Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will auch die gesetzliche Pflegeversicherung reformieren. Doch was genau ist im Bereich der Pflege geplant? Nun wurde bekannt, dass eine neue Versorgungsform eingeführt werden soll, eine Mischung aus ambulanter und stationärer Pflege - auch sollen Pflegekräfte mehr Kompetenzen erhalten, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Eine Antwort auf die erwartete finanzielle Schieflage der Pflegeversicherung bieten die Reformen bislang nicht.
Vor wenigen Tagen hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine Krankenhausreform vorgestellt, mit der viel Geld gespart werden soll. Komplizierte Eingriffe sollen künftig nur noch in spezialisierten Kliniken vorgenommen werden, kleinere Operationen dagegen ambulant in kleineren Notfallzentren. Lauterbach hofft, dass die Menschen dadurch weniger Zeit im Krankenhaus verbringen und weniger Betten und Personal benötigt werden. Der Gegenwind ist groß, zumal die Reform zunächst viel Geld verschlingen wird - 50 Milliarden Euro werden zusätzlich für den Umbau der Kliniken benötigt. Die Lobbyverbände der Krankenkassen schlagen Alarm und warnen davor, die Kosten einseitig den gesetzlich Versicherten aufzubürden.
Was aber ist in der gesetzlichen Pflegeversicherung geplant? Auch die Pflege erweist sich als dringend reformbedürftig: Die Eigenanteile, die Pflegebedürftige und ihre Angehörigen bei der Unterbringung in einem Pflegeheim zahlen müssen, explodieren, die Pflegekassen blicken auf ein großes Defizit, es fehlt an Pflegekräften. Pflegebedürftigkeit entpuppt sich als eines der größten Armutsrisiken: Knapp ein Drittel (32,5 Prozent) aller Heimbewohnerinnen und Heimbewohner sind auf Sozialhilfe angewiesen, wie eine Auswertung der DAK Gesundheit zeigt - die so genannte Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch (SGB XII). Wer das deutsche Gesundheitssystem stabilisieren will, darf die Pflege nicht außenvor lassen.
Pflegeberuf soll attraktiver werden
Baustelle 1: der enorme Pflegekräftemangel. Laut einer Vorausberechnung des Statistischen Bundesamtes könnten bis zum Jahr 2049 bis zu 690.000 Pflegekräfte fehlen. Viele Pflegende verabschieden sich aus dem Beruf, weil sie überfordert und ausgebrannt sind: Kliniken berichten, dass Stationen bereits geschlossen werden mussten, weil Pflegepersonal fehlt.
Hier will Lauterbach die Pflege auch dadurch attraktiver machen, dass Pflegepersonal zukünftig mehr Kompetenzen erhalten – und Aufgaben übernehmen dürfen, die bisher Ärztinnen und Ärzten vorbehalten bleiben. Geplant ist ein „Gesetz zur Reform der Pflegekompetenz“. Erste Eckpunkte dafür hat der Gesundheitsminister bereits kurz vor Weihnachten 2023 vorgestellt. „Wir wollen eine grundsätzliche Reform der Pflege auflegen. Wir wollen in allen Bereichen, in denen Pflege ausgebildet wird, die Kompetenzen deutlich erweitern. Pflegekräfte mit Zusatzqualifikation sollen dann z. B. bestimmte pflegerische Leistungen, Hilfs- und Arzneimittel verschreiben können“, sagte Lauterbach damals bei einem Treffen mit Spitzenvertretern von Pflege und Ärzteschaft. Folgende Reformen sind laut Eckpunktepapier geplant:
- Pflegekräfte sollen gemäß ihren Qualifikationen auch in der Versorgung mehr Kompetenzen bekommen.
- In der häuslichen Krankenpflege sollen Pflegefachkräfte perspektivisch auch Leistungen verordnen können (z.B. Wundversorgung, Salben, Katheter).
- Auch bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit könnten die in der Versorgung tätigen Pflegefachkräfte einbezogen werden.
- Die Schaffung eines für Deutschland neuen Berufsbildes, das sich in anderen Ländern schon durchgesetzt hat: die Advanced Practice Nurse. Wer die Ausübung von Heilkunde in einem Masterstudium gelernt hat, soll sie auch eigenverantwortlich ausüben können, so z.B. die Verordnung von häuslicher Krankenpflege, von Hilfsmitteln oder womöglich von bestimmten Arzneimitteln.
Stambulant: neue Pflegeform geplant
Ein weiterer Reformschritt wurde vor wenigen Tagen bekannt: Sie soll eine Antwort darauf bieten, dass viele Pflegebedürftige nicht in das Pflegeheim wollen, aber auch nicht mehr von ihren Angehörigen zu hause umsorgt werden können. Demnach soll eine neue Mischform aus ambulanter und stationärer Pflege entstehen, sogenannte Pflegewohnungen. Das Angebot sieht vor, dass Menschen in einer Wohnung leben, in der sie rund um die Uhr betreut werden, sagte Lauterbach laut Deutschlandfunk in Berlin. Ein solches Angebot gebe es bisher in Deutschland nicht.
Ein Pflegegesetz, dass die neuen Eckpunkte regeln soll, will Lauterbach noch vor dem Sommer vorstellen. Doch wie sieht es mit den Finanzen der Pflegekassen aus? Seit 2017 sind die Kosten in der Pflege von 35 Milliarden Euro auf 66 Milliarden Euro im Jahr 2023 angestiegen, Tendenz weiter steigend. Einige Reformschritte hatte Lauterbach bereits im letzten Jahr angestoßen und umgesetzt. Kinderlose zahlen seither einen höheren Pflegebeitrag, zum 1. Juli 2025 tritt ein flexibel nutzbares Entlastungsbudget für Kurzzeit- und Entlastungspflege in Kraft. Die Beiträge für die Pflegeversicherung wurden im Sommer 2023 erhöht, die Zuzahlungen zu den Eigenbeiträgen im Pflegeheim dynamisiert. Doch reicht das, um die gesetzliche Pflegeversicherung zukunftsfest zu machen? Experten bestreiten dies. Viele dieser Reformschritte führen eher zu höheren Ausgaben in der Pflege.
Enquete-Kommission für Pflege gefordert
Der GKV-Spitzenverband sieht in den bisherigen Reformschritten in der Pflege nur ein Herumdoktern am alten System - und fordert umfassendere Reformen. „Wenn die Pflegeversicherung auch in den Jahren 2025 bis 2040 funktionieren soll, muss das System jetzt reformiert werden“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Gernot Kiefer Mitte Februar der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). Das könne die Regierung aber nicht allein leisten. Der Verband fordert deshalb eine Enquete-Kommission, an der alle relevanten Gruppen - Parteien, Arbeitgeber, Gewerkschaften, Wissenschaft und pflegende Angehörige - beteiligt werden.
„Die Zeit drängt, wir stehen schon für die Jahre 2025 und 2026 vor großen Problemen“, warnt Kiefer. So sei bereits im kommenden Jahr die Finanzierung der Pflege nicht mehr gewährleistet. „Wir steuern auf eine Notlage zu“, so der Krankenkassen-Funktionär.