Kündigungen des freien Handelsvertreters durch die Gesellschaft landen oft Gericht. In der Regel geht es dabei um den Umgang mit dem Handelsvertreterausgleich.
Kommt es zwischen Handelsvertretern und ihren Gesellschaften zum Streit, geht es in den allermeisten Fällen ums Geld. In der Regel wird über den sogenannten Handelsvertreterausgleich und Provisionszahlungen diskutiert. Gehen diese Streitigkeiten ungünstig aus, kann das für den Handelsvertreter richtig teuer werden und sogar die Existenz gefährden. Unter dem Handelsvertreterausgleich versteht man die Vergütung, die zum Ende des Vertragsverhältnisses zwischen Handelsvertreter und einem Unternehmen gezahlt wird, um die Vorteile auszugleichen, die der Handelsvertreter dem Unternehmen eingebracht hat. Der Handelsvertreterausgleich ist bekanntlich im Handelsgesetzbuch in § 89 b geregelt und regelmäßig Gegenstand von arbeitsrechtlichen Verfahren.
Dr. Tim Banerjee, Rechtsanwalt und Partner von Banerjee & Kollegen, der Kanzlei für Finanzdienstleistungsrecht aus Mönchengladbach, führt solche Verfahren regelmäßig und beobachtet: „Es kommt immer wieder zu Streitigkeiten zwischen freien Handelsvertretern und deren Gesellschaften, die vor Gericht landen. In der Regel geht es dabei ums Geld, und das zumeist im Kontext der Kündigung des freien Handelsvertreters.“ Das sei besonders häufig dann der Fall, wenn die Gesellschaft den Vertrag mit dem freien Handelsvertreter (fristlos) kündige. Dann versuchten Gesellschaften häufig, den Handelsvertreterausgleich zu versagen.
„Das müssen freie Handelsvertreter aber nicht hinnehmen“, betont Dr. Tim Banerjee und verweist auf einen Beschluss, mit dem sich das Oberlandesgericht Köln (01.03.2021, Az.: 19 U 148/20) deutlich auf Seiten freier Handelsvertreter bei Streitigkeiten über den Handelsvertreterausgleich nach fristloser Kündigung positioniert und einiges zu den Rechten des Handelsvertreters in dieser Situation klargestellt hat. Dr. Tim Banerjee hatte das Verfahren für den klagenden Insolvenzverwalter geführt.
Der Kläger war wegen Steuerhinterziehung zu 180 Tagessätzen verurteilt worden. Daraufhin hatte seine Auftraggeberin, eine Versicherung, ihn fristlos gekündigt und wollte den Ausgleich nach 14 Jahren Tätigkeit nicht zahlen. Die fristlose Kündigung haben sowohl das Landgericht Köln in erster Instanz (Az.: 89 O 21/20) als auch das Berufungsgericht bejaht. Streitig blieb aber das Urteil des Landgerichts, dass keine Gründe dafür vorlagen, die zum Entfall des Ausgleiches führen konnten. Daher wurde die Versicherungsgesellschaft verurteilt, diese in einer sechsstelligen Höhe zu zahlen. Das Oberlandesgericht hat diese Entscheidung bestätigt. Insbesondere wenn eine Vorstrafe oder ein sonstiges Handeln nichts mit dem Vertragsverhältnis zu tun haben, darf es nicht zum Entfall des Ausgleiches kommen.
„Das Oberlandesgericht Köln verweist in seiner Urteilsbegründung deutlich darauf, dass die Versagung des Handelsvertreterausgleichs voraussetzt, dass das Unternehmen das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Versicherungsvertreters vorlag. Die Gründe müssten derart schwerwiegend sein, dass die Fortsetzung des Handelsvertretervertrages bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Vertrags nicht zugemutet werden könne. Es gilt im Rahmen einer Interessenabwägung ebenso festzustellen, ob die Fortsetzung des Handelsvertreterverhältnisses für die Gesellschaft wirklich unzumutbar sei. Dabei sei das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu berücksichtigen“, fasst Dr. Tim Banerjee den Beschluss zusammen.
Er stellt klar, dass für jede außerordentliche Kündigung ein wichtiger Grund erforderlich sei. Dieser liege vor, wenn der Gesellschaft unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zur vereinbarten Vertragsbeendigung oder bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden könne. Außerdem muss der außerordentlichen Kündigung eine Abmahnung vorausgehen. Nur ausnahmsweise könne sie entfallen. Auf diese arbeitsrechtlichen Vorschriftlichen sollten Handelsvertreter genau achten.
„Das Urteil des Oberlandesgerichts Köln und die abgelehnte Berufung durch die Versicherungsgesellschaft sind hochrelevant für Streitigkeiten über den Entfall des Ausgleichsanspruches. Das Oberlandesgericht Köln hat erstmalig klarstellt, dass die Kündigungsgründe das Vertragsverhältnis betreffen müssen und nicht etwa in der Privatsphäre oder Lebensführung des Handelsvertreters liegen sollen, um einen Entfall des Ausgleichsanspruches zu rechtfertigen. Die Chancen für Handelsvertreter, auch bei einer fristlosen Kündigung durch den Auftraggeber den Handelsvertreterausgleich zu erhalten, sind also regelmäßig sehr groß“, kommentiert Dr. Tim Banerjee.