Die CDU und viele Ökonomen wollen die gesetzliche Rentenversicherung stabilisieren, indem sie das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung koppeln. Doch ist dies das geeignete Mittel? Aktuelle Zahlen zeigen: Die Lebenserwartung der Deutschen ist auch 2022 gesunken. Sie ist bereits das dritte Jahr in Folge rückläufig.
Wie kann die gesetzliche Rente in einer alternden Gesellschaft zukunftsfest gemacht werden? CDU-Chef Friedrich Merz sprach sich am Wochenende in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) dafür aus, den Renteneintritt zu flexibilisieren und die Regelaltersgrenze an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. Auch wenn er in dem Interview selbst keine Details nannte, gibt ein interner Entwurf für ein CDU-Grundsatzprogramm Aufschluss darüber, wo die Reise hingehen soll. Darin wird festgelegt, wie die Regelaltersrente steigen soll, nachdem sie bis 2031 ohnehin auf 67 Jahre angehoben wird. „Konkret erhöht sich dann […] die Regelaltersgrenze um vier Monate für jedes gewonnene Lebensjahr“, heißt es in dem Papier.
Doch ob dies tatsächlich die Rentenversicherung wirksam entlasten würde, darf zumindest bezweifelt werden. Denn der Lebenserwartung sind natürliche Grenzen gesetzt. Laut Berechnungen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) ist demnach die Lebenserwartung der Deutschen auch 2022 gesunken, bereits das dritte Jahr in Folge. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie 2019 hat sich sich um mehr als ein halbes Jahr verringert. Bei Männern fiel sie von 78,7 auf 78,1 Jahre, bei Frauen von 83,5 auf 82,8. Hierbei ist natürlich die höhere Sterblichkeit infolge der Pandemie zu berücksichtigen.
In Sachsen-Anhalt und Saarland sank die Lebenserwartung besonders stark
Beim Blick auf die einzelnen Bundesländer zeigen sich allerdings große regionale Unterschiede. So konnten einige Länder, die in den ersten beiden Pandemiejahren sehr hohe Verluste zu verzeichnen hatten, im Jahr 2022 wieder etwas aufholen. Bei den Männern lag die Lebenserwartung im Saarland und in Sachsen-Anhalt im Jahr 2022 um mehr als ein Jahr unter dem Wert von 2019. Auch bei den Frauen sticht Sachsen-Anhalt hervor - hier liegt die Lebenserwartung heute deutlich bzw. knapp ein Jahr unter dem Wert von 2019.
Vergleichsweise günstig entwickelte sich die Situation hingegen bei den Männern in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Sachsen, wo die Lebenserwartung nur maximal ein halbes Jahr unter dem Vorpandemiewert lag. Bei den Frauen ist dies in Baden-Württemberg und Sachsen der Fall.
Auffällig ist, dass insbesondere die Lebenserwartung der Männer zwischen Ost- und Westdeutschland stark auseinanderklafft. Während westdeutsche Männer im Jahr 2022 eine Lebenserwartung von 78,32 Jahren haben, sind es im Osten nur 77,10 Jahre. Bei den Frauen zeigt sich ein etwas anderes Bild: Hier haben ostdeutsche Frauen mit 82,88 Jahren eine etwas höhere Lebenserwartung als westdeutsche mit 82,82 Jahren.
Die während der Pandemie gewachsenen Unterschiede zwischen west- und ostdeutschen Bundesländern haben sich allerdings wieder etwas angeglichen, berichtet das BIB. Die Lebenserwartung fiel 2021 gerade in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg deutlich unter das Vorpandemieniveau. 2022 konnten diese vier Bundesländer besonders bei den Männern hingegen wieder deutliche Anstiege in der Lebenserwartung verzeichnen. Dies gilt vor allem für Sachsen, das in den ersten beiden Pandemiejahren von markanten Rückgängen betroffen war.
Anders in Westdeutschland. Hier ist die Lebenserwartung am stärksten zwischen 2021 und 2022 gesunken, was die Bevölkerungsforscher auf die massive Ausbreitung der Pandemie zurückführen. Doch nicht nur Corona trug zur sinkenden Lebenserwartung bei. Auch von der Grippewelle am Ende des Jahres 2022 waren alle Regionen betroffen: „Diese starke Grippewelle trug erheblich zum Rückgang der Lebenserwartung im Jahr 2022 bei“, sagt Pavel Grigoriev, Leiter der Forschungsgruppe Mortalität am BiB.