Einbruchdiebstahl: Warum ein Versicherungsnehmer nicht alle Einbruchspuren stimmig nachweisen muss

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Ein Versicherer darf die Leistung nicht pauschal verweigern, wenn nach einem Einbruch der Versicherungsnehmer nicht alle Einbruchspuren stimmig nachweisen kann. Es reicht für die Leistungspflicht aus, wenn das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls durch ein Mindestmaß an Tatsachen gestützt wird, die nach der Lebenserfahrung einen Diebstahl wahrscheinlich machen. Das zeigt ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2015 (IV ZR 171/13).

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Jahr 2015 mit einem Urteil konkretisiert, wie weit die Beweispflicht eines Versicherungsnehmers geht, wenn in seine Wohnung eingebrochen wurde. Und dabei ein verbraucherfreundliches Urteil gefällt. Wenn ein Versicherungsnehmer einen Einbruch von seinem Hausratversicherer ersetzt haben will, profitiert er demnach von einer Beweiserleichterung nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Laut dem Urteil setzt ein vom Versicherungsnehmer zu beweisendes äußeres Bild eines Einbruchdiebstahls nicht voraus, dass vorgefundene Spuren "stimmig" in dem Sinne sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Insbesondere müssen nicht sämtliche, typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein.

Diebstahl wertvoller Uhren verursacht angeblich sechsstelligen Schaden

Im konkreten Rechtsstreit machte der Kläger Versicherungsleistungen aus einer gewerblichen Firmen-Inhaltsversicherung geltend. Er unterhielt eine Uhrmacher-Werkstatt. Im Januar 2002 meldete der Hausmeister, dass versucht worden sei, in die Geschäftsräume einzubrechen. Der Kläger hielt sich zu dieser Zeit in der Türkei auf.

Die Polizei wurde zur Werkstatt gerufen und nahm den vermeintlichen Einbruch auf. Sie fand ein aufgehebeltes Fenster auf der Rückseite des Hauses, davor Fußspuren im Schnee sowie mehrere Armbanduhren, die sich unter anderem auf dem Fenstersims und dem Treppenboden befanden. Die Eingangstür stand offen. Die Tür hatte drei Verschlussriegel, die zweitourig (mit zwei Umdrehungen) herausgefahren wurden. An der Tür befanden sich zahlreiche Werkzeugspuren. Diese Spuren wiesen auch die Geschäftsräume von zwei anderen Firmen im Haus auf, bei denen der Einbruch aber nicht gelang und deren Türen noch verschlossen waren.

Schließlich machte der Uhrmacher den Schaden bei seinem Versicherer geltend. Dabei ging es um nicht wenig. Er behauptete, dass bei dem Einbruch 4.770 in Kartons verpackte Uhren mit einem Gesamtwert von 271.950 Euro, sechs Ausstellungsstücke mit einem Wert von 306 Euro und zwei für die Produktion benötigte Apparate mit einem Wert von 13.559 Euro entwendet worden seien. Zugleich wurde deutlich, dass sich der Uhrmachermeister zu dem Zeitpunkt des Rechtsstreits bereits in finanziellen Schwierigkeiten befunden hatte: Etwas mehr als 40.000 Euro sollte der Versicherer direkt an eine Sparkasse aufgrund einer Pfändung zahlen.

Der Versicherer aber wollte nicht zahlen: Und warf dem Uhrmacher vor, den Einbruch nur vorgetäuscht und folglich Versicherungsbetrug begangen zu haben. Ein Gutachter habe demnach festgestellt, dass zum einen die Werkzeugspuren nur bei geöffneter Tür hätten verursacht werden können und zum anderen das gewaltsame Aufbrechen der Türriegel auch hätte dazu führen müssen, dass die Türzarge hätte beschädigt sein müssen, was aber nicht der Fall gewesen sei. Deshalb wurde der Kläger wiederum vom Versicherer wegen des Vortäuschens einer Straftat verklagt Ein weiterer Sachverständiger kam hierbei zu dem Ergebnis, dass die Schließriegel beim Öffnen der Tür nicht ausgefahren gewesen sein können, was der Uhrmacher aber mit einem Gegengutachten widerlegen konnte.

...notwendigerweise Beweiserleichterung

Während das Landgericht Frankfurt am Main dem klagenden Uhrmacher Recht gab und so darauf bestand, dass der Versicherer -mit Ausnahme der geforderten Zinsen- zahlen muss, entschied das Oberlandesgericht der Hessischen Metropole in der Berufung gegen den Kläger. So landete der Rechtsstreit schließlich vor dem Bundesgerichtshof. Dieser sah sich nun mit der Tatsache konfrontiert, dass es sowohl Gutachten gibt, die gegen einen Einbruch sprechen - als auch solche, die es nahelegen, dass ein Einbruch tatsächlich stattgefunden hat.

Dort entschieden die Richter zunächst im Sinne des klagenden Uhrmachers und hoben das Urteil des Oberlandesgerichtes auf. Dabei hob der BGH auf das Prinzip der Beweiserleichterung nach dem Versicherungsvertragsgesetz ab. Ein Einbrecher sei demnach bemüht, bei seiner Tat wenig Spuren zurückzulassen und unbeobachtet zu bleiben. Deshalb sei es aber im Nachhinein auch oft nicht möglich, im Nachhinein den Tatverlauf konkret festzustellen bzw. zu rekonstruieren.

„Da sich der Versicherungsnehmer gerade auch für solche Fälle mangelnder Aufklärung schützen will, kann nicht angenommen werden, der Versicherungsschutz solle schon dann nicht eintreten, wenn der Versicherungsnehmer nicht in der Lage ist, den Ablauf der Entwendung in Einzelheiten darzulegen und zu beweisen“ führte der BGH aus. „Der Versicherungsnehmer genügt deshalb seiner Beweislast bereits dann, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen“, so die urteilenden Richter. Zu diesem Minimum an Tatsachen, die das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls ausmachen, gehöre, dass die als gestohlen gemeldeten Sachen unauffindbar sind und Einbruchspuren vorhanden.

Warum das Versicherungsvertragsgesetz diese Beweiserleichterung vorsieht, scheint logisch: immer dann, wenn ein Versicherungsnehmer bzw. die Polizei einen Einbruchdiebstahl nicht ganz genau rekonstruieren kann, müsste der Geschädigte befürchten, dass der Versicherer nicht zahlt. Und das dürfte nach Diebstählen eher die Regel sein als die Ausnahme. Deshalb sieht das Versicherungsvertragsgesetz den „Beweis des äußeren Bildes“ vor: Der Versicherungsnehmer „muss lediglich den Sachverhalt beweisen, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das äußere Bild eines Versicherungsfalles erschließen lässt“, heißt es darin wie bereits zitiert (§ 3 VVG).

Keine Voraussetzung für die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Einbruch sei dagegen, „dass die festgestellten Spuren stimmig in dem Sinne sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen“, hob der BGH zugleich hervor. Insbesondere müssten nicht sämtliche typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein. „Zweck der Beweiserleichterung zugunsten des Versicherungsnehmers, der in aller Regel keine Zeugen oder sonstigen Beweismittel für den Diebstahl beibringen kann, ist gerade, ihm die Versicherungsleistung auch dann zuzuerkennen, wenn sich nach den festgestellten Umständen nur das äußere Geschehen eines Diebstahls darbietet, auch wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden kann“, heißt es hierzu im Urteilstext.

Hier hob der BGH hervor, dass das Oberlandesgericht als Vorinstanz die Anforderungen an die Darlegung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls überspannt habe und einen falschen Maßstab angelegt. Der BGH betonte, dass es gerade der Sinn der Beweiserleichterung sei, auch dann Versicherungsschutz zu gewähren, wenn nicht alle üblichen Spuren vorhanden sind, da Einbrecher oft versuchen, möglichst wenig Spuren zu hinterlassen.

Der Nachweis, dass es sich doch um Versicherungsbetrug handeln könnte, obliegt nun dem Versicherer. Sobald der Versicherungsnehmer das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls bewiesen hat, muss die Versicherung ihrerseits mit hoher Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht war. "Nur wenn ein Einbruch auf dem Wege, wie er nach dem äußeren Spurenbild vorzuliegen scheint, aus anderen Gründen völlig auszuschließen ist, kann es trotz Vorhandenseins an sich genügender Spuren am Nachweis der erforderlichen Mindesttatsachen fehlen", heißt es im Urteilstext.

Der BGH wies daher die Sache an das Berufungsgericht zurück. "Der Umstand, dass das Fehlen weiterer Spuren an der Tür bei einem erfolgten Einbruch unwahrscheinlich sein mag, kann allerdings für die Frage der Vortäuschung des Versicherungsfalles bedeutsam werden. Dies hat das Berufungsgericht nicht beachtet und deshalb nicht geprüft, ob das Fehlen weiterer Spuren für sich allein oder im Zusammenhang mit anderen Indizien, für die insoweit die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig wäre“, hob das Gericht hervor.