Die FDP will den Übergang in die Altersrente flexibler gestalten und Anreize für längeres Arbeiten schaffen. Als Grenze hierfür ist der Rentenbeginn mit 72 Jahren im Gespräch. Als Vorbild dient Schweden - doch dort müssen die Menschen hohe Abschläge akzeptieren, wenn sie doch pünktlich in Rente wollen.
Die Gesellschaft altert, immer mehr Rentnerinnen und Rentnern stehen immer weniger Erwerbstätige gegenüber: Das setzt die Rentenversicherung unter Druck. Bald gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente, was das Problem noch verschärfen könnte. Die FDP hat sich in den letzten Wochen mehrfach dafür ausgesprochen, dass die Menschen angesichts dieser Situation länger arbeiten sollten. Und damit auch die Koalitionspartner brüskiert, denn in dem aktuellen Gesetzentwurf für eine Rentenreform ist eine längere Lebensalterszeit explizit ausgeschlossen. Zuletzt sprach sich Bundesfinanzminister Christian Lindner dafür aus, die Lebensarbeitszeit zu verlängern.
Nun legt Christian Dürr nach, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion. Gegenüber der BILD-Zeitung (Montag) spricht sich Dürr für einen flexibleren Renteneintritt aus, um zusätzliche Anreize für längeres Arbeiten zu schaffen. “Wir sollten im Zusammenhang mit dieser Reform auch gleichzeitig eine Flexibilisierung des Renteneintritts beschließen, dass Menschen freiwillig länger arbeiten“, sagte der Diplom-Ökonom dem Blatt. Und nennt dabei auch eine Altersgrenze: „Warum sollte ich jemandem verbieten, mit 70 oder 72 zu arbeiten? Das wäre ja geradezu verrückt“, so Dürr.
Als Vorbild verweist der FDP-Politiker auf Schweden. „Da gelten nicht mehr diese starren Entwürfe nach dem Motto: Jeder Mensch ist gleich, jeder geht mit 65, mit 67 in Rente. Wer Lust hat, länger zu arbeiten, für den lohnt sich das“, sagt Dürr.
Vorbild Schweden: massive Abschläge drohen
Dass die Freien Demokraten Schweden als Vorbild für die Rente ins Auge fassen, ist nicht neu. Bereits 2016 hieß es im Beschluss „Für eine moderne Altersvorsorge“ des 67. Bundesparteitags der FDP: „Zeitgemäß und innovativ“ sei "ein Modell des flexiblen Renteneintritts nach schwedischem Vorbild“. Und Schweden war auch das Vorbild für den geplanten Kapitalstock in der gesetzlichen Rente, der maßgeblich von der FDP vorangetrieben wurde.
In Schweden gibt es einen Korridor, ab und bis wann die Bürgerinnen und Bürger regulär in Rente gehen können. Auch hier wurde das Renteneintrittsalter in den letzten Jahren angehoben. Das Mindestalter für den Renteneintritt steigt schrittweise von 61 Jahren auf 64 Jahre an, derzeit liegt es bei 63 Jahren. Der Korridor für den "regulären" Renteneintritt ohne Einbußen verschiebt sich derzeit auch nach hinten - die Altersgrenze wird zukünftig bei 69 Jahren liegen.
Doch wer in Schweden den Korridor ausreizt und vergleichsweise zeitig in Rente geht, muss hohe Abschläge befürchten, die mehr als ein Viertel der monatlichen Rente ausmachen können. Die Wahlfreiheit ist also nur relativ - und bei einem frühen Renteneintritt mit hohen Einbußen verbunden. Die hohen Abschlagsraten in den ersten Jahren tragen mit dazu bei, dass die Schwedinnen und Schweden im Durchschnitt zwei Jahre später in Rente gehen als die Deutschen.
Die Schweden sorgen zusätzlich besser vor
Darüber hinaus trägt das schwedische Rentenmodell dazu bei, dass die Arbeitnehmer auch durch private und betriebliche Altersvorsorge besser abgesichert sind. Die kapitalgedeckte Prämienrente ist eine zusätzliche Säule des Alterssicherungssystems, in die 2,5 Prozentpunkte des gesamten Rentenbeitragssatzes von 18,5 Prozent obligatorisch eingezahlt werden müssen. Zur Auswahl stehen den Schweden hierbei mehrere hundert Fonds sowie ein Staatsfonds. In Deutschland ist ein solches Modell bisher nicht geplant. Aus dem so genannten Generationenkapital, das hierzulande die kapitalgedeckte Säule der gesetzlichen Rente bilden soll, erwerben die Beschäftigten keinerlei individuellen Ansprüche. Stattdessen soll das Generationenkapital genutzt werden, um zukünftige Beitragszahlungen ab Mitte der 2030er Jahre zu senken.
Auch die betriebliche Altersvorsorge ist in Schweden deutlich stärker ausgebaut als in Deutschland, wie die gewerkschaftsnahe Böckler-Stiftung informiert. Aufgrund der hohen Tarifbindung sind 90 Prozent der Arbeitnehmer in den vier betrieblichen Versorgungswerken versichert. Wie bei der gesetzlichen Rente übernehmen die Arbeitgeber einen deutlich höheren Finanzierungsanteil als in Deutschland: Die Unternehmen zahlen bis zur Beitragsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Regel 4,5 Prozent des Einkommens für die betriebliche Altersvorsorge.