Auch im kommenden Jahr müssen sich privat Krankenversicherte auf steigende Prämien einstellen. Das folgt auch aus neuen PKV-Sterbetafeln, die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vorgelegt hat. Aber auch aus der Preispolitik einiger Versicherer, die Kostensteigerungen grundsätzlich nur verspätet weitergeben dürfen.
Die privaten Krankenversicherer haben zum Jahreswechsel die Beiträge in der Krankenvollversicherung laut PKV-Verband um durchschnittlich sieben Prozent erhöht. Doch das dürfte noch nicht das Ende der Teuerungen sein. Wie das Handelsblatt berichtet, gehen PKV-Experten davon aus, dass die Prämien auch im kommenden Jahr in manchen Tarifen deutlich steigen werden. Wahrscheinlich seien in einigen Tarifen Anpassungen im zweistelligen Bereich.
Im Handelsblatt-Artikel werden vor allem zwei Gründe für die Teuerungen genannt: Die Inflation und neue Sterbetafeln, die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vor wenigen Tagen präsentiert hatvor wenigen Tagen präsentiert hat. Die Sterbetafeln spiegeln wieder, dass sich die Lebenserwartung der privat Krankenversicherten erneut leicht erhöht hat.
Sterbetafeln in der privaten Krankenversicherung zeigen die Wahrscheinlichkeitzeigen die Wahrscheinlichkeit, mit der Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts in Deutschland innerhalb des nächsten Jahres sterben werden. Sie helfen dabei, Risiken und Prämien zu berechnen. So geht die BaFin davon aus, dass von einer Million 61-jähriger Frauen 2785 das 62. Lebensjahr nicht erreichen werden. Im Jahr zuvor lag dieser Wert bei 2789.
Angehoben werden darf auch der Beitrag in einem PKV-Tarif -stark vereinfacht- nur, wenn mindestens einer von zwei auslösenden Faktoren vorliegt: Die Leistungsausgaben weichen von der bisherigen Kalkulation um fünf Prozent ab oder die allgemeine Lebenserwartung hat sich um diesen Wert verändert. Deshalb gehen Marktbeobachter davon aus, dass die Anbieter in den Tarifen die Korrektur bei den Sterbetafeln an die Versicherten weitergeben werden. Ältere Personen haben statistisch höhere Krankheitskosten als jüngere.
Prämienanpassungen im zweistelligen Prozentbereich?
Das „Handelsblatt“ zitiert Versicherungsmakler Sven Hennig aus Stralsund, der auf Kranken- und Berufsunfähigkeitstarife spezialisiert ist. Er verweist auf das umkämpfte Neugeschäft: Gerade in Tarifen, die auf jüngere Zielgruppen zugeschnitten sind, würden die Krankenversicherer die Prämien länger stabil halten und mit alten Sterbetafeln kalkulieren. „Wenn dann Inflation, Sterbetafeln und andere Preisfaktoren für mehrere Jahre auf einmal berücksichtigt werden müssen, kommt das böse Erwachen“, so Hennig. Er rechne, damit, dass einige Privatversicherte mit einer sprunghaften Beitragsanpassung im zweistelligen Prozentbereich konfrontiert sein werden. Laut Artikel habe zum Beispiel die Debeka die Prämie in ihren Tarifen zum Jahreswechsel um durchschnittlich 17,6 Prozent erhöht.
Der Verband der privaten Krankenversicherer argumentiert regelmäßig, dass die Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung, wo sie sich an den Löhnen orientieren, schneller steigen als in der privaten Krankenvollversicherung. Das „Handelsblatt“ verweist allerdings auf Zahlen des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP), wonach die PKV-Prämien in den letzten Jahren stärker gestiegen sind. Demnach betrug die prozentuale Veränderung im PKV-System durchschnittlich 20,0 Prozent, im GKV-System hingegen 15,2 Prozent.
Weitere Gründe für Teuerungen
Und es gibt weitere Gründe, weshalb die PKV mit Teuerungen zu kämpfen hat. In den Jahren von 2017 bis 2022 sind die Abschluss- und Verwaltungsaufwendungen bei insgesamt stagnierender Versichertenzahl deutlich gestiegen, wie der Verband der Ersatzkassen (VDEK) mit Verweis auf PKV-Zahlen berichtet. Die Abschlussaufwendungen kletterten von 2,47 Milliarden Euro auf 3,08 Milliarden, die Verwaltungskosten von 888,8 Millionen auf 1,044 Milliarden Euro. Der Trend zu steigenden Ausgaben zeigt schon vor dem Rekord-Inflationsjahr 2022 eine deutliche Aufwärtstendenz.
Auch die Teuerung bei Arzneimitteln belastet die privaten Anbieter teilweise stärker als die gesetzlichen Krankenkassen. Der Grund: Private Krankenversicherer sind eher bereit, neue Medikamente (deren Preis nicht gedeckelt ist) zu erstatten, sie werben sogar damit und stellen sich als Treiber medizinischer Innovationen dar. Das bedeutet aber auch, dass die PKV zum Teil teure Nachahmerprodukte mit begrenztem medizinischen Nutzen erstattet - und seltener auf Generika zurückgreift. Generika sind Medikamente, deren Patentschutz abgelaufen ist, so dass andere Hersteller den gleichen Wirkstoff günstiger anbieten können als der Originalhersteller. Eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP) zeigt, dass bei Privatversicherten 20,8 Prozent der verordneten Arzneimittel patentgeschützte Präparate sind, in der GKV sind es 6,5 Prozent.
Auch belastet die Alterung der Gesellschaft die privaten Krankenversicherer. Zwar bilden sie Alterungsrückstellungen und damit einen Kapitalpuffer, über den die Krankenkassen nicht verfügen. Aber gerade in Tarifen, die schnell überaltern und wenige neue Versicherte nachkommen, kann sich die Demographie in stark steigenden Beiträgen auswirken. Das Durchschnittsalter der Privatversicherten lag im Jahr 2022 mit 45,84 Jahren sogar über dem Durchschnittsalter in der gesetzlichen Krankenversicherung (43,99 Jahre), wie Daten des WIP zeigen. Direkt weitergeben dürfen die Privatversicherer die Kosten aber nur, wenn die beiden auslösenden Faktoren Gesundheitskosten und höhere Lebenserwartung erfüllt sind, weshalb die Branche hier Reformen fordert.