Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das „Versorgungsstärkungsgesetz“ beschlossen. Mit diesem Gesetz will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die ambulante Versorgung stärken und Hausarztpraxen entlasten. Unnötige Quartalsuntersuchungen bei chronisch kranken Patienten sollen künftig entfallen: ebenso Budgetobergrenzen, die dazu beitragen, dass Hausärzte bei Kassenpatienten derzeit oft unbezahlt Überstunden machen.
Auf die Frage hin, wer in der Bundesregierung aktuell noch Gesetze auf den Weg bringen kann, ohne dass eine Regierungspartei dazwischen grätscht, lohnt ein Blick in das Bundesgesundheitsministerium. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) arbeitet nicht nur an einer Krankenhausreform, die allerdings auch Widerspruch erzeugt. Darüber hinaus hat sein Ressort auch einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem die ambulante Versorgung verbessert werden soll. Und damit die Arbeit in den Hausarzt-Praxen. Nicht von ungefähr: Speziell im ländlichen Raum fehlen vielerorts Ärzte, doch auch in den Großstädten sind die Arztpraxen oft voll und warten Patienten oft monatelang auf Facharzttermine. Reformen werden vielfach angemahnt.
Am Mittwoch nun hat das Bundeskabinett ein sogenanntes Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GSGV) beschlossen, mit dem die ambulante Versorgung verbessert werden soll. Anders als bei der Rentenreform, die zu scheitern droht, weil die Koalitionspartner uneinig sind, könnte dieses Gesetz somit bald in Kraft treten, wenn auch der Bundestag und die Länder zustimmen. „Unser Gesundheitssystem braucht eine Generalüberholung, um stark zu bleiben. Parallel zur Krankenhausreform ist die Reform der ambulanten Versorgung deswegen zwingend notwendig. Dafür machen wir zunächst die Arbeit der Hausärztinnen und Hausärzte attraktiver, streichen Budgetvorgaben und schaffen die bürokratischen Quartalspauschalen ab“, sagt Lauterbach. Zudem sollen Arzttermine einfacher zu bekommen sein, unnötige Arztbesuche entfallen sowie das Angebot für die psychische Betreuung von Kindern und Jugendlichen ausgebaut werden. Der Gesetzentwurf ist auf der Webseite des Gesundheitsministeriums einsehbar.
Wegfall der Budgetobergrenzen
Doch wie will Karl Lauterbach dies erreichen? Ein wichtiger Reformschritt: Starre Budget-Obergrenzen für Hausärzte sollen zukünftig entfallen. Bisher sorgten die Obergrenzen dafür, dass Hausärzte speziell zum Quartalsende hin entweder Mehrarbeit leisteten, ohne diese vergütet zu bekommen - oder ihre Praxis sogar schlossen, weil sie im Zweifel für die Behandlung draufgezahlt hätten. Von dieser Maßnahme verspricht sich Lauterbach auch, dass Hausärzte gesetzlich Versicherten wieder mehr Arzttermine anbieten.
Diese Endbudgetisierung gilt für die allgemeine hausärztliche Versorgung sowie die Versorgung in der Kinder- und Jugendmedizin. Das bedeutet jedoch nicht, dass Hausärzte zukünftig alles ersetzt bekommen. „Alle Leistungen müssen, auch wenn sie künftig in voller Höhe nach den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet werden, weiterhin dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 entsprechen. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, dürfen Versicherte nicht beanspruchen und dürfen die Ärztinnen und Ärzte nicht bewirken“, heißt es im Gesetzentwurf.
Als zweiten Reformschritt soll es zukünftig eine jährliche „Versorgungspauschale“ für Hausärzte geben, die chronisch kranke Patienten betreuen. Das zielt vor allem auf die Vergabe dringend notwendiger Medikamente. Bisher ist es so, dass chronisch erkrankte Patientinnen und Patienten in jedem Quartal die Arztpraxis aufsuchen müssen, um sich ein regelmäßig benötigtes Medikament neu verschreiben zu lassen. Das soll zukünftig entfallen. Auch dadurch sollen zusätzliche Kapazitäten frei werden und die Arztpraxen weniger belastet.
In eine ähnliche Richtung geht die Einführung sogenannter Vorhaltepauschalen. Sie sollen zusätzliches Geld für Arztpraxen bereitstellen, die regelmäßig zu Haus- und Pflegeheimbesuchen fahren oder bedarfsgerechte Öffnungszeiten bieten, etwa auch am Wochenende. Gerade in ländlichen Regionen, wo viele ältere Menschen mit eingeschränkter Mobilität leben, sehen sich Hausärzte oft mit der Situation konfrontiert, dass sie zu den Patienten fahren und sie in ihren eigenen vier Wänden betreuen müssen. Ein Mehraufwand, der heute oft noch nicht vergütet wird.
Gemeinden und Städten soll es zudem erleichtert werden, kommunale Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu gründen, damit sie die Versorgung vor Ort noch besser mitgestalten können. Ein Medizinisches Versorgungszentrum ist eine Einrichtung, in der Ärzte und andere Gesundheitsfachkräfte verschiedener Fachrichtungen zusammenarbeiten, um eine umfassende ambulante medizinische Versorgung anzubieten. Sie sollen es Patienten ermöglichen, mehrere medizinische Dienstleistungen an einem Ort zu erhalten, was die Koordination und Qualität der Behandlung verbessern kann und zusätzliche Wege erspart.
Mehr Transparenz gegenüber Patientinnen und Patienten
Geplant sind auch Schritte, um die Transparenz gegenüber Patientinnen und Patienten zu erhöhen. Für gesetzlich Kranken- und Pflegeversicherte soll laut Entwurf ein digitales Informations- und Vergleichsangebot eingerichtet werden. Dort sollen unter anderem Daten zu Genehmigungen, Ablehnungen und Widersprüchen bestimmter Kassenleistungen verfügbar sein. Auch Informationen zur Bearbeitungsdauer sowie zur Qualität von Beratungs- und Unterstützungsangeboten sollen eingesehen werden können.
Während die neue Informationspflicht mehr bürokratischen Aufwand bedeuten könnte, sind zugleich Schritte geplant, um Bürokratie abzubauen oder zumindest zu vereinfachen. Unter anderem soll die Verschreibung von Medikamenten erleichtert und Regressforderungen beschränkt werden.
Die ambulante psychotherapeutische und psychiatrische Versorgung soll verbessert und die Erbringung psychotherapeutischer Leistungen vereinfacht werden. Es werden insbesondere zusätzliche psychotherapeutische und psychiatrische Versorgungsaufträge für vulnerable Patientengruppen geschaffen, um ihnen den Zugang zur Versorgung zu erleichtern, berichtet das Bundesgesundheitsministerium.