In den letzten Jahren sorgten spektakuläre Kunstraube wie zum Beispiel im Grünen Gewölbe in Dresden für viel Aufmerksamkeit. Ist es dadurch schwerer geworden, passenden Schutz zu finden - zum Beispiel, weil sie mit vermehrten Ausschlüssen und strengeren Obliegenheiten konfrontiert werden?
Die Ausschlüsse kommen aus einer ganz anderen Ecke. Die kommen aus zunehmendem Compliance-Idiotien, wo Vorstände sich nur noch auf Rechts- und Steuerabteilungen verlassen und selbst nicht mehr das Gefühl haben, wie das Geschäft funktioniert oder was sie eigentlich zu schützen hätten. Das ist schon ziemlich mühsam manchmal.
Das grüne Gewölbe ist ein Spezialfall - genauso wie die Big Maple Leaf, die riesige Goldmünze, die aus dem Bode-Museum in Berlin gestohlen wurde. Es handelt sich beide Male um Objekte, die einfach auseinanderzunehmen sind, die sozusagen unkenntlich zu machen sind und trotzdem einen hohen Wert repräsentieren.
Viele Gemälde können nach einem Diebstahl gar nicht weiterverkauft werden. Wenn Sie einen Picasso für 20 Millionen Euro klauen, steht der sofort im Art Loss Register, der Datenbank für verlorengegangene und gestohlene Kunstwerke. Und wenn es ein echter Picasso war, schreibt auch jede Zeitung darüber. Damit ist der Kunstmarkt weltweit gesperrt.
Das heißt, sie können ihn eigentlich nur noch über den grauen Markt schieben. Der graue Markt ist aber auch keiner mehr, der wirklich funktioniert. Das hängt auch mit Präventionsmaßnahmen gegen Geldwäsche zusammen. Dadurch hat sich das Diebstahlrisiko für Kunst deutlich reduziert.
Die einzigen Ausnahmen sind Gold, Edelsteine und schnell vermarktbare Möglichkeiten. Insofern hat sich der Markt für Versicherungen durch die oben genannten Diebstähle nicht wesentlich verändert.
Kommen wir noch einmal auf das Beispiel der Absicherung der Kunstwerke im Grünen Gewölbe zurück. Wie wäre die Risikobewertung bei Ihnen abgelaufen?
Wir hätten uns auf jeden Fall zuerst mit den Sicherungsmaßnahmen im Museum auseinandergesetzt, wir hätten vermutlich auch die Frage der Unterbringung und der Schutzthematik überprüft. Wichtig wäre gewesen zu klären, welche Gläser verwendet werden und wann die Sicherungsmaßnahmen das letzte Mal aktualisiert worden sind.
Hier liegt ein Problem. Wenn man 2004 eine Ausstellung mit der damals aktuellen Sicherungstechnik gesichert hat, war das wunderbar. Zehn Jahre später ist es nicht mehr wunderbar, wenn diese Technik immer noch verwendet wird, weil sie veraltet ist und es neue Technologien gibt, mit denen man die alten Sicherungen leicht aushebeln kann. Es ist ständiger Prozess der Erneuerung, der nötig ist, um Kunstwerke angemessen zu schützen. Entsprechend muss man da hinterher sein.
Man muss fairerweise sagen, die öffentlichen Museen sind in keiner wohligen Situation, was ihre Finanzlage und Personalausstattung angeht. Entsprechend sind die Möglichkeiten, für ausreichend Schutz zu sorgen, eingeschränkt. Das ist eigentlich traurig.
Wie ermitteln Sie die notwendigen Versicherungssummen für Kunstwerke?
Indem wir die Qualität, die wir erkennen können - also Künstler, Motiv, Herkunft, Provenienz des Bildes, Technik et cetera in Korrelation setzen zu dem, was wir auf dem Kunstmarkt finden und kennen, wobei wir nicht nur die Auktionswerte nehmen, sondern durchaus auch das, was wir begleitend mitbekommen auf Messen oder in Privatverkäufen. So kann man eine vernünftige Relation bilden.
Man muss dazu aber im Hintergrund wissen: Anders als bei Ware, die man im Kaufhaus für einen festen Preis erwirbt, gibt es bei Kunst riesige Bewertungsmargen. Es gibt da kein richtig und kein falsch. Es gibt höchstens ein extrem zu niedrig und dann ist es falsch oder ein extrem über dem Preis und dann ist es auch falsch. Aber dazwischen hat man 400 Prozentpunkte, in denen man sich eigentlich sauber bewegt.