Die Beitragseinnahmen der privaten Krankenversicherer erreichen Rekordwerte. Doch Ausruhen können sich die Assekuranzen nicht darauf. Sie müssen dringend attraktiver für Familien und freiwillig Versicherte werden, heißt es im ‚Assekurata-Marktausblick zur privaten Krankenversicherung 2023“.
Stand die Corona-Pandemie im Fokus des letztjährigen Marktausblicks zur privaten Krankenversicherung, konstatiert Assekurata, dass die Auswirkungen der Corona-Krise nachlassen würden. Dennoch werde das Marktumfeld für Krankenversicherer keineswegs einfacher, meint Alexander Kraus, Fachkoordinator Krankenversicherung der Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH und Autor des Marktausblicks PKV. Als neue Herausforderung für die Krankenversicherer nennt er vor allem die Zinswende, die mit steigender Inflation und den unvorhersehbaren Auswirkungen des Ukraine-Kriegs einhergeht.
PKV muss attraktiver für freiwillig Versicherte und Familien werden
Bereits im fünften Jahr in Folge konnte die private Krankenversicherung mehr Zugänge aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verzeichnen als Abgänge. Dennoch steht unter dem Strich ein Nettobestandsverlust von rund 14.000 Versicherten. „Neben den immer noch hohen Abgängen in die GKV verhindert zusätzlich die steigende Anzahl der Sterbefälle ein Wachstum in der Vollversicherung. Ebenso könnten die zukünftigen politischen Rahmenbedingungen, wie die deutliche Anhebung der Jahresarbeitsentgeltgrenze, den Zugang zur PKV weiter erschweren“, erklärte Kraus die Entwicklung. „Umso wichtiger ist es, bereits jetzt die Attraktivität für freiwillig Versicherte und Familien zu erhöhen.“
Beitragseinnahmen auf Rekordniveau
Immerhin sind die Kassen der Versicherer prall gefüllt: „Die gesamten Beitragseinnahmen befinden sich weiterhin auf einem Rekordniveau. Der Zuwachs wird 2023 jedoch wie bereits im Vorjahr, auch aufgrund moderater Beitragsanpassungen, wieder unter der 2 Mrd.-€-Grenze bleiben“, erläuterte Abdulkadir Çebi, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata.
Die hohen Beitragseinnahmen führen gleichzeitig zu einer stabilen finanziellen Situation der PKV. Dies spiegelt sich in der Eigenkapitalquote wider, die laut bisherigen Erkenntnissen von Assekurata im vergangenen Jahr branchenweit von 16,0 % auf 16,7 % gestiegen ist. Ebenso konnte die aufsichtliche SCR-Quote von 505 % auf 524 % erhöht werden.
Inflationsfolgen nicht so heftig wie in anderen Sparten
Nachdem die Leistungsausgaben bereits im Vorjahr deutlich gestiegen waren, nähern sie sich 2022 mit etwa 32,6 Milliarden Euro langsam wieder dem Niveau vor der Corona-Pandemie an. „Die erwarteten Nachholeffekte aus der Corona-Phase scheinen sich teilweise bereits niederzuschlagen. Dagegen liegen die Kostensteigerungen infolge der Inflation unter dem Niveau anderer Sparten, wie zum Beispiel der Schadenversicherungen“, erläuterte Abdulkadir Cebi. „In den kommenden Jahren könnte sich hier ein zeitversetzter Anstieg zeigen. Zukünftige strukturelle Reformen, wie beispielsweise die geplante Krankenhausreform oder eine GOÄ-Novelle, könnten die Leistungsausgaben ebenfalls beeinflussen.“
Aufgrund der gestiegenen Leistungsausgaben und moderaten Beitragsanpassungen verringerte sich die versicherungsgeschäftliche Ergebnisquote von 15,1 % auf 12,9 %, was immer noch ein solides Niveau darstellt, so Assekurata. Obwohl die Zinsen gestiegen sind, sank die Nettoverzinsung branchenweit von 2,9 % auf 2,3 %. Dadurch verringerte sich auch die Rohergebnisquote von 14,6 % auf 10,0 %. Im Gegensatz zur Nettoverzinsung blieb die laufende Durchschnittsverzinsung der Kapitalanlagen laut aktuellen Marktdaten mit rund 2,6 % jedoch sehr stabil.
Darüber hinaus sind Zinspapiere als Neuanlage wieder attraktiver geworden. „Rententitel und vor allem Staatsanleihen gelten nach vielen Jahren wieder als ein renditeseitig attraktives Segment in der Neuanlage, während Aktien und Immobilien durch das volatile und schwierige Marktumfeld an Bedeutung verlieren“, merkt Cebi an. „Die Versicherer nutzen die gestiegenen Zinsen, um ihre laufenden Erträge zu stabilisieren beziehungsweise zu erhöhen und damit Sicherheit für Verträge mit langen Laufzeiten zu schaffen.“
Dank der soliden Ertragslage können die Unternehmen kontinuierlich Mittel in die Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) einbringen und somit ein Reservepolster für Beitragsanpassungen aufbauen. Nach den moderaten Beitragsanpassungen im Jahr 2022 verzeichneten die Analysten von Assekurata auch für die Anpassungsrunde 2023 durchschnittliche Werte von rund 3,5 % in der Vollversicherung ohne Beihilfe und etwa 1,6 % in der Beihilfe.
„Inzwischen hat sich das jahrelange Niedrigzinsniveau in den Tarifen wiedergefunden und die Rechnungszinsen wurden am unteren Ende angepasst. Erste Auswirkungen der Zinswende werden sich erst zeitversetzt in den Kapitalanlagen der Versicherer wiederfinden, und es ist nicht zwingend zu erwarten, dass dies langfristig zu niedrigeren Beiträgen führt, da die steigenden Kosten diesem Effekt entgegenwirken dürften. Allerdings könnten zukünftige Beitragsanpassungen durch diese Entwicklung abgemildert werden“, gab Çebi einen positiven Ausblick.