Hart umkämpfte Nachwuchstalente – K.o. für die Versicherungsbranche?

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Wie steht es um den Nachwuchs in der Versicherungsbranche? Und wie können junge Nachwuchstalente gewonnen werden? Darüber spricht der Leiter dezentraler Vertrieb der LV 1871 Frank Leitgeb „im Schlagabtausch“ mit der früheren Boxweltmeisterin Regina Halmich. Halmich ist heute selbstständige Unternehmerin und wirkt zudem als LV 1871 Financial Freedom Botschafterin.

Versicherungsbote: Das Thema „Versicherungen“ wirkt auf den ersten Blick recht angestaubt. Wie sieht es in der Branche für den Nachwuchs aus?

Frank Leitgeb: Die Versicherungsbranche hält ein breites Spektrum an Berufen für Berufseinsteiger bereit. Doch viele junge Leute haben dieses "Büro-Krawatten-Bild" im Kopf und denken, da geht es nur um langweilige Verträge und Formulare. Die Realität bei uns ist aber viel bunter! Es geht um Datenanalyse, Technologie, Kreativität – Dinge, die junge Köpfe eigentlich anziehen sollten. Trotzdem gelingt es oft noch nicht wirklich, den jungen Menschen ein modernes Bild der Branche zu zeichnen. Deshalb hat die ganze Branche mit einem Nachwuchsproblem zu kämpfen. Ziel sollte es sein, eine neue Wahrnehmung zu unserem vielfältigen Berufsangebot zu schaffen und dieses abseits der tradierten Berufe auch mit Hilfe von sozialen Medien wirksam zu kommunizieren.

Regina Halmich: Absicherungs- und Finanzthemen wirken im ersten Moment eher unsexy, das färbt auf die Berufe ab, die damit in Verbindung stehen. Jüngere Menschen erreicht man heutzutage auch ganz anders als noch vor einigen Jahren – Social Media muss immer mitgedacht werden. Denn in Versicherungshäusern geht es um viel mehr als ums Verkaufen von Versicherungen: Es geht darum, Altersarmut zu verhindern und die Weichen für finanzielle Unabhängigkeit zu stellen – also einen echten Mehrwert für die Gesellschaft zu schaffen und mitzugestalten.

Lassen Sie uns noch einmal genauer auf den Berufseinstieg in der Versicherungsbranche eingehen. Was macht Versicherer attraktiv für Nachwuchstalente?


Regina Halmich: Ich arbeite nun im zweiten Jahr mit der LV 1871 zusammen und bin immer wieder überrascht, wie viele unterschiedliche Jobs und Rollen es bei einem Versicherer gibt. Und ich kann auch wirklich guten Gewissens sagen, dass ich in unserer Kooperation die Menschen hier als sehr engagiert und sympathisch und die Zusammenarbeit als sehr partnerschaftlich und zielgerichtet wahrnehme.

Frank Leitgeb: Richtig. Und da es den Versicherern an Nachwuchstalenten fehlt, sind die Chancen auf eine zukunftsträchtige und erfolgsversprechende Karriere groß. Mittlerweile ist es auch weit verbreitet, ein Traineeship zu absolvieren – auch ich bin so ins Berufsleben gestartet und hätte mir keinen besseren Einstieg vorstellen können. Junge Menschen haben so die Gelegenheit, in die verschiedensten Bereiche Einblicke zu erhalten und anschließend filtern zu können, was sie interessiert. Ich habe irgendwann festgestellt, dass es der Vertrieb ist, der mich am meisten begeistert.

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Warum ist gerade der Vertrieb so interessant?

Frank Leitgeb: Natürlich gibt es da die klassischen Argumente für eine Karriere im Vertrieb: Man hat viel mit Menschen zu tun, man kommt viel rum und die Aufstiegschancen sowie die Verdienstmöglichkeiten machen den Bereich interessant. Der Weg führt hier aber ganz klar weg vom klassischen Produktverkauf. Mit modernen Kommunikationswegen gelingt der Aufbau einer Personenmarke und Social Selling. Man muss sich immer wieder fragen: Wie bekomme ich Menschen für das Thema interessiert? Das macht den Vertrieb in den Versicherungshäusern so vielschichtig und lässt mehr Interpretationsspielraum für die berufliche Entwicklung.

Regina Halmich: Hinzu kommt der soziale Aspekt. Vertriebler und Vertrieblerinnen helfen der Gesellschaft, Vermögen aufzubauen und sich finanziell abzusichern. In solchen Berufen kann man mitgestalten und etwas für die Zukunft tun. Ein gesellschaftspolitisch wichtiger und sinnstiftender Job also, in dem es darum geht, gesellschaftliche Probleme der heutigen Zeit für die Zukunft zu lösen. Dazu braucht es junge Leute mit kreativen Ideen.

„Mach, was du tust, mit Herzblut oder lass es sein“

Welche Rolle spielt die Digitalisierung für Jungmakler? Warum machen junge Makler im Vertrieb den Unterschied und wie schaut der Job eines Nachwuchsmaklers heute aus?

Frank Leitgeb: Die Erwartungshaltung der Menschen auf Kundenseite ändert sich. Die Menschen müssen sich angesprochen fühlen vom Angebot der Versicherer – das kann über Expertise oder auf die Zielgruppe zugeschnittene Produkte geschehen. Durch die Digitalisierung ist es für Jungmakler einfacher geworden, „groß“ zu denken und ihr Unternehmen gleichzeitig beherrschbar zu halten. War die Arbeit früher an ein Gebiet nach Postleitzahl gekoppelt, gestalten sich Workflows heutzutage einfacher und kosteneffizienter – es braucht nur wenig Personal und kein festes Backoffice mehr. Die Automatisierung von Prozessen erleichtert die Betriebsorganisation und die digitale Beratung.

Regina Halmich: Als One-Man- oder One-Woman-Show kann man ein Business stemmen. Das kann ich als selbstständige Unternehmerin unterschreiben. Die Digitalisierung und somit Soziale Medien und andere digitale Tools helfen bei der eigenen Positionierung. Gut gestalteter „snackable“ Content kann als Verkaufstool und innovative Wissensvermittlung dienen. Community Management ist eine Möglichkeit, in die Zielgruppen hineinzuhorchen. Solche Tools steigern ohne großen Aufwand das eigene Business-Wachstum.

Auf welche Herausforderungen trifft der Nachwuchs? Wo gibt es noch Nachholbedarf in der Branche?

Frank Leitgeb: Die Versicherungsbranche hat ein Strukturproblem. Die historisch gewachsenen, hierarchischen Strukturen passen nicht zu den veränderten Bedürfnissen der jungen Menschen. Herausforderungen der Gegenwart mit Strukturen von gestern zu beantworten, gelingt nicht. Es ist jedoch schwer, Strukturen zu hinterfragen und Widerstände zu durchbrechen. Die Person mit dem größten Erfahrungslevel bestimmt bei Versicherungshäusern häufig, wo es lang geht. Doch für einen echten Wandel ist es essenziell, den Themen und Impulsen junger Leute Raum zu geben.

Regina Halmich: Junge Menschen wollen mehr als viel Geld verdienen und Karriere machen. Unabhängig von der Erfahrung und der Karrierestufe, die sie mitbringen, wollen sie sich wertgeschätzt fühlen und einen echten Impact leisten. Speziell in dieser Phase des Lebens sind Mentoren wichtig – gute Coaches, die Wege und eine berufliche Strategie aufzeigen.

Frank Leitgeb: Die Ideen und Vorstellungen der Nachwuchstalente sind der Versicherungsbranche weit voraus. Ein Grund könnte sein, dass der Kundendruck für die Digitalisierung in anderen Branchen deutlich höher ist. Deshalb prallen junge Menschen oft auf eine alte Strukturwelt und steile Hierarchien. Versicherungshäuser sollten sich die Neugier auf die Zukunft als DNA erarbeiten und keine Angst vor Veränderung haben.

Wie sieht dann der Vertrieb der Zukunft aus? Wie funktioniert das Zusammenspiel Makler – Versicherer?

Frank Leitgeb: Die Bedürfnisse von Vermittlern sind so heterogen wie nie zuvor. Denn die geschäftliche Beziehung zwischen Kunden und Vermittlern unterliegt neuen Dynamiken. Klare Antworten und schnelle Prozesse werden vorausgesetzt, denn es fehlt die Zeit für lange Abstimmungsschleifen. Wir möchten Maklerinnen und Maklern als Partner zuverlässig und flexibel zur Seite stehen: Wir nehmen ihre Bedürfnisse ernst, sind schnell und zuverlässig erreichbar, haben fachlich kompetente Antworten und können Sicherheit geben. Um unseren zukünftigen Vertrieb so aufzubauen, brauchen wir Nachwuchstalente mit viel Eigeninitiative und Innovationsdrang.

Welchen Rat würde Sie Ihrem jüngeren Ich mit auf den Weg geben?

Regina Halmich: Berufliche Erfolge fallen einem nicht in den Schoß. Wer Einsatz zeigt, wird dafür belohnt – auch wenn es Situationen im Leben gibt, die erst über Umwege ans Ziel führen. Zum Erfolg im Boxen wie im eigenen Leben braucht es mentale Stärke, Durchhaltevermögen und ein gesundes Selbstbewusstsein. Meinem jüngeren Ich würde ich deshalb sagen: Weiter so, halte durch – es lohnt sich!

Frank Leitgeb: Ich schließe mich dem an und ergänze: Mach das, was du tust, mit Herzblut und Überzeugung oder lass es sein. Sei mutig, kreativ und trau dich, für deine Ideen einzustehen. Wenn das Umfeld das nicht zulässt, ist es nicht das richtige für die eigene Entwicklung. Ziel sollte es für uns sein, nicht um den Nachwuchs kämpfen zu müssen, sondern von jungen Talenten als solch ein Umfeld mit Raum für Weiterentwicklung und Karrierechancen wahrgenommen zu werden.

Hintergrund: Der Text erschien zuerst im neuen kostenfreien Versicherungsbote Fachmagazin 02-2023. Das Magazin kann auf der Webseite beim Versicherungsbote bestellt werden.