Versicherungs-Bashing zur Elementarpflicht in der heute-show: schale Lacher, kurze Sicht

Quelle: Screenshot@ZDF

Elementarschaden-Versicherungspflicht gut, verhindernde Versicherer böse? Die polemische Sicht der ZDF-heute-show greift zu kurz. Denn eine Pflichtversicherung wäre ein Pyrrhussieg für die Bewohner und ein Feigenblatt für die Politik, solange dem nicht politische Maßnahmen vorausgehen. Ein Kommentar von Martin Gräfer, Vorstand der Versicherungsgruppe die Bayerische.

Die Welt ist so schön klar in schwarz und weiß: Hier die simple Lösung einer Elementarschaden-Versicherungspflicht, die Hausbesetzer in Hochwassergebieten endlich vor dem Ruin rettet. Dort die bösen Versicherer mit ihrem sinistren Lobbyverband GDV, die genau das aus reiner Profitgier verhindern. So stellt man sich die Realität offensichtlich in der Redaktion der ZDF heute-show vor. Die Satire-Sendung hat in ihrer letzten Ausgabe wieder einmal ganz tief in die Klischeekiste gegriffen und kräftig gegen unsere Branche ausgeteilt. Ganz nach dem Motto: Versicherungs-Bashing geht immer! (Hier ein Link zur Sendung)

Quelle: Versicherungsgruppe die Bayerische

Jedoch versteinert sich das Lachen schnell, wenn nach einem weiteren Jahrhunderthochwasser und vielen Menschen in Not weitsichtige Lösungen dringender gefordert sind, denn je. Denn bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die Elementarschadenpflicht aus meiner Sicht als Nebelkerze, die genau diese Weitsicht versperrt.

Pyrrhussieg zugunsten eines Weiter-so im Hochwasserschutz

Ich habe in den Tagen nach den tragischen Hochwasserereignissen in vielen Teilen Süddeutschlands mehrere betroffene Sportvereine besucht, die aus der Katastrophe teils Schäden von bis zu zwei Millionen Euro davongetragen haben. Schlimme Schicksale, bei denen sich die Frage stellt: Warum haben diese Vereine keinen Versicherungsschutz und brauchen daher unsere gemeinschaftliche Hilfe als Gesellschaft? Die Antwort ist leider simpel - die Vereine haben in Regionen gebaut, die in einem natürlichen Überschwemmungsgebiet nahe verlaufender Flüsse liegen. Baugebiete, die ihnen am Rande von Gemeinden oder Städten zugewiesen wurden. Und dort hat die kommunale Politik leider allzu oft nicht in eine ausreichende Vorsorge und Prävention für den Schutz vor Hochwassern investiert. Liegt die Lösung also allein in einer Versicherungspflicht? Blicken wir auf die hypothetischen Folgen.

Fakt ist: Viele Kunden könnten sich die mittelfristig enorm hohen Prämien bei einer Pflicht kaum leisten. Die meisten Experten gehen davon aus, dass es zu explodierenden Preisen kommen würde. Eine weitere dramatische Belastung in einem Land, in dem Wohnen für viele schon heute kaum mehr bezahlbar ist. Kein Hochwasser würde dadurch verhindert werden. Und Bewohner in besonders gefährdeten Regionen müssten trotz finanzieller Absicherung weiterhin mit den für Leib und Leben existenziellen Risiken ähnlicher Katastrophen leben. Das alles, während es für Versicherer aufgrund der nicht zu zeichnenden Risiken in bestimmten Regionen kaum mehr möglich wäre, überhaupt einen solchen Versicherungsschutz anzubieten und das angemessene Risikokapital zu vernünftigen Preisen zur Verfügung zu stellen. Nicht zu vergessen, dass der notwendige Rückversicherungsschutz schon heute immer teurer wird.

Ein entscheidender Anreiz würde dagegen für genau die Maßnahmen entfallen, welche die Menschen in den Hochwassergebieten am dringendsten brauchen, um in Zukunft effektiv geschützt zu sein: massive – vor allem staatlich geförderte – kommunale und private Investitionen in die Prävention und den Schutz vor Hochwassern. Kurz gesagt: eine effektive Strategie der Klimafolgenanpassung. Die Pflichtversicherung wäre ein Pyrrhussieg für die Bewohner und ein Feigenblatt für die Politik, um die Versäumnisse beim Hochwasserschutz in vielen Regionen Deutschlands (siehe Ahrtal) zu verschleiern und längst überfällige Investitionen weiter aufzuschieben.

Wenn Pflicht, dann dreifach

Dennoch gibt es valide Argumente für eine privatwirtschaftlich organisierte Elementarschutzpflicht, wie Sie jüngst zum Beispiel mein geschätzter Branchen-Kollege Prof. Dr. Hartmut Nickel-Waninger für den Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (SVRV) formulierte. Nach dessen Vorschlag würde der Elementarschutz erst ab einer bestimmten Schadenschwelle greifen – dadurch würden Prämienexplosionen verhindert und der Anreiz zur Eigenvorsorge würde gestärkt werden.

Und tatsächlich würde auch ich einer solche Pflicht unter bestimmte Rahmenbedingungen zustimmen, die ich heute jedoch bei weitem nicht als erfüllt ansehe. Denn eine Pflicht zum Elementarschutz hat aus meiner Sicht zwei andere Pflichten als zwingende Vorbedingung: Das ist zum einen die Pflicht zur Bereitstellung erheblichen Kapitals zur Gewährleistung des nötigen Rückversicherungsschutzes, ohne den keine Elementarpflicht denkbar wäre. Da ist zum anderen wesentlich aber die Pflicht für Kommunen und Landkreise zu den oben bereits angesprochenen Investitionen in den Hochwasserschutz. Dieser muss aus meiner Sicht Ausgangspunkt der gesamten Diskussion sein. Die Politik ist gefordert, zeitnah und massiv in Prävention und Vorsorge zu investieren. Das sollte jedem Versicherungsschutz vorausgehen.

Denn erst dann, wenn die durch den Klimawandel zunehmenden Starkregenereignisse nicht mehr zwangsläufig jedes Mal zu überschwemmten Häusern, Autos und der Zerstörung weiteren Eigentums führen, kann der flächendeckende Elementarschadenschutz durch Versicherer und deren Rückversicherer realisiert werden. Erst dann, wenn alle politischen Hausaufgaben in punkto Hochwasserprävention als nötige Anpassung an die Folgen des Klimawandels erledigt sind, wird es für Versicherer überhaupt möglich sein, einen bezahlbaren Elementarschadenschutz für alle anzubieten. Erst dann wird vielleicht auch der heute-show klar werden, dass das Problem bei Hochwasserkatastrophen nicht die Versicherer sind.