Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union macht die Nachhaltigkeitsberichterstattung für alle großen Unternehmen zur Pflicht. Kfz-Versicherer können hier mit umweltfreundlichen Prämien, im Schadenmanagement und bei Reparaturen punkten - wenn sie über die notwendigen Daten verfügen. Ein Gastbeitrag von Bill Brower, Leiter der Schadenabteilung beim Schadenservice-Dienstleister Solera.
Die Bedeutung von Nachhaltigkeit für Unternehmen hat sich in den letzten Jahren von einer ethischen Verpflichtung zu einer regulatorischen Anforderung entwickelt. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union, die ab 2024 in Kraft tritt, macht die Nachhaltigkeitsberichterstattung für alle großen Unternehmen zur Pflicht. Die CSRD zielt darauf ab, Unternehmen dazu zu verpflichten, transparenter über ihre Umweltauswirkungen und sozialen Verantwortlichkeiten zu berichten. Sie schließt auch die Automobilindustrie ein, die nun Wege finden muss, nachhaltiger zu werden. Für KFZ-Versicherungen bedeutet das zum Beispiel, dass sie umweltfreundlichere Policen anbieten und nachhaltige Praktiken einführen müssen.
Herausforderung: Welche Daten werden für CSRD-Regulierung erhoben?
Eine kürzlich durchgeführte weltweite Solera-Umfrage unter KFZ-Versicherern ergab, dass sechs von zehn (61 %) Befragten ihre Organisation nicht als "sehr gut vorbereitet" auf die CSRD-Regulierung betrachten. Jedoch planen 80 % von ihnen, die Art und Weise zu ändern, wie sie Daten zur Nachhaltigkeit ihrer Schadens- und Reparaturansprüche verfolgen und messen.
Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn Nachhaltigkeit wird für umweltbewusste Konsumenten immer mehr zum Differenzierungsmerkmal. Schließlich hat eine weitere Umfrage von Solera unter Autofahrern ergeben, dass 75 % der Umfrageteilnehmer bereit sind, für eine umweltfreundlichere Police den Versicherungsanbieter zu wechseln.
Obwohl nahezu alle (99 %) der befragten Kfz-Versicherer angeben, dass die Verbesserung der Nachhaltigkeitskennzahlen ganz oben auf ihrer Agenda steht, sehen sie diesbezüglich große Herausforderungen. Konkret äußert knapp die Hälfte der befragten Versicherer (47 %) die Notwendigkeit einer verbesserten Verfolgung und Verwaltung von Emissionsdaten. Daten stellen ein großes Hindernis für die Weiterentwicklung von Nachhaltigkeitsbemühungen dar, und gleichzeitig ist eine Reduzierung der Kohlenstoffemissionen ohne ein gründliches Verständnis dieser Daten unmöglich. Knapp ein Viertel der Versicherer hat nur eingeschränkten Zugriff auf Daten im Zusammenhang mit den Emissionen von Fahrzeugschäden (22 %), und genauso vielen fehlen die wesentlichen Analysefähigkeiten, die erforderlich sind, um fundierte Entscheidungen hinsichtlich der Schadensdaten und Nachhaltigkeitsbemühungen zu treffen (23 %).
Inzwischen gibt es jedoch Technologien, die den Versicherern wertvolle Daten über ihren CO2-Fußabdruck und die Bereiche liefern, in denen sie ihn messen und reduzieren können. So können KFZ-Versicherer die CO2-Emissionen vergleichen, die mit Maßnahmen wie der Reparatur von Fahrzeugteilen im Vergleich zu deren Austausch verbunden sind, und gemeinsam mit den Werkstätten fundierte Entscheidungen darüber treffen, wie ein Fahrzeug am umweltfreundlichsten repariert werden kann.
Gebrauchte Autoteile als grüne Alternative
Neben der Reparatur von Fahrzeugteilen besteht auch häufig die Möglichkeit, gebrauchte Autoteile einzusetzen. Jedoch sind diese nach wie vor mit einem Stigma behaftet, da die Verbraucher "gebraucht" oft mit minderwertigen oder gar unbrauchbaren Teilen in Verbindung bringen. Die Umstellung hin zur Verwendung von gebrauchten Autoteilen könnte jedoch einen echten Wandel bewirken. Um den Vorurteilen gegenüber gebrauchten Autoteilen entgegenzuwirken, müssen Kfz-Versicherer und Werkstätten ihre Kunden aufklären. Diese Ersatzteile sind nicht gleichbedeutend mit minderer Qualität und sie beeinträchtigen nicht die Sicherheit. Sie können nachhaltiger und häufig auch kostengünstiger sein als Neuteile. Teile, die sonst auf der Mülldeponie landen würden, können einfach recycelt werden.
Untersuchungen zeigen zudem, dass in Deutschland pro Jahr 5.000 Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden könnten, wenn Versicherer die Reparaturquote nur um zwei Prozentpunkte erhöhen würden – das entspricht dem jährlichen Energieverbrauch von 850 Haushalten. Europaweit läge die Einsparung sogar bei fast 30.000 Tonnen CO2-Emissionen, wie eine Auswertung der Allianz zeigt.
Umweltaspekte in der Prämienkalkulation berücksichtigen
Mit Hinblick auf die CSRD Nachhaltigkeitsberichterstattung benötigen Versicherungsanbieter in Zukunft effektive Lösungen für ein besseres Schadensdatenmanagement und eine Reduzierung der Emissionen. KI-gestützte Schadensdatenbanken können Versicherer beispielsweise unterstützen, ihren Kunden wettbewerbsfähigere, umweltfreundlichere Prämien anzubieten. Eine bessere Verfolgung und Verwaltung von Emissionsdaten liefern Informationen, die für fundierte Nachhaltigkeitsentscheidungen erforderlich sind. Wenn beispielsweise gebrauchte Autoteile für Reparaturen verwendet werden, wird der Reparaturprozess nachhaltiger und die CO2-Emissionen werden im Herstellungsprozess reduziert.
Versicherer übersehen Scope 3
Einer der anspruchsvollsten Aspekte von Nachhaltigkeitskennzahlen ist die Messung von Scope-3-Emissionen, die indirekte Emissionen innerhalb der Wertschöpfungskette einer Organisation umfassen. Hierzu zählen auch Emissionen, die durch Fahrzeugreparaturen der Versicherungsnehmer entstehen. Untersuchungen zeigen, dass derzeit nur etwas mehr als die Hälfte (53 %) der weltweiten Autoversicherer Scope-3-Emissionen messen. Tools zur besseren Messung von Kennzahlen wie Scope-3-Emissionen können einen großen Unterschied bei der Umsetzung wirksamer Initiativen zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks bewirken.
Fazit: Die steigende Bedeutung von Nachhaltigkeit für Unternehmen, insbesondere im Kontext der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union, zwingt die Automobilindustrie und KFZ-Versicherungen zu einem Umdenken. Viele Versicherer erkennen zwar die Notwendigkeit zur Verbesserung ihrer Nachhaltigkeitskennzahlen, sie stehen jedoch vor Herausforderungen in der Datenerfassung und -auswertung. Technologische Lösungen, die eine ganzheitliche Betrachtung der Wertschöpfungskette ermöglichen, bieten hier das Potenzial, umweltfreundliche Praktiken zu fördern und den CO2-Fußabdruck zu reduzieren. So können auch Versicherer einen positiven Beitrag zum Umweltschutz leisten.