Die deutschen Lebensversicherer sehen sich mit einem volatilen Marktumfeld, Kundinnen und Kunden mit Rekordinflation und zunehmender Verunsicherung konfrontiert. Anlass für ein Gespräch mit Rainer Gebhart, Vertriebsvorstand der WWK Versicherungen. Die WWK setzt bereits seit 1971 auf Fondspolicen in der Altersvorsorge und gehört damit zu den Vorreitern der Branche. Langfristig sieht Gebhart Fondspolicen den klassischen Lebensversicherungsprodukten mit Garantien überlegen.
Versicherungsbote: Rekordinflation, volatile Märkte, Sozialsysteme unter Druck: In den Medien herrscht Krisenstimmung, viele Privatanleger sind laut Umfragen verunsichert. Sind das gute oder schlechte Zeiten für einen Vorsorgeanbieter wie die WWK? Wo sehen Sie Risiken aufgrund der aktuellen Situation - wo Chancen?
Rainer Gebhart: Die immer noch hohen Inflationsraten und die geopolitischen Spannungen bringen Menschen in der Tat ins Grübeln, ob sie sich ihren gewohnten Lebensstil noch leisten können und ob noch genug Geld für die Altersvorsorge „übrig ist“. Auf der anderen Seite ist in der Bevölkerung das Bewusstsein durchaus verbreitet, dass das auf einem Umlageverfahren beruhende gesetzliche Rentensystem zusehends auf tönernen Füßen steht. Die Alterung unserer Gesellschaft führt dazu, dass sozialversicherungspflichtige Erwerbstätige mit ihren Beitragszahlungen die Renten von immer mehr Rentnern finanzieren müssen. Folglich kann die gesetzliche Rentenversicherung nur eine Basisversorgung sein. Dass sich hier in den kommenden Dekaden keine Entspannung abzeichnet, steht bei Betrachtung der demographischen Entwicklung heute bereits fest. Unseren Beraterinnen und Beratern vor Ort gelingt es durchaus gut, den Leuten aufzuzeigen, wie wichtig es trotz oder sogar gerade wegen der aktuellen Situation ist, bereits sehr früh mit der Vorsorge zu beginnen. Zeit und die Wahl der richtigen Vorsorgeform sind die wichtigsten Faktoren für den Aufbau einer rentierlichen Altersvorsorge.
…und wie hat sich bei Ihnen das Neugeschäft in der Lebensversicherung 2022 entwickelt? Können Sie uns einen Einblick geben, welche Produkte gut nachgefragt werden - und welche vielleicht auch hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind?
Mit der Geschäftsentwicklung des Jahres 2022 sind wir zufrieden. Nach der Absenkung des Höchstrechnungszinses zu Jahresbeginn 2022 und den damit verbundenen Auswirkungen auf Fondsrenten mit Garantie haben wir nach den sehr hohen Wachstumsraten der letzten Jahre insbesondere bei der geförderten Altersvorsorge mit einem moderateren Umsatzvolumen gerechnet. Gleichzeitig haben wir rasch auf die veränderten Rahmenbedingungen reagiert und ebenfalls zum Jahresbeginn 2022 eine komplett neu konzipierte Fondspolice ohne Garantiekomponenten auf den Markt gebracht, die zwischenzeitlich von allen maßgeblichen Produktratern mit Bestbewertungen ausgezeichnet ist. Die in allen Schichten zur Verfügung stehenden Tarife wurden von Kunden und Vertrieb von Anfang an gut angenommen. So konnten wir einen guten Teil der Umsatzrückgänge im Garantieprodukt-Segment ausgleichen.
Die WWK bietet bereits seit 1971 Fondspolicen an. Mittlerweile bestimmen sie das Neugeschäft der deutschen Lebensversicherer. Welchen Stellenwert haben fondsgebundene Produkte in Ihrem Portfolio - und welchen noch Garantieprodukte?
Vor über 50 Jahren waren wir einer der ersten Anbieter fondsgebundener Lebensversicherungsprodukte in Deutschland und damit der Zeit deutlich voraus. Was klein angefangen hat, wurde über die Jahrzehnte zu unserem Hauptgeschäftsfeld. Heute sind wir, Deutschland und Österreich zusammengerechnet, mit über 5,8 Milliarden Euro Gesamtanlagen in Fonds und rund 600.000 Kundenverträgen zum Jahresende 2021 einer der Marktführer in diesem Geschäftsfeld. Wir bieten unseren Kunden Fondsrenten mit und ohne Garantie an. Risikobewusste Kunden sind in unserer neuen WWK Premium FondsRente 2.0 gut aufgehoben. Ihnen eröffnet die Fondspolice ohne Garantie deutlich mehr Freiräume und Renditechancen. Risikoaverse Kunden können mit unserer Fondspolicen-Familie WWK IntelliProtect® 2.0 Garantieniveaus von 50 bis 80 Prozent der eingezahlten Beiträge wählen und damit Renditechancen und Kapitalerhalt kombinieren. Je nach individueller Risikotragfähigkeit ermöglichen wir so eine passende Altersvorsorge. Kunden und Vermittlern lassen wir damit die Wahl, in welche Richtung sie gehen. Es gibt für beide Seiten gute Argumente.
Die Notenbanken haben die Leitzinsen im Kampf gegen die Inflation angehoben, Experten sehen ein dauerhaftes Ende der Niedrigzinsphase. Könnte dies aus Ihrer Sicht ein Comeback von Garantieprodukten in der Altersvorsorge einläuten? Oder haben „klassische“ kapitalbildende Leben-Policen tendenziell ausgedient?
Klassische Lebensversicherungen gewinnen im Umfeld steigender Zinsen und damit auch wieder ansteigender Überschussbeteiligungen auf den ersten Blick zwar an Attraktivität. Der branchenweit gültige Garantiezins wird jedoch - wenn überhaupt - erst zeitversetzt wieder steigen. Betrachtet man die erwirtschafteten Erträge abzüglich der Inflation, ist es aktuell kaum möglich, mit einer klassischen Lebensversicherung einen realen Kapitalerhalt sicherzustellen. Dies kann sich jedoch mittelfristig wieder ändern. Die WWK ist auf alle Szenarien vorbereitet, setzt aber seit vielen Jahren schwerpunktmäßig auf fondsgebundene Lebensversicherungen. Denn wir sind davon überzeugt, dass Investmentsparen über Fondspolicen eine einfache und auf längere Sicht sehr profitable Form der Altersvorsorge für unsere Kunden darstellt. In Zeiten erhöhter Inflation gilt dies umso mehr. Aktienfonds können in die Wertpapiere der besten Unternehmen weltweit investieren. Historisch betrachtet haben Investitionen in Unternehmenswerte beim langen Anlagehorizont einer Lebensversicherung stets besser abgeschnitten als ein konventionelles Produkt. Auch in einer Phase steigender Zinsen sehen wir daher in der fondsgebundenen Rentenversicherung den chancenreicheren Weg. Finanzwissenschaftler sehen zudem langfristig einen positiven Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Unternehmensgewinne und der Inflation: Langfristig gesehen kann sich eine höhere Inflation in einer positiven Gewinnentwicklung und damit in steigenden Unternehmenswerten widerspiegeln.
Riester: "Höhere Performance nur möglich, wenn der Kunde stärker ins Risiko geht"
…mussten Sie infolge der Marktverwerfungen durch Inflation, steigenden Zins und unsicheren Märkten auch Ihre Geldanlage-Strategie neu ausrichten? Wenn ja, können Sie uns einen Einblick geben?
Der starke und abrupte Zinsanstieg hat in der Branche zu teilweise erheblichen stillen Lasten geführt. Das betrifft vor allem die Unternehmen, die während der Niedrigzinsphase besonders stark in lang laufende Staats- und Unternehmensanleihen investiert haben. Mit dem Anstieg der Renditen sinken im Gegenzug die Anleihekurse, und in der HGB-Bilanz entstehen stille Lasten. Die müssen zwar nicht unmittelbar abgeschrieben werden, wenn der Versicherer die Papiere hält. In diesem Fall ist der Versicherer ist aber langfristig an diese wenig attraktiven Kapitalanlagen gebunden. Die WWK ist davon vergleichsweise wenig betroffen. Wir haben seit Jahren kaum mehr in Staats und Unternehmensanleihen mit langer Laufzeit investiert. Eine hohe Risikotragfähigkeit hat es uns ermöglicht, erfolgreich in renditestärkere Anlageformen wie Immobilien oder auch Aktien zu investieren: Im Fünfjahresdurchschnitt weisen wir mit 4,3 Prozent eine der höchsten Nettoverzinsungen im Gesamtmarkt auf.
Auf der Startseite Ihres Internetauftrittes wird die Riester-Rente als eines Ihrer Top-Themen beworben. Viele Anbieter haben sich aus dem Geschäft mit den staatlich geförderten Produkten zurückgezogen, Riester wird zunehmend kritisch diskutiert. Glauben Sie an die Zukunft der Riester-Rente: und unter welchen Bedingungen?
Riester sieht sich oft mit den Vorwürfen konfrontiert: „zu teuer“ und „zu unrentabel“. Das sehen wir anders. Für uns ist die Riester-Rente nach wie vor ein sehr attraktiver Vorsorgeweg. Dies gilt auch nach der Senkung des Höchstrechnungszinses zu Beginn des Jahres 2022. Bis sich die Bundesregierung abschließend mit der Zukunft der Riester-Rente beschäftigen wird, werden wir unser erfolgreiches Riester-Produkt weiter anbieten. Das Produkt ist für den Vermittler natürlich nicht mehr so attraktiv wie zuvor, weil wir die Provisionsregeln ändern mussten, um die Garantie weiter darstellen zu können. Wir zählen damit aber zu wenigen verbleibenden Anbietern von Riester-Renten, mit deren Hilfe ein Vermittler bestehende Kundenbedürfnisse abdecken und für seine Kunden die stattlichen Zulagen sichern kann. Wir sind allerdings sehr dafür, die bestehende Riester-Rente zu reformieren und fit für die Zukunft zu machen. Dazu gehört aus unserer Sicht in erster Linie eine Reduktion des Garantieniveaus auf beispielsweise 80 Prozent der eingezahlten Beiträge. Eine höhere Performance für den Kunden ist eben nur möglich, wenn der Kunde auch stärker ins Risiko geht. Und das funktioniert nur über die Aktienmärkte. Darüber hinaus müsste das Zulagenverfahren vereinfacht und der förderfähige Personenkreis erweitert werden. Eine Reform ist also notwendig und sinnvoll – wir hoffen, dass die Bundesregierung ihre grundsätzlichen Ideen so umsetzt, dass die erforderliche und gute Beratungsleistung der Vermittler auch angemessen honoriert werden kann.
Die Europäische Kommission und die BaFin streben eine strengere Kontrolle von Provisionen und Abschlusskosten bei Versicherungsanlageprodukten an. Hintergrund sind unter anderem die angeblich zu hohen Vertriebskosten, insbesondere bei Neuabschlüssen. Wie positionieren Sie sich zu einer strengeren Versicherungsaufsicht? Oder anders angefragt: Sind die Vorwürfe begründet, die Kosten seien zu hoch?
Wir sehen in der persönlichen Beratung einen großen Mehrwert für Kunden, insbesondere bei der Altersvorsorge. Komplexe Produkte wie Berufsunfähigkeitsversicherungen oder Fondspolicen brauchen Erklärung und Beratung durch sachkundige Vermittler. Auch darin sehen wir einen Baustein des „Kundennutzens“, den Aufsicht und Politik derzeit in den Fokus der Überlegungen rücken. Die Funktionsweise der Vorsorgeprodukte, deren Besteuerung oder die Auswahl der geeigneten Fonds bedürfen einer hohen Expertise, über die nicht jeder Kunde selbst verfügen kann. Auch soll die individuelle Vorsorge zum Anlegerprofil passen und Risikoneigung sowie Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden berücksichtigen. Diese und andere Aspekte rechtfertigen aus meiner Sicht eine qualifizierte Beratung, die im wahrsten Sinne des Worten wertvoll ist und nicht zum Nulltarif anzubieten ist. Wir qualifizieren Vermittler für diese Herausforderung im Rahmen eines umfassenden Aus- und Weiterbildungsangebots in unserem eigenen Schulungszentrum, der WWK Akademie. Neben Seminaren vor Ort bieten wir seit einigen Jahren auch eine Vielzahl an digitalen Webinaren in unserer Akademie-Online. Der Finanzberater ist und bleibt von entscheidender Bedeutung für eine vernünftige Beratung der Kunden. Dies sollte man bei allen kritischen Diskussionen über die Vergütung des Berufsstandes bedenken. Eine Vergütung alleine über Vermittlerhonorare erschein mir übrigens kein geeigneter Weg zu sein, um Kunden auch weiterhin in der Breite und über alle Einkommensschichten hinweg anzusprechen.
Aktuell bereitet auch die Bundesregierung eine Altersvorsorge-Reform vor. Welche Baustellen müssen hinsichtlich der privaten und betrieblichen Altersvorsorge aus Ihrer Sicht dringend angegangen werden? Haben Sie Sorge, dass sich Reformen auch zum Nachteil der Lebensversicherer auswirken könnten?
Wir begrüßen jede Initiative, die das Ziel verfolgt der Bevölkerung eine bessere Altersversorge zu ermöglichen. Unstrittig ist zwischenzeitlich, dass Rendite ein wichtiger Schlüssel ist um Rentenlücken zu schließen. Wir sind zuversichtlich, dass die Politik dabei nicht einseitig auf das Thema Kosten fokussiert und ihre grundsätzlichen Ideen gemeinsam mit der Versicherungswirtschaft umsetzt. Denn unsere Branche hat sich zu allen Zeiten als ein verlässlicher und sicherer Partner für alle Sparer erwiesen. Der Schlüssel zu guter Performance für den Kunden ist eine chancen-, damit aber auch risikoreichere Anlage für den Kunden. Attraktive Renditen sind auf diesem Weg sehr wahrscheinlich und die Risiken bleiben bei den meist langen Laufzeiten eines Vorsorgeprodukts trotzdem kalkulierbar. Wie bereits angesprochen kann die dafür erforderliche Beratung der Vorsorgesparer nur über die qualifizierten Finanzberater sichergestellt werden. Auch dies spricht für einen gemeinsamen zukünftigen Weg von Politik und Versicherungswirtschaft bei der Altersvorsorge.
Die Fragen stellte Mirko Wenig