Rainer Schlegel, Präsident des Bundessozialgerichts, hat sich in die aktuelle Rentendebatte eingeschaltet. Er hält Reformen des Rentensystems für dringend notwendig - und schlägt auch unattraktive Maßnahmen vor. So solle diskutiert werden, ob die Rente künftig noch dazu gedacht sei, den Lebensstandard annähernd zu sichern.
Rainer Schlegel ist Präsident des Deutschen Bundessozialgerichts - damit steht er der höchsten Behörde vor, die sich in Deutschland mit sozialer Rechtsprechung beschäftigt. Auf der Jahrespressekonferenz hat der 63jährige nun seine Zeit genutzt, um auch das Thema „Zukunft der Rente“ anzusprechen. Und er machte keinen Hehl daraus, dass er die gesetzliche Rente in ihrer jetzigen Form nicht für zukunftsfähig hält. Über die Pressekonferenz berichtet aktuell die ARD Tagesschau.
Wichtigstes Problem der gesetzlichen Rente sei, dass künftig auf immer weniger Beitragszahler auf immer mehr Rentnerinnen und Rentner kommen würden, so habe Schlegel ausgeführt. Standen im Jahr 1962 noch sechs Beitragszahler einem Rentner gegenüber, so würden es im Jahr 2030 nur noch eineinhalb Beitragszahler sein. „2030 wird es heftig“, warnt Schlegel. Zudem erhöhe sich die Lebenserwartung der Deutschen weiter - seit den 60er Jahren sei diese um rund zehn Jahre gestiegen. Folglich müssten auch länger Renten ausgezahlt werden.
Für dieses Problem unterbreitet Schlegel mehrere Vorschläge, die auch an anderer Stelle schon diskutiert wurden - er bedient sich aus dem Reformbaukasten anderer Ökonomen. Viele der Maßnahmen wurden an anderer Stelle schon diskutiert. Auch der Jurist hält es für erforderlich, dass das Renteneintrittsalter auch über das 67. Lebensjahr angehoben bzw. an die steigende Lebenserwartung angepasst wird. Spätestens 2030 müsste es erneut steigen. Jedoch hält er ein fixes Renteneintrittsalter -etwa ab 70 Jahre- für politisch nicht durchsetzbar. Stattdessen solle ein Automatismus greifen. Zum Beispiel sollen für eine statistisch gestiegene Lebenserwartung von drei Monaten die Bürgerinnen und Bürger einen Monat zusätzliche Erwerbszeit akzeptieren.
Als weiteres Problem spricht Schlegel an, dass bereits heute die Renten für viele Menschen niedrig seien. Wer 45 Jahre für ein Durchschnittsentgelt von 43.142 Euro im Jahr gearbeitet habe, erhalte zwar im Westen eine monatliche Bruttorente von 1.620 Euro und im Westen von 1.598 Euro ausgezahlt. Aber tatsächlich würden nur noch rund 18 Prozent der männlichen Rentner eine Rente von mehr als 1.200 Euro bis 1.500 Euro und nur rund zehn Prozent von 1.500 bis 1.800 Euro erhalten. Die Frauen erhalten deutlich weniger. Die derzeitige Rentenhöhe sei „nicht zu bejubeln“, so Schlegel.
Hier solle künftig neu definiert werden, was die gesetzliche Rente leisten kann und soll, regt Schlegel an. So sei es bisher das Ziel gewesen, den Lebensstandard im Alter annähernd zu sichern, den man sich während des Berufslebens erarbeitet habe. Die sei aufgrund der massiven Probleme und Veränderungen nicht mehr zeitgemäß - ohne private und betriebliche Vorsorge werde dieses Ziel kaum erreicht.
Das neue Sicherungsziel der gesetzlichen Rentenversicherung müsse sein, dass jeder "nach einem erfüllten Berufsleben" von seiner Rente einigermaßen gut leben könne. Das Rentenniveau solle demgemäß 15 bis 20 Prozent über dem Existenzminimum liegen. Folglich sichere die Rente nur noch eine Basisversorgung - und der Rest solle Sache jedes Einzelnen sein.
Darüber hinaus sollen künftig alle in das System der gesetzlichen Rentenversicherung einzahlen müssen: auch Selbstständige, Beamte und Berufe wie Rechtsanwälte, die aktuell mit eigenen Versorgungswerken abgesichert sind.