Quo Vadis Gewerbeimmobilien?

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Der Immobilienmarkt ist in großer Bewegung, und nicht wenige Investoren haben Sorgen vor einer dauerhaften Abwärtsbewegung und sogar konjunktureller Konsequenzen. Daher stellt sich die Frage: Was bedeuten die Abwertungen bei Gewerbeimmobilien für Anleiheninvestments? Diese Frage beantwortet Vladislav Krivenkov, Portfoliomanager beim Anleihen- und Derivatespezialisten nordIX AG.

Nach vielen Jahren, in denen der Immobilienmarkt nur den Weg nach oben kannte, hat sich die Preisentwicklung zuletzt etwas beruhigt. Das hat mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und den steigenden Zinsen zu tun. Nach vielen Jahren von regelmäßigen Bewertungsgewinnen kommt es in Folge der Zinswende zu Bewertungsabschlägen bei Immobilien-Portfolien. Das hängt unter anderem mit der gestiegenen Attraktivität von Alternativ-Investitionen zusammen wie europäische Staatsanleihen, welche aktuell im Schnitt eine jährliche Rendite von rund 3,2 Prozent aufweisen. In dem Zusammenhang sind die Kaufpreis-Multiples sind gefallen. Die gestiegenen Mieten konnten die Abwertung bei Verkehrswerten nicht kompensieren.

Zugleich prognostizieren Experten bereits einen Wiederaufschwung und langfristige Wertsteigerungen. Aber ist es wirklich so einfach? Denn derzeit richten sich mehr und mehr Augen in den fernen Osten: Chinas Immobilienmarkt befindet sich in einer tiefen Krise, und diese wiederum verstärkt die Sorgen um die wirtschaftliche Erholung der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Evergrande, einer der größten Bauentwickler Chinas, hat in den USA Gläubigerschutz beantragt, und auch der führende Immobilienentwickler Country Garden steckt tief in der Krise. Country Garden hat bereits vor Milliardenverlusten und Zahlungsausfällen bei seinen Unternehmensanleihen gewarnt.

Quelle: nordIX AGVon einem Crash zu sprechen wäre übertrieben

Daher stellt sich die Frage: Was bedeuten die Abwertungen bei Gewerbeimmobilien für Anleiheninvestments? Wichtig dabei ist, nicht alles in einem Topf zu werfen. Der Marktfür Gewerbeimmobilien umfasst Hotel-, Office-, Retail-, Logistik-, Daten-Center-Immobilien, aber auch medizinische Versorgungszentren und Studentenapartments. Dabei gibt es große Unterschiede. Während Hotels in Folge von starkem Tourismus gut ausgelastet sind, haben es die Vermieter beispielsweise Online-Shopping bedrohten Geschäftsmodellen wie Kleidungsretailer schwieriger. Es wäre aber übertrieben, bei der bisherigen Bewertungsentwicklung wäre es übertrieben von einem Crash zu sprechen. Die aufgebauten Bewertungsgewinne der vergangenen Jahre, werden aktuell wieder etwas abgegeben, aber die Finanzierungen der Immobilien-Bestände waren in der Vergangenheit konservativ. So weist beispielsweise der Logistik-Immobilien-Verwalter Prologis auch nach der Abwertung der Immobilien-Bestände ein Loan to Value (LTV) von rund 26 Prozent aus. Vereinfacht gesagt steht der Begriff Loan to Value für das Verhältnis des Kreditbetrags zum Verkehrs- oder Marktwert einer Immobilie. Er gibt also an, wie viel Kredit man gemessen am Wert des Objekts erhält.

Ausgewählte Immobilienunternehmen verfügen teilweise über hohe Eigenkapitalpuffer

Das bedeutet: Auch wenn eine Sorge vor Kreditklemme und verwehrter Refinanzierung sowie die Angst vor Mietausfällen beziehungsweise steigenden Leerstandsquoten und Sektor-Unsicherheit in Folge von negativen Nachrichten bestehen, müssen Anleiheninvestoren bei Gewerbeimmobilien nicht in Panik verfallen. Ausufernde Leerstandsquoten können beispielsweise beim französischen Immobilien-Konzern Gecina nicht beobachtet werden. Per Juni 2023 liegt die Leerstandsquote im Office-Segment mit 6,9 Prozent moderat höher als 2019, als sie bei 5,6 Prozent lag. Und nach einer langen Phase immer stetig wehrender Bewertungsaufschläge, kommt es zu moderaten Bewertungsabschreibungen. Aber ausgewählte Immobilienunternehmen verfügen teilweise über hohe Eigenkapitalpuffer, und durch konservative Finanzierungsbedingungen sind insbesondere im Logistik-Segment die Loan to Value-Quoten gering. Auch die Rating-Agenturen bestätigen trotz konservativ geschätzter Modellparameter zum Beispiel die Bonitätsbewertungen von Immobilien-Bestandsverwaltern wie Aroundtown SA (Investment Grade Rating bestätigt Ende Juni 2023) und des Hotel- und Büro-Immobilienverwalters Convivio (Investment Grade Rating bestätigt im Mai 2023).

Trotz allem ist die Kreditprüfung von Immobilien-Unternehmen erfolgskritisch. Neben dem klassischen Makler-Motto „Lage, Lage, Lage“ spielt auch die Energieeffizienz von Gebäuden eine immer größere Rolle. Es existieren viele Segmente mit unterschiedlichen Entwicklungen und finanziellen Puffern. Attraktiv sind Anleiherenditen bei soliden europäischen Immobilien-Unternehmen von 4,5 bis sechs Prozent jährlich. Diese Werte können somit einen schönen Performance-Beitrag für Anleihefonds und Anleihedepots leisten. Zumal sich auch der Kapitalmarkt vorsichtig optimistisch zeigt. Nach den Verwerfungen 2022 insbesondere im Schlussquartal normalisieren sich die Anleihenpreise von soliden Immobilienunternehmen. Selbst bei „heißen“ Emittenten wie dem französischen Shopping-Center-Betreiber Unibail-Rodamco-Westfield hat sich die Ausfallwahrscheinlichkeit im Vergleich im vierten Quartal 2022 halbiert und wird aktuell auf Zweijahressicht auf rund drei Prozent gepreist.

Während Anleger Projektentwickler meiden sollten, können hingegen Betreiber und Verwalter deutscher Residential-Immobilien und Unternehmen mit solidem Corporate Governance-Track-Record attraktiv sind. Dabei ist auf Anleihen mit Investment Grade-Rating zu achten, um überdurchschnittlichen Risiken zu umgehen.