Das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung wurde von Dr. Jens Baas, Chef von Deutschlands mitgliederstärksten gesetzlichen Krankenkasse, in Frage gestellt. Wie der PKV-Verband darauf reagierte und ob in dem Vorstoß des TK-Chefs auch ein ‚Zugriffswunsch‘ auf bestehende Alterungsrückstellungen zu sehen ist.
Im Interview mit der FAZ fordert TK-Chef Dr. Jens Baas, das duale System zwischen PKV und GKV zu hinterfragen und neu aufzustellen (Versicherungsbote berichtete). Dabei geht der GKV-Funktionär auch auf die PKV-Beiträge im Alter ein. Den Abschluss einer privaten Krankenversicherung könne man nur anstreben, „wenn man sich sicher ist, auch im hohen Alter noch ausreichend vermögend zu sein.“ Wenige Sätze später wird er konkreter: „Uns schreiben ältere Ehepaare, die 2.000 Euro Rente bekommen und trotzdem 1.300 Euro für ihre private Krankenversicherung bezahlen sollen.“
Stefan Reker, Sprecher des PKV-Verbands, kontert diese Aussage von Baas gegenüber Versicherungsbote: „Da Herr Baas die Beiträge in der PKV anspricht, sollte man zum Vergleich den Beitrag der freiwillig Versicherten in der TK kennen: 1.051 Euro im Monat inklusive Pflege – derart hohe Beiträge betreffen in der PKV nur rund 2 Prozent der Versicherten.“
Baas vertrat zudem die Auffassung, dass die Politik spätestens dann zum Handeln gezwungen werde, „wenn ältere Menschen massenhaft darüber klagen, dass sie sich die private Krankenversicherung nicht mehr leisten können.“ Nach Auffassung von Baas ist der Kipppunkt, an dem die PKV-Beiträge für einen „relevanten Teil der Senioren nicht mehr finanzierbar“ sind, zwischen 15 und 20 Jahren entfernt. Auch gegen diese Darstellung wendet sich der Sprecher des PKV-Verbands: „Das Gerede von Herrn Baas über irgendeinen vermeintlichen ‚Kipppunkt‘ ist nicht nachvollziehbar. Vermutlich macht ihn aktuell der Wendepunkt nervös, dass seit geraumer Zeit jedes Jahr mehr Menschen die GKV verlassen und in die PKV wechseln als umgekehrt. Dieser Saldo beträgt seit 2018 rund 140.000 Personen zu Gunsten der PKV.“
Dr. Baas sprach in dem FAZ-Interview auch die Alterungsrückstellungen an, die sich mittlerweile auf rund 330 Milliarden Euro belaufen. Wörtlich sagte er: „Wie geht man mit Altersrückstellungen um, wenn man eine Überführung in ein neues System macht? Hier muss die Politik eine Lösung finden. Grundsätzlich halte ich es für einen großen Vorteil der privaten Krankenversicherung, Rückstellungen bilden zu können. Das sollte in einem neuen System für alle möglich sein.“
Auch diese Aussage will der PKV-Verband so nicht stehenlassen: „Da will offenkundig jemand von eigenen Problemen ablenken. Herr Baas führt eine Krankenkasse, die nahezu Null Reserven für die stark steigenden Gesundheitskosten ihrer alternden Versichertengemeinschaft hat – und attackiert eine PKV, die bereits mehr als 328 Milliarden Euro stabile Vorsorge für ihre Versicherten aufgebaut hat.“
Doch lässt sich in die Aussage von Dr. Baas auch so verstehen, dass er die Alterungsrückstellungen, die von den PKVen für ihre Versicherten gebildet wurden, in ein neu-zuschaffendes System überführen will? Das wollte Versicherungsbote von der Techniker Krankenkasse wissen. Die Kasse stellte gegenüber Versicherungsbote klar, dass die Überlegungen von Baas keinen Zugriff auf die bereits angesammelten Rückstellungen umfassen. Dr. Baas skizzierte eine mögliche Perspektive für ein zukünftiges Versicherungssystem, schrieb die Techniker Krankenkasse. Auf dem Weg zu dem von Baas beschriebenen System ist der Umgang mit bestehenden Alterungsrückstellungen die größte Herausforderung, für die die Politik Lösungen erarbeiten müsse. Die von Dr. Baas getroffenen Aussagen über die Alterungsrückstellungen würden sich auf mögliche Elemente eines neuen Systems – nicht auf den Umgang mit bestehenden Reserven beziehen, so die TK.