Versicherungswirtschaft warnt vor Scheitern der Rentenreform

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Die Bundesregierung streitet derzeit um die Rentenreform: Die FDP-Fraktion im Bundestag will dem sogenannten Rentenpaket II nicht im Bundestag zustimmen, wenn es keine Änderungen an dem Gesetz gibt. Nun mischt sich die Versicherungswirtschaft in die Debatte ein. Die Rentenreform dürfe nicht scheitern, da der Aufbau eines zusätzlichen Kapitalstocks dringend notwendig sei, warnt der Versicherer-Dachverband GDV: Und mahnt dringend weitere Reformen an.

Die Bundesregierung streitet über ihre Rentenreform: Nachdem Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) Anfang März gemeinsam das sogenannte Rentenpaket II vorgestellt hatten, kündigte die FDP-Bundestagsfraktion an, dem Gesetz im Bundestag nicht zustimmen zu wollen. Die Liberalen stören sich vor allem daran, dass keine Maßnahmen geplant sind, um die stark steigenden Ausgaben der Rentenversicherung einzudämmen. Bis zum Jahr 2035 muss der Rentenbeitrag nach Berechnungen der Bundesregierung auf über 22 Prozent steigen, um das Paket umzusetzen - eine Mehrbelastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

"Rentenpaket darf nicht zum Faustpfand werden"

In diese Debatte schaltet sich nun auch die Versicherungswirtschaft ein. Die Versicherer warnen vor einem Scheitern der Rentenreformen und appellieren an die Bundesregierung, den Streit über die gesetzliche Rente nicht zur Blockade anderer Reformvorhaben zu missbrauchen. „Das Rentenpaket II darf nicht zum Faustpfand für die Reform der betrieblichen und privaten Vorsorge werden“, mahnt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Aus dem Statement spricht deutlich die Sorge, dass nun gar nichts in Sachen Rentenreform passiert, wenn die Ampelparteien weiter streiten. Und damit dringend notwendige Reformschritte auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Dabei geht es vor allem darum, das Umlageverfahren in der gesetzlichen Rente durch den Aufbau eines zusätzlichen Kapitalstocks zu entlasten. Denn in einer alternden Gesellschaft stehen immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentnerinnen und Rentnern gegenüber: Das könnte zu massiven Mehrbelastungen der rentenversicherten Beitragszahler sowie der Steuerzahler führen. „Am Ausbau der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge führt kein Weg vorbei“, positioniert sich folglich Asmussen.

Ein erster Schritt für den Aufbau eines Kapitalstocks ist bereits im Rentenpaket II vorgesehen: das sogenannte Generationenkapital. Ein öffentlich verwalteter Fonds soll Geld, dass der Staat ihm leiht, am Kapitalmarkt anlegen - die erzielten Renditen daraus sollen zukünftige Beitragszahler ab Mitte der 2030er Jahre entlasten. Bis zum Jahr 2036 sollen laut Gesetzentwurf demnach 200 Milliarden Euro zusammenkommen. In die Rentenkasse zurückfließen sollen jedoch nur die erzielten Kapitalgewinne abzüglich der zu bedienenden Kreditschulden. Starten sollte der Kapitalaufbau bereits im Jahr 2022, selbst das sehen Experten als viel zu spät an. Zusätzlich angespart wurde bis heute kein einziger Cent.

Private und betriebliche Altersvorsorge soll attraktiver werden

Aber Asmussen geht es bei einem zusätzlichen Kapitalstock nicht allein um das Generationenkapital. Auch die private und betriebliche Altersvorsorge müsse dringend reformiert werden, um hier einen Stillstand zu verhindern. Die Versicherer erwarten, dass die Koalition die Betriebsrentenreform und die lange angekündigte Überarbeitung der privaten Altersvorsorge vorantreibt – ungeachtet der konkreten Ausgestaltung des Rentenpakets II. Denn schon heute reiche die gesetzliche Rente für die meisten Menschen nicht aus, um den Lebensstandard im Alter zu sichern.

Vor allem im Mittelstand, der das Gros der deutschen Unternehmen ausmacht, ist die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge gering. Laut einer Studie im Auftrag der Generali nutzen derzeit nur knapp 40 Prozent der Arbeitnehmer - ohne Top- und mittlere Führungskräfte - eine Betriebsrente. Die Zahl der Berechtigten ist sogar rückläufig. „Maßnahmen, um die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu erhöhen, sind losgelöst von der Frage, wann die Menschen künftig in Rente gehen können“, so Asmussen.

Auch die geförderte private Altersvorsorge brauche nach mehr als 20 Jahren ohne Änderungen dringend neue Impulse, mahnt der Verbandslobbyist. Dass hier Handlungsbedarf besteht, hat sich auch in der Bundesregierung herumgesprochen. Denn Riester- und Rürup-Verträge haben sich auch nicht wie gewünscht verbreitet, die Abschlusszahlen stagnieren oder sind sogar rückläufig.

Die Bundesregierung hat deshalb unter anderem eine Expertenrunde eingesetzt, um eine Reform der privaten Altersvorsorge zu erarbeiten: die sogenannte „Fokusgruppe Private Altersvorsorge“. Diese hat bereits im Juli 2023 ihren Abschlussbericht vorgelegt. Die darin enthaltenen Vorschläge sind auch unter Ökonomen umstritten. So hatten die Wirtschaftsweisen kritisiert, dass die Gruppe an der umstrittenen Riester-Rente mit nur leichten Modifikationen festhalten will, statt zusätzliche Alternativen vorzuschlagen: etwa in Form eines Staatsfonds oder anderer staatlicher Vorsorgemöglichkeiten, die es den Arbeitnehmern ermöglichen sollen, individuell einen Kapitalstock anzusparen.

Der GDV bewertete bereits positiv, dass die Fokusgruppe an der Riester-Rente festhalten will. War aber auch nicht mit allen Vorschlägen glücklich. So soll es den Sparerinnen und Sparern zukünftig erlaubt sein, Verträge abzuschließen, die keine lebenslange Leistung vorsehen, sondern nur zeitlich begrenzte Zahlungen. Im Zweifel ist die private Rente dann aufgebraucht, wenn noch reichlich Lebenszeit übrig ist. Aus Sicht des GDV verstößt dies gegen ein Grundprinzip des Altersvorsorge-Gedankens: eben lebenslang abgesichert zu sein.

„Die Vorarbeit der Fokusgruppe darf nicht versanden, sondern sollte noch in dieser Legislaturperiode in eine Reform münden“, fordert nun Asmussen. Die Versicherer setzten sich dabei für den Erhalt lebenslanger Leistungen und Mindestgarantien ein. „Beides sind Kernelemente der Alterssicherung – und sollen es auch bleiben.“