Sie schreiben in der Studie selbst, dass auf die Rendite des angelegten Vermögens abgestellt wird. Ist Rendite aus Ihrer Sicht der einzige Maßstab, an dem sich ein Altersvorsorge-Produkt messen lassen muss?
Insbesondere auf lange Sicht ist die Rendite eine der wesentlichen Kernindikatoren des Anlageerfolgs. Weitere, insbesondere individuelle Faktoren (z.B. Risikopräferenzen oder asset-liablility matching), werden durch die Aggregation gemittelt, daher berücksichtigt die Analyse den gesamtvolkswirtschaftlichen Effekt und nicht kleinere, individuelle Investorengruppen.
Im Podcast sagen Sie, dass Deutschland der ideale Kandidat für die erfolgreiche Einführung eines Provisionsverbots wäre. Das begründen Sie mit den Teilergebnissen aus Ihrer Studie, dass Länder mit starken Sozialsystemen und hohem Bildungsstand eher ein solches Verbot einführen. Gleichzeitig erwähnen Sie aber nicht, dass Ihre Studie auch zu dem Ergebnis führt, dass ein hoher Anteil der weiblichen Bevölkerung die Aussicht auf ein Provisionsverbot verringert. Warum nicht?
Naturgemäß kann in einem zeitlich begrenzten Podcast immer nur ein Teil der Inhalte eines komplexen Papers berichtet werden. Der Schwerpunkt liegt auf den Auswirkungen der Einführung eines Provisionsverbots und nicht auf der Wahrscheinlichkeit der Einführung, die wir aus wissenschaftlichem Interesse gleichsam untersucht haben, deren Ergebnisse wir aber für die politische Entscheidungsfindung für weniger relevant halten.
In Ihrer Studie stellen Sie darauf ab, dass Untersuchungen gezeigt haben, dass Finanzberater weiblichen Kunden teurere Produkte empfehlen als Männern. Welche Ursachen ziehen Sie dafür in Betracht?
Mögliche Faktoren können sie dem Aufsatz von Bucher-Koenen „Fearless Woman: Financial Literacy and Stock Market Participation” entnehmen. Diese Autor:innen sind sehr aktiv auf dem Gebiet der genderbezogenen Finanzforschung und haben hierzu auch weitere Artikel hierzu veröffentlicht, z. B. Bucher-Koenen, T., Lusardi, A., Alessie, R. und van Rooij, M. (2017).
In Ihrer Studie heißt es: „Frauen geben an, dass sie es vorziehen, Entscheidungen zu delegieren, scheinen sich aber der damit verbundenen höheren Kosten nicht bewusst zu sein.“ Welche weiteren Erklärungen - außer dem unterstellten Umstand, dass Frauen die Konsequenzen ihres Handelns nicht überblicken könnten - halten Sie für denkbar?
Auch hier verweise ich auf die genannten Autor:innen.
In Ihrer Studie heißt es: „Nach (Bleuthgen, 2008) korreliert der Männeranteil positiv mit dem Aktienanteil des jeweiligen Portfolios.“ Dazu schreiben Sie: "...unsere Ergebnisse überraschen nicht, werfen aber ein Licht auf potenziell gefährdete Gruppen, die einen stärkeren Schutz durch strenge Rechtsvorschriften wie ein Provisionsverbot benötigen.“ Was entgegnen Sie Kritikern, die darin das Narrativ der schutzbedürftigen Frau aufschimmern sehen?
Weitere wissenschaftliche Artikel beschäftigen sich bereits mit dieser Thematik, hierfür können wir Ihnen das zitierte Paper von Bleuthgen (2008) oder die Artikel von Bucher-Koenen (2021) empfehlen.
Wir bedienen uns keinem Narrativ, sondern referieren auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse unserer Kolleg:innen.
Kritik an Ihrer Studie entzündet sich auch am methodischen Ansatz: Sie würden die Entwicklung gröbster makroökonomischer Aggregate vergleichen und die Differenzen kausal auf Provisionsverbote zurückführen. Was entgegen Sie darauf? Woher kommt die Kausalität?
Um den Effekt von einem Provisionsverbot auf die gesamte Volkswirtschaft abzuschätzen, ist es unzulässig, fallbezogene, anekdotische Evidenz heranziehen. Ein Provisionsverbot hat potenziell vielfältige Auswirkungen in der Volkswirtschaft eines Landes. Dementsprechend ist die Fragestellung grundsätzlich makroökonomisch. Dieser makroökonomische Gesamteffekt entsteht durch Finanzentscheidungen auf der Haushaltsebene.
Das verwendete two-ways fixed effects model ist ein weitverbreiteter wissenschaftlicher Ansatz, um solche Effekte empirisch zu schätzen. Dieser basiert auf der Beobachtung von Veränderungen von Ländern mit Provisionsverbot versus Ländern ohne Provisionsverbot und ist eine gewichtete, panelbasierte Variante vom differences-in-differences estimator. Sie hat den Vorteil, dass hierdurch konstruktionsbedingt alle möglichen Unterschiede zwischen den Ländern inkl. der zeitlichen Entwicklung berücksichtigt werden.
Die verschiedentlich öffentlich geäußerte Kritik an unserem methodischen Ansatz ist aus unserer Sicht gegenstandslos. Wir haben daher auch keinen Anlass gesehen, bei dem kürzlich veröffentlichten Update methodische Änderungen vorzunehmen.