Sparbuch statt Aktien: Immer wieder wird das mangelhafte Finanzwissen der Deutschen beklagt. Das will die Bundesregierung nun ändern. Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (beide FDP) wollen eine „Nationale Finanzbildungsstrategie“ entwickeln: Die konkreten Details sind noch unklar.
Wiederholt zeigen Umfragen, dass die Deutschen deutliche Defizite beim Finanzwissen haben. So konnten bei einer YouGov-Umfrage im Auftrag eines Versicherers zum Beispiel nur vier von zehn erwachsenen Deutschen erklären, was sich hinter dem Begriff „Aktienindex“ verbirgt: und bei einer ähnlichen Umfrage des Portals „Finanztip“ wusste fast jeder Zweite nicht, dass bei einem Dispokredit Zinsen anfallen. Es sind manchmal die einfachsten Dinge, auf die zu viele Bürgerinnen und Bürger keine Antwort wissen.
Das soll sich nun aber ändern, wenn es nach Christian Lindner und Bettina Stark-Watzinger geht. Der Bundesfinanzminister und die Bundesbildungsministerin stellten am Freitag gemeinsam eine „Initiative Finanzielle Bildung“ vor, deren Ziel es ist, gemeinsam mit der OECD eine nationale Finanzbildungsstrategie zu entwickeln. Hierfür haben beide Ressorts ein entsprechendes Eckpunktepapier vorgelegt.
Selbstermächtigung und Chancengleichheit
Christian Lindner erklärt: “Finanzielle Bildung ist ein Instrument zur Selbstermächtigung. Zur vollen gesellschaftlichen und ökonomischen Teilhabe gehört es, dass jede und jeder individuell für sich kompetente finanzielle Entscheidungen treffen kann – von Versicherungs- und Vorsorgeentscheidungen bis hin zur Frage, ob und mit welchem Risiko Kapitalmarktchancen genutzt werden.“ Ohnehin sei der Erwerb von Eigentum und der Aufbau von Vermögen in Deutschland unnötig erschwert, ergänzt der 44jährige. Lindner verwies auf eine aktuelle Studie der OECD, die ebenfalls erschreckende Defizite im Finanzwissen der Bevölkerung aufzeigt. Demnach können nur zwei Drittel der Deutschen einfache Fragen zur Zinsrechnung richtig beantworten, mit dem Konzept des Zinseszinses ist gar nur die Hälfte der Erwachsenen vertraut.
Finanzielle Bildung sei „auch eine Frage der Chancengerechtigkeit“, positioniert sich Stark-Watzinger. „Wir brauchen Lernangebote zur Finanziellen Bildung, die über Verbraucherinformationen hinausgehen und die Menschen in die Lage versetzen, Wissen über finanzielle und wirtschaftliche Zusammenhänge zu erwerben und im Alltag anzuwenden. Den eigenen Handyvertrag zu verstehen, gehört genauso dazu, wie die Altersvorsorge früh in die Hand zu nehmen“, so die FDP-Politikerin.
Mehr Geld für Forschung - und eine Plattform
Wer das vorgelegte Eckpunktepapier liest, findet hierin bisher wenig Konkretes. Die zu vermittelnden Inhalte werden überhaupt nicht genannt. Zunächst soll eine zentrale Finanzbildungsplattform entstehen, die bestehende Bildungsangebote bündelt und auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Nutzerinnen und Nutzer zugeschnitten ist. Die Vernetzung der Akteure im Bereich der finanziellen Bildung soll gefördert werden. Außerdem will die Bundesregierung die Forschung zu finanzieller Bildung stärken, um die „Datengrundlage in Deutschland zu verbessern sowie zukünftige bildungspolitische Maßnahmen evidenzbasiert zu entwickeln“, wie es in dem Papier heißt. Noch in diesem Jahr soll eine Konferenz stattfinden, um die Bildungsstrategie gemeinsam zu erarbeiten.
Eine konkrete Maßnahme aber fehlt: Finanz- und Wirtschaftsbildung an den Schulen. Ein entsprechendes Unterrichtsfach wird von Experten und Lobbyverbänden immer wieder gefordert, ein Schulfach "Wirtschaft" gibt es bisher in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Laut „Handelsblatt“ bestätigte die Bundesbildungsministerin, dass die Schule der naheliegendste Ort sei, um finanzielle und ökonomische Bildung zu vermitteln. Leider könne der Bund aber nur Pilotprojekte in den Schulen finanzieren. Bildung ist Ländersache: Damit zerschlägt sich die Hoffnung, dass Finanzthemen bald bundesweit auf dem Lehrplan stehen.
Ohnehin stellt sich die Frage, wer kompetent Finanzwissen vermitteln soll - und wie unabhängig er ist. Die Lehrergewerkschaft GEW beklagte vor drei Jahren, dass immer mehr Finanzdienstleister in die Schulen drängen und Lehrer spielen: zum Beispiel die Deutsche Bank. Sie stellen kostenloses Lehrmaterial bereit und nehmen Einfluss auf die Inhalte. Der Verdacht liege nahe, dass es nicht darum gehe, die Kinder und Jugendlichen in Finanzfragen zu unterrichten: sondern darum, frühzeitig Kunden für die eigenen Produkte zu gewinnen.