Weshalb eine sogenannte Keyman-Police empfehlenswert ist und worauf dabei geachtet werden sollte, erklären Dennis Sturm, Geschäftsführer bei STC Versicherungsmakler aus Westerburg sowie Lara Zacher, duale Studentin der Technischen Hochschule Köln (Versicherungswesen) und ebenfalls für STC Versicherungsmakler tätig.
Versicherungsbote: In welchem Umfang müssen Unternehmen Ihre Schlüsselkraft absichern?
Dennis Sturm: Die Höhe der Absicherung in der Keyman-Police sollte im Idealfall den Kosten entsprechen, welche dem Unternehmen bei dem Verlust einer Schlüsselkraftperson anfallen. Je nach Betriebsart und Stellung des Mitarbeiters innerhalb des Unternehmens können die Summen und die Laufzeiten der notwendigen Absicherung sehr unterschiedlich ausfallen.
In den meisten Fällen ist eine Absicherung von Schlüsselkräften mit einer einmaligen Kapitalzahlung an das Unternehmen verbunden. Diese wird geleistet, sobald ein versichertes Ereignis dem Grunde nach vorliegt. Das kann zum Beispiel die Diagnose einer versicherten Krankheit oder auch der Todesfall sein.
Aber wie werden die Kosten ermittelt?
Dennis Sturm: In einer gemeinsamen Forschungsarbeit mit der International School of Management (ISM) haben wir bereits vor einigen Jahren gemeinsam in einer Untersuchung versucht, ein Ergebnis für die Höhe zur Absicherung von Schlüsselkräften zu finden. Vielen Unternehmen ist schließlich klar, wie hoch der Wert einer Maschine und wie dramatisch deren Ausfall für das Unternehmen ist – der Wert der Menschen, die das Unternehmen führen, wird aber häufig nicht betrachtet.
Im Ergebnis kamen wir hier auf einen Wert, der sich bei ca. dem 2–3-fachen fremdüblichen Jahresbruttogehalt bewegt. Natürlich immer abhängig von der Qualifikation, dem Wissen und der Präsenz des jeweilig zu Versichernden. Der genannte Faktor kann aber eine grobe Orientierung bieten.
Anfallende Kosten, die individuell zur Ermittlung einer Versicherungssumme führen, sind:
Das individuelle Verfahren führt, je nach Ermittlungsansatz, zu einem für das Unternehmen genaueren Ergebnis. Zudem können mit einer Abfrage der Daten auch schon frühzeitig Netzwerke aufgebaut werden, die in einem Leistungsfall zügig aktiviert werden können.
Welche Rolle spielt die Absicherung von Führungskräften bei kleinen und mittleren Unternehmen?
Lara Zacher: Die Absicherung der Schlüsselpersonen ist vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen besonders relevant. Nicht nur der Fachkräftemangel spielt hierbei eine Rolle, sondern auch, dass die Geschäftsführer und Inhaber der Unternehmen häufig einen starken Fokus zu operativen Tätigkeiten haben. Nicht selten ist auch ihr Name im Firmennamen verankert.
Um es denen einfacher zu machen, die das Unternehmen bei einem Ausfall übernehmen, ist häufig zwingend Liquidität notwendig. Mit dieser kann dann zumindest der finanzielle Druck für eine gewisse Zeit abgefangen werden, bis das Unternehmen organisatorisch alle Maßnahmen ergriffen hat, um von den Nachfolgern aus der eigenen Familie oder dem Unternehmen weitergeführt zu werden. Da die Kapitaldecke bei kleineren Unternehmen oft nicht so hoch ist, macht eine Absicherung des wichtigsten „Assets“ – des Menschen – in jedem Fall Sinn. Der mögliche Leistungsfall durch Krankheit oder Tod ist in den allermeisten Fällen nicht vorhersehbar. Und daher bieten nur Versicherungsprodukte einen gewissen finanziellen Schutz.
„Fällt eine Schlüsselkraft aus, führt dies zu erheblichen finanziellen Folgen“
Wie hat sich aus Ihrer Sicht der Markt für Keyman-Policen in den letzten Jahren entwickelt?
Dennis Sturm: Keyman-Policen sind Dread Disease Policen oder auch Schwere-Krankheiten/Todesfall-Absicherungen. Regulär sind Lebensversicherungspolicen von der Versicherungssteuer befreit. Seit dem 01.01.2022 ist bei neuabgeschlossenen Verträgen gemäß des Versicherungssteuermodernisierungsgesetztes (VerStRModG) aber auch Versicherungssteuer zu berechnen. Die Eigenschaft des Versicherungsnehmers und das Bezugsrecht läuft auf das Unternehmen.
Bei den Anbietern im Markt gibt es unterschiedliche Ansatzwege, die sich sehr stark unterschieden. Zum einen variieren die Beitragszahlungen und die damit verbundenen Gewinnmodelle der Beitragsverrechnung sehr stark voneinander. Beiträge können durchaus variieren, sie sind häufig nicht dauerhaft gleichbleibend kalkuliert, je nach Versicherer, je nach Wording. Hier sollte ein besonderes Augenmerk in der Beratung draufgelegt werden. Ebenfalls in die Definitionen der Leistungsauslöser, also der versicherten Krankheiten bzw. dem Todesfall.
Bekannt sind die sehr erfahrenen Anbieter Canada Life, PrismaLife und Nürnberger. Auch bieten Zurich, Gothaer und Dialog Lösungen an. Bei allen Anbietern sollte je nach Bedarf des Kunden (Krankheit oder/und Tod) explizit unterschieden werden, worauf dieser Wert legt und wie mit dem geeigneten Produkt eine mögliche Lücke bei Krankheit und/oder Tod geschlossen werden kann.
Warum sollten sich Unternehmen und auch Geschäftsführer mit dem Thema Keyman-Police auseinandersetzen?
Lara Zacher: Bei der Absicherung der geschäftlichen Risiken ist der Kopf des Unternehmens – der Mensch – die entscheidende Kraft in der Wertschöpfung. Diese Kraft sorgt für Innovation und die notwendige Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens, welche durch ständige Entscheidungen bekräftigt werden muss. Der Wert der Entscheidungen und der Führung ist höher als der einer möglichen Maschine, häufig wird dies nicht direkt gesehen.
Fällt aber eine Schlüsselkraft aus und werden wichtige Entscheidungen nicht mehr getroffen oder können bestimmte fachliche Themen nicht mehr geregelt werden, so führt dies zu erheblichen finanziellen Folgen in den Unternehmen. Der Fokus sollte daher auch klar auf die Absicherung von Schlüsselkräften gelegt werden.
Welche finanziellen und organisatorischen Folgen drohen, wenn eine Führungskraft nicht abgesichert ist und ausfällt?
Dennis Sturm: Direkt anfallende Kosten entstehen durch das mögliche Interimsmanagement und die Kosten für die Rekrutierung von neuen Mitarbeitern. Headhunter müssen engagiert und mögliche Spezialisten müssen, da kaum Reaktionszeiten bestehen, teuer eingekauft werden. Möglicherweise entstehen Schäden durch ausbleibendes Wissen oder den Verlust von Kunden.
Ist ein Ersatz gefunden, so benötigt dieser auch eine gewisse Einarbeitungszeit, die sich je nach Spezialisierung auf mehrere Monate belaufen kann. In dieser Zeit benötigt das Unternehmen dringend Liquidität. Darüber hinaus kann auch eine erhebliche Unsicherheit im Unternehmen entstehen oder es entstehen mögliche Machtkämpfe oder ähnliches, die einer geordneten Moderation bedürfen.
Warum benötigen KMU auch eine Art Notfallplan für den Ernstfall?
Dennis Sturm: Eine Keyman-Police übernimmt lediglich die finanzielle Kompensation des Schadens. Ein Notfallplan wiederum regelt die organisatorische Herangehensweise. Welche Personen wie zum Beispiel Anwälte sind einzubeziehen? Wer sollte für das Headhunting beauftragt werden? Wo finden sich Passwörter für die Nutzung der Admin-Zugänge? Gibt es eine Vorsorgevollmacht? Gibt es eine Unternehmensvollmacht für den Fall eines längeren Ausfalls oder eines Versterbens? Wie soll das Unternehmen im Sinne des Ausgeschiedenen weitergeführt werden?
Viele Fragen erfordern viele Antworten. Und gerade die Einbeziehung der möglichen Ideen durch den Ausgefallenen, welche vorab erfasst werden müssen, geben eine gute Orientierung. In einer Moderation und Koordination der wichtigsten Entscheidungen trägt ein Notfallplan erheblich zum möglichenFortbestehen des Unternehmens in einer solchen, kritischen Phase bei.
Warum sollten Makler das Thema Keyman-Schutz ansprechen, wenn sie im Bereich Gewerbe beraten?
Lara Zacher: Die wichtigste und umsatzstärkste Maschine in den Unternehmen sind die Menschen, die darin arbeiten. Damit ein Lebenswerk nicht mit dem Leben oder durch eine Krankheit einer Person zu Ende geht, sollte der finanzielle Rahmen, ganz unabhängig von einer möglichen Barliquidität, im Fall einer Krankheit oder eines Todesfalls bereitgestellt werden.
Hintergrund: Das Interview erschien zuerst im kostenlosen Versicherungsbote-Printmagazin 01/2023.