Mehrere Krankenkassen rechnen damit, dass der Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung schon 2025 steigen muss, damit die Pflegekassen handlungsfähig bleiben. Demnach sehen sich die gesetzlichen Anbieter mit unerwartet stark steigenden Kosten konfrontiert. Vor allem die Zahl der Pflegebedürftigen schoss binnen eines Jahres unerwartet stark in die Höhe.
Schon im kommenden Jahr müssen sich die gesetzlich Pflegeversicherten darauf einstellen, dass der Pflegebeitrag erneut angehoben werden muss. Das berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Demnach gehen sowohl die DAK als auch der Verband der Ersatzkassen Nordrhein-Westfalen (VdEK) davon aus, dass der Pflegebeitrag in seiner jetzigen Höhe nicht zu halten sein wird.
“Die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit des Gesamtsystems macht nach aktueller Datenlage eine Beitragssatzanhebung voraussichtlich schon zu Beginn des Jahres 2025 erforderlich“, sagte der VDEK demnach der „Rheinischen Post“. Demnach dürften die Finanzen der Pflegekassen bereits im ersten Quartal 2025 derart geschrumpft sein, dass sie weniger als eine Monatsausgabe betragen. In diesem Fall dürfe die Bundesregierung per Rechtsverordnung den Pflegebeitrag raufsetzen.
Ähnlich hatte sich Mitte Mai bereits der unabhängige Stabilitätsrat geäußert: ein Gremium, das die Haushaltsführung von Bund und Ländern überwacht. „Schon im kommenden Jahr rechne ich mit einer Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge um mindestens einen halben Prozentpunkt“, sagte der Beiratsvorsitzende Thiess Büttner der „Bild“. Auch in den folgenden Jahren seien weitere Beitragssteigerungen notwendig, warnte der Experte. Laut "Bild" sei auch in Regierungskreisen davon die Rede, dass der Beitrag um 0,6 Prozentpunkte steigen müsse.
Mehr Pflegebedürftige, teure Reformen
Ein Grund für die höheren Kosten ist, dass die Zahl der Pflegebedürftigen weit stärker ansteigt als erwartet. „Demografisch bedingt wäre 2023 nur mit einem Zuwachs von rund 50.000 Personen zu rechnen gewesen. Doch tatsächlich beträgt das Plus über 360.000“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Montag. Er sprach von einem „akuten Problem in der Pflegeversicherung“. Lauterbach führt dies auch auf einen Sandwich-Effekt zurück: Nicht nur die Elterngeneration der sogenannten Babyboomer, oft hochbetagt, wird nun pflegebedürftig. Sondern auch deren Kinder, eben die Babyboomer, wenn sie nicht gesund sind.
Doch es gibt weitere Gründe für die Teuerungen. Auch die Pflegeheime und ambulanten Dienste sind von Inflation und Teuerungen betroffen, für Materialien, Medizin und Dienstleistungen müssen sie mehr bezahlen.
Die Inflation wirkt sich unter anderem dadurch aus, dass die Begrenzung des Eigenanteils für Pflegeheim-Bewohner mehr kostet als geplant. Je nach Aufenthaltsdauer im Heim erhalten Pflegebedürftige Zuschläge, um sie finanziell zu entlasten, nachdem die Eigenanteile in den letzten Jahren regelrecht explodiert sind. Ursprünglich waren für das Jahr 2022 hierfür Mehrausgaben von 2,75 Milliarden Euro eingeplant worden. Tatsächlich dürften die Ausgaben bei 3,6 Milliarden Euro gelegen haben, so eine Studie des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP). Für 2024 sind laut den WIP-Berechnungen sogar Ausgaben in Höhe von 5,4 Milliarden Euro zu erwarten. Bis zum Jahr 2040 könnte sich ohne einschneidende Reformen der Pflegebeitrag verdoppeln, warnt das Institut, das der privaten Versicherungswirtschaft nahe steht.
Zudem wurde das Gehalt für Pflegepersonal verpflichtend angehoben: notwendigerweise, da sich bundesweit ein massiver Mangel an Pflegekräften abzeichnet. Karl Lauterbach plant weitere Reformschritte, um den Pflegeberuf attraktiver zu machen und pflegende Angehörige zu entlasten. So soll eine neue Mischform aus ambulanter und stationärer Pflege entstehen, sogenannte Pflegewohnungen. Das Angebot sieht vor, dass Menschen in einer Wohnung leben, in der sie rund um die Uhr betreut werden. Pflegekräfte sollen zudem mehr Befugnisse erhalten und mehr Ausbildungsoptionen.
Weitere Reformen kosten Geld: Das Pflegegeld wurde zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent erhöht. Das Pflegeunterstützungsgeld, welches es erlaubt, bei einem akuten Pflegefall den Job zu unterbrechen, wird nun länger gezahlt. Geld- und Sachleistungen sollen automatisch an die Inflation angepasst werden, hier greift die erste Stufe zum 1. Januar 2025. Das Verfahren für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit wird ebenfalls reformiert und erleichtert, entsprechend müssen aber auch Unterlagen und Prozesse angepasst werden.