„Wir hatten das zweitgrößte Schadenereignis in unserer Konzerngeschichte zu verzeichnen“

Quelle: Versicherungskammer

Wie sieht die aktuelle Digitalisierungsstrategie aus, insbesondere im Hinblick auf die Verbesserung der Kundeninteraktion und Effizienzsteigerung in internen Prozessen?

Andreas Kolb: Wir haben eine Vielzahl von Aktivitäten, die unsere Digitalisierungsstrategie ausmachen. Ich kann Ihnen einige Beispiele nennen, doch bei Weitem nicht alle.

  • Voll-digitale Schadenakte, weiterer Ausbau der Dunkelverarbeitung, automatisierte Belegprüfung, Bilderkennung, Spracherkennung, Fachdatenextraktion aus Mails, Statustracker, Einsatz von Drohnentechnologie bei Schadenermittlung etc.
  • Immer wieder Nutzung der Erfahrungen des digitalen Versicherers BavariaDirekt im Hinblick KI-Algorithmen zur Steuerung der Schadenbearbeitung und Betrugs- und Regresserkennung
  • Predictive-Modell zur Prognose der Kundenzufriedenheit mit der Schadenbearbeitung bereits zum Zeitpunkt der Schadenmeldung.
  • Wir sind der erste Kooperationspartner von Copart in Deutschland, womit wir einen exzellenten Kundenservice und eine erhebliche Erleichterung bei der Abwicklung von Kfz-Totalschäden für unsere Kunden bieten.
  • KI-gestützter Leckageschutz in Kooperation mit Grohe: Kund*innen mit (besonderem Risiko für) Wasserschaden erhalten kostenfreie Installation;

Die Versicherungskammer investiert verstärkt in zukunftsorientierte und nachhaltige Projekte. Können Sie näher erläutern, wie Nachhaltigkeitsaspekte im Kapitalanlagemanagement integriert sind?

Andreas Kolb: Unsere Verpflichtung zu mehr Verantwortung für unsere Umwelt zeigt sich in vielfältigen Maßnahmen: bei Investitionen in erneuerbare Energien und bei der Reduzierung unseres CO₂-Fußabdrucks im eigenen Geschäftsbetrieb sowie in unseren Kapitalanlagen.

Das zentrale Ziel unserer Kapitalanlage ist die langfristige und nachhaltige Erfüllbarkeit der versicherungsseitigen Verpflichtungen. Wir sind uns bewusst, dass die Gestaltung einer nachhaltigen Kapitalanlage ein wirkungsvoller Hebel sein kann. Unser Nachhaltigkeitsansatz für die Kapitalanlage ist entlang verschiedener Säulen aufgebaut. Er beinhaltet unter anderem die ESG-Integration, Ausschlusskriterien, die Berücksichtigung der wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren, Net-Zero, Impact-Investing und Active Ownership. Diesen Ansatz entwickeln wir als Unterzeichner der PRI entlang der sechs damit einhergehenden Prinzipien laufend fort.

Im Jahr 2023 legten wir unseren Umgang mit kohlefördernden Unternehmen mit einer Kohleposition fest und setzten uns im Rahmen der NZAOA konkrete Ziele, wie wir bis 2025 die Emissionen in unseren Kapitalanlagen verringern werden.

Im Rahmen der Klimastrategie setzte die Versicherungskammer bei den Kapitalanlagen frühzeitig auf die Asset-Klasse Infrastruktur und ist seit mehr als zehn Jahren ein Branchenvorreiter (Fokus auf Themen wie Energiewende, Digitalisierung und Daseinsvorsorge.)

In puncto Kapitalanlage möchte ich noch ergänzen, dass wir zum 1. April einen weiteren, bedeutenden Schritt beim Management von Kapitalanlagen gegangen sind. Mit Gründung der VK Real Estate können wir in einer marktnahen Aufstellung das Immobilienportfolio weiterentwickeln und als eigenständiges Unternehmen die Expertise perspektivisch auch Drittkunden zur Verfügung stellen.

Welchen Einfluss haben geopolitische Unsicherheiten, wie beispielsweise der Konflikt in der Ukraine, auf die Geschäftstätigkeit sowie die Risikobewertung?


Andreas Kolb: Die geopolitischen Unsicherheiten und die multiplen Krisen haben Einfluss auf die Kapitalmärkte insofern, als Unternehmen heute für eine Kapitalanlage wieder interessanter werden, als dies lange Zeit der Fall war. Gleichwohl gilt es diese Risiken im Underwriting zu beobachten und zu diskutieren.

Grundsätzlich liegt uns sehr daran, Unternehmen beim Transformationsprozesses hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft aktiv zu begleiten. Dazu gehört auch, dass wir einen Nachhaltigkeits-Prüfprozess für Großkunden in ESG-kritischen Branchen (z.B. Energieversorger, Recycling- und Massentierhaltungsbetriebe und Schlachthöfe bzw. aus dem Bereich Sach-Industrie-, Transport- und Technische Versicherung) eingeführt haben. Zudem fördern wir den Ausbau und die Versicherbarkeit von Lösungen zur nachhaltigen Energieerzeugung, z.B. „AGRI-Photovoltaikanlagen“, kombinierte und effektive Nutzung landwirtschaftlicher Flächen und Ressourcen und stellen den adäquaten Versicherungsschutz bereit.