Der Lebensversicherer Viridium steht laut einem Medienbericht vor dem Verkauf. Demnach habe der Eigentümer Cinven Investmentbanken damit beauftragt, nach einem Käufer zu suchen. Viridium hat sich darauf spezialisiert, alte Lebensversicherungs-Verträge abzuwickeln: Neugeschäft schreibt der Run-off-Versicherer nicht.
Der britische Finanzinvestor Cinven soll mehrere Banken damit beauftragt haben, einen Käufer für den Lebensversicherer Viridium zu suchen. Das berichtet am Mittwoch die Nachrichtenagentur Reuters und beruft sich auf drei mit dem Vorgang vertraute Personen. Bei den Banken handele es sich um Goldman Sachs und Fenchurch: ein Finanzdienstleister, der sich auf Fusionen und Übernahmen spezialisiert hat, das sogenannte Mergers and Acquisitions (M&A)-Geschäft. Keiner der angeblich Beteiligten wollte den Bericht bestätigen.
Viridium: Leben-Geschäft ohne Neugeschäft
Die Viridium Gruppe ist derzeit der größte Bestandsabwickler von Lebensversicherungen in Deutschland. Das Geschäftsmodell basiert darauf, Bestände anderer Lebensversicherer zu übernehmen und diese abzuwickeln: Neugeschäft zeichnet das Unternehmen mit Sitz in Leverkusen und Neu-Isenburg nicht. Ein solches Geschäftsmodell kann lukrativ sein, wenn die Versicherer die Verträge effizienter verwalten als die Anbieter, von denen die Verträge übernommen werden: zum Beispiel durch weniger komplexe Strukturen und moderne und skalierbare IT-Plattformen.
Viridium wurde im Frühjahr 2014 vom britischen Finanzinvestor Cinven und der Hannover Rück gegründet, um die damaligen Bestände der Heidelberger Leben und der Skandia Leben zu übernehmen. Die Heidelberger Leben hielt damals rund 600.000 Verträge vornehmlich von Akademikern, war aber wegen hoher Produktkosten und einer schlechten Wertentwicklung der gehaltenen Fonds in Schieflage geraten. 2017 kamen die Bestände der Mannheimer Lebensversicherungs-AG hinzu. Als Viridium schließlich im Jahr 2019 Altbestände der Generali Leben übernahm, wuchs der Versicherer zum unangefochtenen Branchenführer im Run-off-Geschäft. Aktuell betreut der Versicherer 3,6 Millionen Verträge mit einem verwalteten Vermögen von 65 Milliarden Euro.
Viridium-Eigentümer Cinven hat Ärger mit Versicherungsaufsicht
“Reuters“ bringt die aktuellen Verkaufspläne in Zusammenhang mit dem jüngsten Skandal, in den Cinven verwickelt ist. Dem britischen Investor gehört auch der italienische Lebensversicherer Eurovita, der rund 350.000 Kundinnen und Kunden betreut. Obwohl eher ein kleiner Anbieter, war Eurovita im vergangenen Jahr massiv in Schieflage geraten. Auch wegen hausgemachter Probleme: Investiert hatten die Italiener stark in deutsche und französische Anleihen, die infolge der Zinswende 2022 an Wert verloren. Der Wertverlust ist zwar nur vorübergehend, weil die Papiere einen festen Endwert haben: Aber die Italiener mussten massiv Tafelsilber verscherbeln, um sich frisches Kapital zu beschaffen, und die gehaltenen Anlagen unter Wert verkaufen. Eine Kündigungswelle war die Folge.
Als Cinven durch die italienische Versicherungsaufsicht IVASS aufgefordert wurde, frisches Kapital an die wankende Unternehmenstochter zu geben, stellten sich die Briten zunächst quer. Statt der geforderten 400 Millionen Euro flossen nur 100 Millionen an die Italiener. Mit bitteren Konsequenzen: Weil der Versicherer seinen laufenden Verpflichtungen nicht nachkommen konnte, wurden im Februar 2023 alle Guthaben eingefroren. Die Kundinnen und Kunden bekommen ihre privaten Renten derzeit nicht ausgezahlt. Immerhin hat sich Cinven laut Medienberichten Ende September bereiterklärt, Eurovita-Anleihen mit einem Volumen von 160 Millionen Euro zurückzukaufen, damit der Lebensversicherer geordnet rückabgewickelt werden kann.
Der Vorfall könnte auch die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zum Umdenken bewogen haben: und für Viridium ein wichtiges Geschäft gefährden. Bislang hat die Aufsichtsbehörde Run-off-Übernahmen auf dem deutschen Markt immer durchgewunken. Derzeit prüft die BaFin, ob Viridium gut 700.000 Leben-Verträge von der Zurich Deutscher Herold übernehmen darf: Es geht um ein Milliardenvolumen. Die Übernahme würde auch den Wert von Viridium massiv steigern. Doch nun berichtet Reuters aus Insider-Kreisen, dass die BaFin tendenziell den Deal ablehnt: eben wegen der Vorfälle in Italien. Run-off-Gesellschaften müssen sich einem strengen Inhaberkontrollverfahren stellen, bevor sie Bestände übernehmen dürfen. Die BaFin prüft auch, ob die Interessen der Kundinnen und Kunden gewahrt bleiben. Hier gibt es Zweifel, nachdem das Vorgehen von Cinven dazu beigetragen hat, dass Italienerinnen und Italiener nicht mehr an ihre Altersvorsorge kommen.
Angesichts dieser verzwickten Situation dürfte ein offizieller Verkaufsprozess erst im kommenden Jahr beginnen, spekuliert Reuters: eben dann, wenn klar ist, ob der Käufer auch die Zurich-Verträge angeboten bekommt und sich das verwaltete Portfolio entsprechend erhöht hat. Als mögliche Käufer kämen dem Medienbericht zufolge andere Run-off-Versicherer wie Athora in Frage: und Finanzinvestoren, die den Wert von Viridium weiter steigern und entsprechende Renditen erzielen wollen.