Im Jahr 2022 waren die Pipelines Nordstream 1 und 2 gesprengt worden - Jene Pipelines, die russisches Gas nach Deutschland leitete. Nun streiten sich die Betreiber und ein Versicherer-Konsortium in London vor Gericht. Die Versicherer wollen nicht zahlen, weil sie die Sprengung als Kriegsschaden werten. Und Kriegsschäden sind in den Versicherungsverträgen standardmäßig vom Schutz ausgeschlossen.
Am 26 September 2022 wurden die Nord-Stream-Pipelines nahe der dänischen Insel Bornholm mit vier Sprengungen so stark beschädigt, dass kein Erdgas mehr von Russland nach Deutschland durch sie hindurchgepumpt werden konnte. Die Explosionen waren so gewaltig, dass sie mit einem Seismographen erfasst werden konnten: mit Geräten also, die sonst Erdbeben messen. Allein die Nord-Stream-1-Röhren wurde auf einer Länge von 250 Metern zerstört, wer die Täter waren, darüber gibt es zahlreiche Spekulationen. Ermittelt werden konnten sie bisher noch nicht.
Doch was war das - ein Kriegsakt oder Sabotage? Das ist die Frage, die derzeit vor dem Londoner High Court of Justice verhandelt wird. Denn die Betreiber der Nord Stream-Pipelines wollen Geld von ihren Versicherern haben. Wie die Nachrichtenagentur Reuters und die russische Tageszeitung „Kommersant“ berichten, hat die Nord Stream AG Klage gegen die Lloyd's Insurance Company and Arch Insurance (EU) eingereicht. Und es geht um viel Geld: Gestritten werde über eine Schadensumme von 400 Millionen Euro.
Die Deckung greife demnach nicht bei direkten oder indirekten Schäden in Folge von Krieg, militärischen Manövern oder infolge von Sprengstoff-Explosionen. Zwar wurden bei den Ermittlungen Reste von Sprengstoff gefunden - laut "Reuters" argumentiert die Nord Stream AG, dass die beiden Pipelines sehr verschiedenartige Beschädigungen aufwiesen. Bei Sabotage hingegen müssten die Versicherer wohl zahlen. Derart teure Risiken werden nicht von einem einzelnen Versicherer getragen, sondern auf verschiedene Versicherer, Rückversicherer und andere Risikoträger verteilt - die Risiken werden ähnlich wie an einer Börse gehandelt.
Während laut „Handelsblatt“ die Streitparteien eine Stellungnahme verweigert haben, berichtet „Reuters“, dass die in der Schweiz ansässige Nordstream AG per Email bestätigt habe, dass es zwischen ihr und den Versicherern des Pipelinesystems einen Vertragsstreit vor einem Londoner Handelsgericht gebe. "Wir bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht in der Lage sind, detaillierte Kommentare zu den Gerichtsverfahren abzugeben", zitiert Reuters das Nord Stream-Kommunikationsteam.
Der tatsächliche Schaden ist allerdings weit höher. „Reuters“ berichtet aus den Gerichtsakten, dass die tatsächlichen Kosten durch die Explosionen auf 1,2 bis 1,35 Milliarden Euro geschätzt werden. Dabei eingerechnet ist die Entwässerung der Anlagen, die Stabilisierung der Pipeline, der Ersatz verlorener Gasvorräte sowie die Reparatur. Demnach wären Folgeschäden für Handel und Umwelt noch gar nicht berücksichtigt. Unter anderem musste nach den Anschlägen der Schiffs- und Flugverkehr teilweise umgeleitet werden, weil die entstehende Methanwolke eine Gefahr bedeutete.