Berufsunfähigkeitsversicherung: Matthias Helberg testet erneut "Stiftung Warentest"

Quelle: neelam279@pixabay.com

In seiner Analyse des Finanztest-Artikels findet Helberg auch lobende Worte. Einige der Informationen seien für Verbraucher „durchaus gut und nützlich“, berichtet er. Unter anderem die Hinweise, eine BU früh abzuschließen, auf Nachversicherungsgarantien zu achten und eine ausreichend hohe Berufsunfähigkeitsrente von deutlich mehr als 1.000 Euro zu vereinbaren. In der Vergangenheit hatten Auswertungen zu BU-Renten, unter anderem von den Versicherungsforen Leipzig und des GDV, darauf hingedeutet, dass viele Versicherte eine viel zu niedrige BU-Rente vereinbart haben, teilweise lag die vereinbarte Rente im Branchenschnitt noch weit unter Grundsicherungs-Niveau. Hier wäre allerdings auch die Rolle der Berater zu hinterfragen, wenn tendenziell zu niedrige Summen vereinbart werden.

Die Sache mit "brutto" und "netto"

Aber Helberg findet auch wieder Ungereimtheiten im Text. So empfehle „Finanztest“ zum Beispiel, dass mit der BU-Rente quasi die Gesamtausgaben eines Haushaltes abgesichert sein sollten. Denn im Artikel heißt es: „Die Höhe der Rente sollte so bemessen sein, dass Miete oder Kreditrate, Lebensunterhalt, Krankenversicherung, Altersvorsorgebeiträge und gegebenenfalls die Ausbildung von Kindern finanziell gedeckt sind“. Hier würde „Finanztest“ die Latte sehr hoch hängen, argumentiert Helberg - eine solche hohe Summe könne nicht nur an den Versicherern scheitern, die sehr konkrete Vorstellungen davon hätten, wie hoch man sich absichern könne. Viele Versicherer lassen 60-70 Prozent des aktuellen Bruttoeinkommens als maximale Absicherungshöhe zu. Zudem unterschlage dieser Rat auch, dass ein Haushalt oft aus mehreren verdienenden Personen bestehe und die Ausgaben entsprechend aufgeteilt werden können.

Während einige der von Helberg kritisierten Punkte auch in der Vermittlerbranche mit zum Teil widersprüchlichen Meinungen diskutiert werden - ist der Abschluss einer BU schon als Schüler sinnvoll? Finanztest empfiehlt sie erst für „Studierende, Auszubildende und Berufsanfänger“, lassen andere kritisierte Ratschläge vermuten, dass den Finanztestern der Praxisbezug fehlt: auch wenn der Makler dies nicht direkt ausspricht. Ein Beispiel:

Helberg zitiert eine Aussage im Rahmen der Nachversicherungsgarantie, wonach „eine Absicherung bis zu 80 Prozent des Jahresnettoeinkommens bei einigen Versicherern möglich“ sei. Wirklich leistungsstarke Tarife würden jedoch eine Absicherung bis zu 70 Prozent vom Bruttoeinkommen anbieten, wendet Helberg ein: Was im Hochsteuerland Deutschland deutlich mehr ist. Die Aussage sei zumindest missverständlich.

Finanztest fällt auf Marketinggag der Versicherer rein

Während Helberg positiv hervorhebt, dass Finanztest im Heftartikel erstmals auch die Rolle falscher bzw. gefälschter Diagnosen anspricht, wirft er den Autoren des Beitrags zugleich vor, auf einen „Marketing-Gag“ der Versicherer reingefallen zu sein. Der Hintergrund: Kassenärzte machen gegenüber der Krankenkasse oft eine schlimmere Diagnose geltend, als beim Patienten tatsächlich vorliegt, um einen höheren Satz abrechnen zu können - das kann im Zweifel den Versicherungsschutz kosten, weil der Versicherer den Vertrag im Leistungsfall wegen falscher Angaben anficht.

Im Finanztest-Artikel heißt es nun: „Bei manchen Versicherern gehen irrtümliche Risikoeinschätzungen und fehlerhafte Dokumentationen nicht zulasten der Versicherten (…)“. Tatsächlich aber sehen die entsprechenden Klauseln in den BU-Vorträgen vor, dass der Versicherte in der Beweispflicht ist, dass tatsächlich falsche Angaben von Ärzten, Kliniken etc. gemacht wurden. Er muss sich also im Zweifelsfall vor Gericht mit den Gesundheitsdienstleistern streiten. Nicht nur sei es der „völlig falsche Zeitpunkt“, sich auf so einen Rechtsstreit einzulassen, „wenn Sie berufsunfähig, fertig und kaputt sind“, wendet Helberg ein. Zudem haben Versicherte schlicht nicht ausreichend Zeit, den Vorwurf einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung oder arglistigen Täuschung von Seiten des Versicherers zu entkräften: Laut Versicherungsvertragsgesetz (VVG § 21 (1)) einen Monat.

Außerdem werden bestimmte Zielgruppen in dem Heftartikel komplett ausgespart, kritisiert der Makler. „In der Welt der Stiftung Warentest scheint es nur Studierende, Azubis, Arbeitnehmer und Rentner zu geben. Anders kann man sich nicht erklären, warum Schüler, Beamte, Selbständige und Freiberufler im BU-Test nicht einmal eine Erwähnung finden“, schreibt Helberg. Das sei auch deshalb bedauerlich, weil für diese Zielgruppen teilweise andere Kriterien bei der Wahl einer BU gelten - etwa die Dienstunfähigkeitsklausel als wichtiger Baustein für Beamte.

Kritik an Intransparenz der Testkriterien

Grundsätzlicher wird die Kritik Helbergs, wenn es darum geht, nach welchen Kriterien Finanztest die Versicherer benotet hat. Bereits die ersten fünf erhobenen Kriterien seien eher Mindestkriterien, die jeder gute BU-Vertrag erfüllen sollte: etwa der Verzicht auf die abstrakte Verweisung, eine voraussichtliche Berufsunfähigkeit ab sechs Monaten als Leistungsbedingung oder rückwirkende Leistungen bei späterer Meldung. „Liebe Finanztester, definiert das doch gleich als K.O.-Kriterien und gebt sie als Mindestanforderung zur Teilnahme am nächsten BU-Test bekannt: Dann wäre so viel mehr Platz für viele andere wichtige Kriterien!“, mahnt Helberg.

Erneut führt Finanztest vergleichsweise wenige getestete Kriterien für die Note an: In Summe werden neben diesen fünf Mindestkriterien nur fünf weitere im Artikel genannt. Etwa, ob es eine Berufswechselklausel ohne erneute Gesundheitsprüfung gibt, eine Leistungsdynamik vereinbar ist oder eine anlassunabhängige Beitragsstundung für mindestens zwölf Monate. „Seit vielen Jahren schreibt Finanztest, man prüfe mehr Kriterien, als sie im Test dargestellt werden. Das mag ja auch sein, ist und bleibt aber intransparent“, kritisiert Helberg. Das sei auch deshalb fragwürdig, weil die definierten Kriterien und ihre Gewichtung direkten Einfluss darauf haben, wer sich als Testsieger durchsetzen kann.