ersetzt bekommen, wenn er den Nachweis führen kann, dass dem Versicherer eingereichte Schäden erst durch den Neubau entstanden sind und nicht bereits vor Baubeginn vorhanden waren (in der Praxis durch „Beweissicherungsverfahren“, hier hilft der den Bau betreuende Architekt).
Was umfasst die Sparte nicht?
Bei der Bauleistungsversicherung handelt es sich um eine Allgefahrenversicherung. Es sind demnach alle unvorhergesehenen Beschädigungen und Zerstörungen versichert (nicht aber das „Abhandenkommen“). Wie bei allen Allgefahrenkonzepten wird der Umfang der Deckung über die Ausschlüsse bestimmt. Hierzu zählen u.a. Mängel, normale Witterungseinflüsse, Vorsatz oder reine Vermögensschäden wie Schönheitsfehler. Ebenfalls sind Sachen wie bewegliche und sonstige nicht wesentliche Bestandteile einzubauender Einrichtungsgegenstände wie Klima- oder Heizungsanlagen nicht vom Versicherungsschutz umfasst.
Bei der Bauleistungsversicherung gibt es eine örtliche und zeitliche Begrenzung. Die Versicherung bezieht sich nur auf das zu benennende Bauprojekt, aus diesem ergibt sich der entsprechende Versicherungsort. Wie für eine Projektdeckung üblich, besteht nur so lange Deckung, bis die Bautätigkeit beendet wurde. Indizien für das Ende ist entweder das Erreichen des festgelegten Datums oder die förmliche oder faktische Abnahme. Auch die Bezugsfertigkeit führt zu einem Abschied aus der Projekt- und Eintritt in die Bestandsdeckung.
In der Folge bedeutet dies, dass nach einem der Endvarianten keine Versicherungsleistungen mehr aus der Projektdeckung erlangt werden kann. Um Schäden infolge von Gewährleistungs- oder Nachbesserungsarbeiten in den Deckungsumfang der Bauleistung aufzunehmen, empfiehlt sich die Vereinbarung einer Nachhaftungsklausel (Maintenance).
Welche Entwicklung gibt es?
Es lebe der Paketverkauf! Auch bei der Bauleistungsversicherung sind pauschale Versicherungsprodukte mit einfacher Beitragskalkulation und einem vorgefertigten umfangreichen Deckungsumfang anzutreffen.
Zielgruppe sind Privatkunden, aber auch Unternehmer mit kleineren Bauprojekten (wobei die Ansicht, was unter „kleiner“ zu verstehen ist, von Maklern und Versicherern oft Gegenstand von langen Verhandlungen ist).
Der Clou bei diesem Ansatz: Einfaches Handling ohne Einsatz des Underwriting. Vordefinierte Bauvorhaben werden mit Grundbeitragssätzen versehen, der Deckungsumfang ist bereits komfortabel mit zahlreichen Deckungserweiterungen ausgestattet.
Oftmals werden die Beitragssätze nach Versicherungssummen gestaffelt und es gibt nur wenige Deckungserweiterungen, die zusätzlich eingeschlossen oder erhöht werden können. Beispiele hierfür sind u.a. die pauschalen Kosten, wie Schadensuch- und Aufräumungskosten, oder der Einschluss der Gefahr Feuer.
Nach Rücksprache mit dem Underwriting können weitere Bausteine, so wie die oft schmählich übersehene Bauleistungsunterbrechungsversicherung (über AMBUB mit Klausel TK 4950 oder gleich fertig als Zusatzbaustein bei modularem Produktaufbau) mitversichert werden.
Ist der Bauherr Privatperson oder Unternehmer ohne entsprechende Leistung in der Betriebshaftpflicht? Dann muss die Bauherren-Haftpflichtversicherung zusätzlich zu der Bauleistungsversicherung abgeschlossen werden.
End-to-End / Dunkelverarbeitung
Was macht die Sparte besonders geeignet für „Dunkel-Verarbeitung“?
Es bedarf nur der Eingabe weniger Daten wie Versicherungssummen (hierzu zählen die Gesamtbausumme und der Besonderen Baumaßnahmen) und einiger weniger Risikoauskünfte, um einen Antrag auf Abschluss der Versicherung zu stellen. Oftmals werden Bauleistungsverträge „in letzter Sekunde“, im schlimmsten Fall sogar erst nach Baubeginn abgeschlossen. Gut, dass nach einer Onlineantragstellung oftmals in Echtzeit der Antrag im Bestandsführungssystem policiert und der Versicherungsschein direkt an den Versicherungsnehmer übermittelt werden kann. Aber: Frei von bekannten Vorschäden, sollte mit dem Bau bereits begonnen worden sein.
Baukombideckungen:
Eine recht neue Entwicklung sind pauschale Produkte für Haushersteller. Hier werden private Neubauten vom ersten Spatenstich an versichert. Alle für den Bau relevanten Deckungen, wie Bauleistung-, Feuerrohbau-, Haus und Grundbesitzerhaftpflicht aber auch Unfallversicherung werden kombiniert. Nach Fertigstellung schließt sich dann die private Wohngebäudeversicherung an. Üblicherweise werden die Bauherren über einen Gruppenvertrag angemeldet und der Haushersteller übernimmt die Abrechnung mit dem Versicherer.
Bei Baukombideckungen für industriellen Bauten geht es deutlicher individueller zu, da Risiken einzeln bewertet werden müssen - und oftmals auch vom Versicherer abgelehnt werden. Zwar gibt es einen zwischen Makler und Versicherer vereinbarten Rahmenvertrag mit festem Deckungsumfang und oftmals festem Pricing, aber mit Hilfe von erfahrenen Underwritern wird jedes Bauvorhaben kritisch analysiert, ob der Versicherer dieses Bauvorhaben unter Deckung stellen möchte. Denn: Neben der Bauleistungsdeckung enthält der Baukombivertrag auch die allgemeine Haftpflicht- und Berufshaftpflichtversicherung für Architekten, Ingenieure und die am Bau beteiligten Baufirmen. Sämtliche Sparten sind komfortabel mit allerlei Zusatzdeckungen versehen ( Sachen im Gefahrenbereich, Altbauten, Baugeräte und vieles mehr). Leider führt diese allzu umfangreiche Deckung leider in der Praxis zu unerfreulich hohen Schadenquoten, die aufgrund der enthaltenen Haftpflichtdeckungen oft erst Jahre später („Longtail“) beim Versicherer einschlagen. Die Entwicklung zeigt, dass die Preise auf Grund des nicht auskömmlichen Beitrages und in Folge der Inflation steigen.
Bisher erschien in der Serie „Sparte in 3 Minuten“: