Personalisiertes Servicedesign sorgt für Differenzierung, für Individualisierung, für Aufpreisbereitschaft - und fürs Weiterempfehlen, meint Anne M. Schüller. Wie man vorgehen kann, um erfolgreich ein solches Servicedesign zu etablieren, stellt sie im Gastbeitrag vor.
Menschen kaufen keine Produkte, sondern Problemlösungen - und gute Gefühle. Was demnach zu ergründen ist? Der eigentliche Sinn und Zweck eines Angebots für die Kunden. Zum Beispiel: Niemand interessiert sich für die Zusammensetzung eines Parfums, aber wir wollen alle gut riechen. Solche Erkenntnisse können aber nur dann gelingen, wenn man sich von der Anbieter- auf die Nachfrageseite begibt.
Aus dem Blickwinkel der anvisierten Zielpersonen wird betrachtet, welche „Customer Experiences“, also Erfahrungen und Erlebnisse die Anbieterleistungen an jedem Touchpoint bieten können und sollen. So wird das Produkt zu einem Dienst am Kunden. Aus Herstellern werden herstellende Dienstleister, die, weit weg von den branchenüblichen 08/15-Standards, ihr Servicedesign wie maßgeschneidert entwerfen. Dabei geht man in drei Richtungen vor:
1. Tool: Pre-Sales-Service: Statt mit banaler Eigenwerbung zu nerven, wird nutzwertiger Content offeriert. Er beinhaltet wertvolle Informationen, die Interessenten dabei unterstützen, eine bessere Kaufentscheidung zu treffen. Überlegen Sie also gemeinsam: Was könnte das sein? Was ist hilfreich - und Kompetenzbeweis? In einem Fall bekam der junge Einkaufsleiter, der erstmals eine Ausschreibung organisieren musste, ein hilfreiches E-Book mit dem Titel: 10 Punkte, die bei einer Ausschreibung zu beachten sind. Und der Geschäftsführer, die graue Eminenz, die nie mit am Verhandlungstisch sitzt, erhielt einen hochwertigen Anwenderbericht mit Wirtschaftlichkeitsdaten. Beides konnte überzeugen – und führte zum Kauf.
2. Tool: On-Sales-Service: Rund um den Kauf gilt es, den Kunden alles so einfach wie möglich zu machen. Diejenigen, die den Käufern altertümliche, umständliche und beschwerliche Verfahrensweisen aufbürden, werden vom Markt verschwinden. Auch die, die unsere wertvolle Zeit verplempern, weil sie zu langsam agieren, fallen durchs Rost. Was kompliziert ist, scheidet genauso aus wie alles, was Probleme macht. Die Geduld ist schnell zu Ende, wenn was nicht gleich reibungslos klappt. Außerdem gilt es, der Kaufreue entgegenzuwirken. Das sind kleine, unterschwellige Zweifel, ob eine Entscheidung die Richtige war. So hinterlässt ein Möbelhändler nach der Küchen-Montage eine „Naschlade“. In einer Schublade werden leckere Süßigkeiten versteckt. Man stelle sich das Hallo bei der Entdeckung vor, wenn die Familie Kinder hat.
3. Tool: After-Sales-Service: Hier sorgt eine herausragende, höchstmöglich individualisierte Bestandskundenrundumbetreuung dafür, dass die Nutzungserfahrung zu Wiederkauf und Weitersagen führt. Nachhaltigkeitsmaßnahmen und digitale Unterstützung sind dabei höchst willkommen. Am besten sorgen Anbieter proaktiv dafür, dass Probleme erst gar nicht entstehen. Es geht also nicht um Störungsbeseitigung im Fall des Falles, sondern um Störungsvermeidung. Predictive Maintenance, die Wartung, bevor etwas kaputtgeht, ist eines der Einsatzgebiete. Dies erfolgt, sehr zur Freude der Kunden, zunehmend remote, ohne also überhaupt vor Ort sein zu müssen.
Mit klugen Fragen zu neuen Serviceideen
Um schnell an gute neue Service-Ideen zu gelangen, helfen die „Magic3“. Stellen Sie eine der drei folgenden Fragen mindestens drei Kollegen, die im Unternehmen als kreative Weiterdenker und engagierte Übermorgengestalter gelten:
4. Tool: Die Sternenstaubfrage: Was sind die drei verrücktesten / emotionalsten / kühnsten Serviceideen, mit denen wir unsere Kunden begeistern könnten?
5. Tool: Die Trüffelschweinfrage: Welches sind die drei innovativsten Initiativen, die wir zwecks besserem Service schnellstmöglich einführen sollten?
6. Tool: Die Killerfrage: Wenn es einen Sensemann gäbe, welches wären, im Sinne unserer Kunden, die drei nervigsten Dinge, die er dahinraffen sollte?
Danach entscheiden Sie sich rasch für je eine der vorgeschlagenen Maßnahmen und setzen diese testweise in den nächsten drei Wochen um. „Liquid Expectations“ ist dabei ein wichtiges Schlagwort. Es bedeutet: Nicht der Servicelevel, der in einer Branche als üblich gilt, sondern der beste Service, den ein Kunde je erlebt hat, wird seine zukünftige Messlatte sein. Das „Über-den-Branchentellerrand-schauen“ ist also entscheidend.
Optimieren mit Hilfe der Starfish-Matrix
Nach einer Studie von Cap Gemini glauben 80 Prozent aller Manager, in punkto Kundenzentrierung gut dazustehen - doch nur 15 Prozent der Kunden stimmen dem zu. Oft hapert es schon bei den Basics. In hervorragenden Unternehmen hingegen liefert jeder einzelne Mitarbeitende dem Kunden an allen Touchpoints die beste Erfahrung über die gesamte Customer Journey hinweg. Der Kunde betrachtet eine Firma immer als Ganzheit. Ihm ist es schlichtweg egal, was hinter den Kulissen passiert und wer wofür zuständig ist. Abteilungsgrenzen und Abstimmungsprobleme interessieren ihn nicht.
Betrachtet man eine Customer Journey konsequent aus dem Blickwinkel der Kunden, dann wird sehr schnell deutlich, welche Interaktionspunkte aus deren Sicht fehlen, welche hochrelevant und welche völlig irrelevant sind. Hat man die Touchpoints in eine kundenlogische Abfolge gebracht, lässt sich deren Zusammenspiel optimieren und unternehmensweit kundenfreundlicher gestalten. Zum Start fängt man am besten dort an, wo sich schnell was bewegen lässt. Nutzen Sie dazu das Tool Nummer sieben:
7. Tool: Die Starfish-Matrix. Zeichnen Sie - am besten im Rahmen eines kleinen Workshops - einen Kreis mit fünf wie folgt beschrifteten Feldern an eine Pinnwand:
- Keep: Was sollten wir beibehalten, weil es gut funktioniert?
- More: Was sollten wir verstärken oder künftig verbessern?
- Start: Was sollten wir beginnen, neu oder anders machen?
- Stop: Wovon sollten wir uns trennen, weil es ineffizient ist?
- Less: Was sollten wir verringern, verkürzen oder weniger tun?
Jeder Teilnehmende füllt still zunächst Post-its zu den Punkten aus, die er anbringen will. Nach einer vorgegebenen Zeit klebt jeder seine Zettel an die entsprechende Stelle. Auch online gibt es dafür entsprechende Tools. Sind alle fertig, werden die einzelnen Punkte besprochen. Hiernach wird optimiert. Dabei kann jeweils zu zweit gearbeitet werden. Jedes Tandem sucht sich einen Zettel aus und macht sich an die Verbesserung.
Das neue Buch der Autorin
Anne M. Schüller: Bahn frei für Übermorgengestalter
Gabal Verlag 2022, 216 S., 24,90 €, ISBN 978-3967390933
Das Buch zeigt 25 rasch umsetzbare Initiativen und weit über 100 Aktionsbeispiele, um zu einem Überflieger der Wirtschaft zu werden. Kompakt und sehr unterhaltsam veranschaulicht es jedem, der helfen will, eine bessere Zukunft zu gestalten, die maßgeblichen Vorgehensweisen in drei Bereichen: Wie machen wir die Menschen stärker, das Zusammenarbeiten besser und die Innovationskraft im Unternehmen größer.
Die Autorin
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenzentrierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Tagungen, Fachkongressen und Online-Events. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Beim Business-Netzwerk Linkedin wurde sie Top-Voice 2017 und 2018. Von Xing wurde sie zum Spitzenwriter 2018 und zum Top Mind 2020 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager aus. Kontakt: www.anneschueller.de