Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht sich gegen eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters aus. Wer jetzt mit 17 die Schule verlasse, habe bereits 50 Arbeitsjahre vor sich, rechnet er vor. Zuletzt waren wiederholt Forderungen laut geworden, dass die Deutschen länger arbeiten müssen.
Bei einem Bürgerdialog in Erfurt hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gegen eine weitere Anhebung des Rentenalters in Deutschland ausgesprochen. "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir es jetzt nicht mehr nötig haben, das Renteneintrittsalter immer weiter anzuheben“, sagte Scholz am Donnerstag laut Deutscher Presse-Agentur (dpa). "Wer jetzt mit 17 die Schule verlässt, hat fünf Jahrzehnte Arbeit vor sich. Ich finde, das ist genug", so Scholz. Wenn jemand länger arbeiten wolle, solle er das tun können - "aber nicht weil er muss, sondern weil er oder sie kann“.
Damit stellt sich Scholz gegen wiederholt lautwerdende Forderungen, dass die Deutschen später in Rente gehen müssen. Unter anderem hat CDU-Vize Carsten Linnemann bei Markus Lantz gefordert, das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. "Es macht Sinn, dass wir länger arbeiten, wenn wir immer älter werden“, sagte er. Im Frühjahr wurde der Entwurf eines CDU-Grundsatzprogramms öffentlich, der vorsieht, dass das Renteneintrittsalter um vier Monate angehoben wird, sobald die Lebenserwartung um ein Jahr steigt.
Auch der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hat sich Anfang August für ein höheres Rentenalter ausgesprochen. "Meine Generation muss sich auf längeres Arbeiten im Alter einstellen - auch wenn wir unseren Wohlstand halten wollen", sagte er der dpa. "Ich halte das für viele Berufe auch zumutbar, da sich die Arbeitswelt in den kommenden Jahren fundamental verändern wird, körperlich anstrengende Arbeit wird weniger, Wissensarbeit wird mehr.“ Er wünsche sich eine „ehrliche Debatte“, denn es sei schwierig, ein höheres Rentenalter überhaupt anzusprechen. "Manchmal bekomme ich angesichts heftiger Reaktionen bei der Rentendebatte den Eindruck, dass in diesem Land vor allem Dachdecker leben. Von denen erwartet natürlich keiner, dass sie mit 67 oder 69 noch aufs Dach steigen“, so Bayaz.
Bisher steigt das Renteneintrittsalter in der gesetzlichen Rente schrittweise bis zum Jahr 2030 auf 67 Jahre. Wer früher in Rente geht, muss dann deutliche Abschläge in Kauf nehmen - es sei denn, er nutzt Sonderregelungen wie die so genannte Rente mit 63 (die ebenfalls schrittweise angehoben wird) oder gleicht die Abschläge durch freiwillige Zahlungen aus. Viele Ökonomen und Arbeitgeber hatten wiederholt ein höheres Rentenalter gefordert, um die gesetzliche Rente in Zeiten zu entlasten, in denen eine zunehmende Zahl an Rentnern einer schwindenden an Beitragszahlern gegenüber steht. Erst vor wenigen Tagen forderte auch Hans-Werner Sinn, der frühere Chef des ifo-Institutes München, ein höheres Rentenalter. Das gesetzliche Rentenalter könnte an das durchschnittliche Sterbealter angepasst werden und damit alle acht Jahre um etwa ein Jahr erhöht werden, so sein Vorschlag.
Ob es die Rentenversicherung wirksam entlasten würde, das Rentenalter an die steigende Lebenserwartung zu koppeln, darf aber mit Blick auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes zumindest bezweifelt werden. Zwar ist die Lebenserwartung für Männer und Frauen in der Vergangenheit im Durchschnitt stark gestiegen. Im Jahr 1960 betrug die Lebenserwartung für eine Person, die 65 Jahre alt war, im Durchschnitt 13 ½ Jahre, 2021 bereits betrug sie etwa 19 ½ Jahre. Doch zuletzt stagnierte die Lebenserwartung oder war sogar rückläufig: auch aufgrund der Corona-Pandemie. Dem Lebensalter sind natürliche Grenzen gesetzt, sodass eine entlastende Wirkung minimal ausfallen oder verpuffen könnte.