„Die Bürgerversicherung wäre das Schlechteste für alle“, sagt Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse, in einem Interview. Darin spricht sich der Funktionär dafür aus, das duale System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung zu hinterfragen. Die wichtigsten Aussagen zusammengefasst.
Die Bürgerversicherung, die seit Jahren von SPD, Grünen und Links-Partei gefordert wird, kommt bei Jens Baas, Chef der Techniker Krankenkasse, gar nicht gut an. Das verdeutlichte der GKV-Funktionär in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).
Seiner Auffassung nach, ist das duale System aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung auf „lange Sicht nicht zukunftsfähig“. Auf die anschließende Frage, ob ihm eine Bürgerversicherung vorschwebt, antwortet Baas: „Eine Bürgerversicherung wäre das Schlechteste für alle. Wir brauchen ein System, welche das Beste aus der privaten und der gesetzlichen Krankenversicherung in einem fairen Wettbewerbsrahmen miteinander verbindet. Dabei treten gesetzliche mit privaten Versicherungen um die besten Leistungen in den Wettbewerb, wobei eine gute Versorgung für alle gewährleistet sein muss.“
Dass damit auch höhere Ausgaben für die GKVen verbunden wären, ist Baas bewusst: „Natürlich müssten auch die gesetzlichen Krankenversicherungen den Ärzten mehr bezahlen, wenn es nur noch einen einheitlichen Markt gäbe. Aber die Kosten wären in solch einem neuen System, in das alle einzahlen, absolut finanzierbar und lägen Schätzungen zufolge im einstelligen Milliardenbereich über dem heutigen GKV-Ausgabeposten.“
Für entscheidend hält Baas eine Reform des Vergütungssystems für Ärzte. Das derzeitige sei ungerecht und oft nicht zielführend, so der TK-Chef. Beispielhaft verwies er darauf, dass Arzt-Patienten-Gespräche zu gering bezahlt würden. Die Abrechnungssysteme der Ärzte seien zu kompliziert und würden Ressourcen erfordern, die besser bei den Patienten eingesetzt werden sollten. „Es gibt zu viel Doppelarbeit und viel zu wenig Digitalisierung. Oft wird nach der Maxime verfahren: Wenn etwas nicht richtig funktioniert, etwa das System der Arztvergütung, dann wird es nicht grundlegend reformiert, schon gar nicht vereinfacht, sondern im Gegenteil: noch komplizierter gestaltet.“
Alterungsrückstellungen: „Die Politik muss eine Lösung finden“
Will man aber das duale System zwischen PKV und GKV zusammenführen, kommt man an den Alterungsrückstellungen nicht vorbei. Die seien für die privaten Krankenversicherer unantastbar, sagt Baas und stellt die Frage, wie mit diesen Rückstellungen umzugehen sei, wenn die Überführung in ein neues System anstehe. „Hier muss die Politik eine Lösung finden. Grundsätzlich halte ich es für einen großen Vorteil der privaten Krankenversicherung, Rückstellungen bilden zu können. Das sollte in einem neuen System für alle möglich sein. […] Ein neues System muss natürlich auch Vorteile der privaten Krankenversicherung integrieren.“
Von Zwei-Klassen-Medizin bis Kipppunkt: TK-Chef bietet Aufreger-Potenzial im Interview
Doch das ist nicht die einzige Aussage mit ‚Aufreger-Potenzial‘. So sagt Baas über die GKV-Mitgliedschaft, dass man Teil eines Systems sei, das sich an die finanziellen Verhältnisse seiner Mitglieder anpasst.
Über die Standard- oder Basistarife der PKVen sagt Baas, dass sie das Schlechteste aus der Welt von PKV und GKV vereinen: „Immer noch hohe Kosten, aber keine Überholspur beim Arzt.“
An Zwei-Klassen-Medizin findet Baas nichts verwerflich, solange sichergestellt sei, dass die 2. Klasse eine „gute Versorgung für alle bietet“. Der TK-Chef dazu: „Wenn ein Patient meint, er müsse sich unbedingt von einem prominenten Sportmediziner operieren lassen, dann soll er das tun. Wer im Krankenhaus dann noch ein Zimmer mit Alpenblick braucht, der soll es bekommen – und dafür bezahlen, oder seine Versicherung entsprechend aufstocken können.“
Grundlegende Änderungen im dualen System hält Baas für unvermeidbar. Die Politik werde spätestens dann zum Handeln gezwungen, „wenn ältere Menschen massenhaft darüber klagen, dass sie sich die private Krankenversicherung nicht mehr leisten können.“ Nach Auffassung von Baas ist der Kipppunkt, an dem die PKV-Beiträge für einen „relevanten Teil der Senioren nicht mehr finanzierbar“ sind, zwischen 15 und 20 Jahren entfernt.