Nach der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) warnt nun auch Gundula Roßbach, Chefin der Deutschen Rentenversicherung, das Langlebigkeitsrisiko in der privaten Altersvorsorge zukünftig nicht mehr zu berücksichtigen. Eine Expertengruppe hatte vorgeschlagen, zukünftig auch Produkte zu fördern, die keine lebenslange Zahlungen vorsehen - das könnte das Ende des Drei-Säulen-Modells bedeuten.
Als das Bundesfinanzministerium im letzten Jahr eine Expertengruppe einsetzte, um eine Reform der staatlich geförderten Altersvorsorge auszuarbeiten, die sogenannte Fokusgruppe Altersvorsorge, waren bestimmte Expertengruppen nicht vertreten. Die Deutsche Rentenversicherung war ebenso nur als Gast anwesend wie die Aufsichtsbehörde BaFin, mitreden durften sie nicht. Und auch die deutschen Aktuare arbeiteten nicht daran mit. Sehr wohl aber die Versicherungswirtschaft, Vertreter der Banken, allerlei Ministerialbeamte, die Gewerkschaften, die Verbraucherzentralen etc. Die Bundesregierung hatte bereits kommuniziert, dass sie sich bei der Reform der Altersvorsorge an den Vorschlägen der Arbeitsgruppe orientieren wolle - auch deshalb verwunderte es, dass nicht alle Expertengruppen mit am Tisch saßen.
Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe, vorgestellt im Juli 2023 in einem langen Abschlussbericht, lasen sich wie ein Kompromiss der vertretenen Interessengruppen. An der Riester-Rente soll die Bundesregierung demnach festhalten, mit nur wenigen Modifikationen, so eine Empfehlung. An einem Instrument also, das wegen hoher Kosten, überbordender Bürokratie und teils intransparenter Verträge wiederholt in der Kritik steht und seit Jahren kaum Zuwächse verzeichnet. Ein wichtiger Vorteil der Riester-Rente sollte jedoch gekappt werden. Zukünftig soll demnach der Staat auch Verträge fördern, die keine lebenslangen Rentenzahlungen mehr vorsehen, sondern nur zeitlich begrenzte Auszahlungen. Das könnte ein Zugeständnis an Verbraucherzentralen und Gewerkschaften sein, die statt Lebensversicherungen vermehrt ETFs als Altersvorsorge empfehlen. Diese Indexfonds werden oft in der Form von Entnahmesparplänen ausgezahlt: die oft nur bis zum 85. Lebensjahr berechnet werden.
"Gefahr der Altersarmut könnte steigen"
Bereits die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) hatte vor wenigen Tagen kritisiert, dass eine staatlich geförderte Altersvorsorge auch das Langlebigkeitsrisiko absichern müsse. Die Aktuare betonen, dass der Bedarf an finanzieller Absicherung im Alter hoch bleibe, da die Sicherung grundlegender Bedürfnisse wie Wohnen, Essen, Gesundheit, Kommunikation und mehr unerlässlich sei. Zusätzlich dazu wollten viele Menschen auch weiterhin Aktivitäten wie Hobbys und Reisen genießen. „Entnahmesparpläne, die von manchen als Instrument der Absicherung genannt werden, bieten jedoch keinen ausreichenden Schutz. Sie werden bis zu einem bestimmten Alter, etwa 85 Jahre, berechnet und danach steht der Betroffene nackt da“, erläutert Maximilian Happacher, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. Dieses "danach" könne ganz schön lang sein, ergänzte der Mathematiker.
Ähnlich wie die Aktuare äußert sich nun Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV). „Die Menschen unterschätzen ihre Lebenserwartung“, sagte sie laut einem „Handelsblatt“-Bericht auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. (aba). „Die Gefahr der Altersarmut im höheren und höchsten Alter könnte letztendlich steigen“, so Roßbach.
Roßbach verwies auf die Zahlen, die solchen Auszahlungsplänen und der begrenzten Auszahlung bis zum 85. Lebensjahr zugrunde liegen. Blickt man allein auf die durchschnittliche Lebenserwartung, dann ist ein begrenzter Zahlplan ausreichend. Laut Statistischem Bundesamt beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt für Frauen 82,9 Jahre und für Männer sogar nur 78,2 Jahre. Doch diese Rechnung trügt. Mehr als jede zweite Frau wird älter als 87 Jahre, bei den Männern sind es derzeit immerhin 36 Prozent. Und die Lebenserwartung soll weiter steigen. Fußnote: In der durchschnittlichen Lebenserwartung sind auch die Menschen enthalten, die jung sterben, zum Beispiel durch einen Unfall oder eine schwere Krankheit.
Gundula Roßbach verwies laut „Handelsblatt“ zudem darauf, dass das Drei-Säulen-Modell der Altersvorsorge auf der Kippe steht, wenn die Rentenreform ohne lebenslangen Verrentungszwang umgesetzt werde. Es könne nicht sein, dass künftig nur die gesetzliche Rente und die betriebliche Altersvorsorge für lebenslange Absicherung sorgten, während man sich in der dritten Säule mit einer „Lebensabschnittssicherung“ zufriedengebe, sagte Roßbach laut „Handelsblatt“. Dann werde aus dem Drei-Säulen-Modell ein Zwei-Säulen-Modell.