Hochwasser: Elementarschutz in gefährdeten Regionen kaum nachgefragt

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Die gute Nachricht: Nach den Hochwassern in weiten Teilen Süddeutschlands steigt die Nachfrage nach Wohngebäudeversicherungen mit Elementarschutz. Die schlechte Nachricht: Dies gilt vor allem für Regionen mit geringem Hochwasserrisiko gemäß dem Zonierungssystem der Versicherer. In höheren Zürs-Zonen wird häufiger auf diese Versicherungen verzichtet, und in den Zürs-Zonen 3 und 4 sind die Abschlusszahlen schockierend niedrig.

Nachdem verheerende Überschwemmungen in Süddeutschland erneut extrem hohe Kosten verursacht haben und nach ersten Schätzungen die Privatversicherer zwei Milliarden Euro an Schäden ersetzen müssen, diskutiert Deutschland über eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Ein solcher Elementarschutz ist notwendig, damit der Versicherer auch bei Hochwasser und anderen Schäden aus Naturgefahren zahlt. Doch noch immer ist nicht einmal jede zweite Immobilie in Deutschland abgesichert. Das war Anlass für den Maklerdienstleister Jung, DMS & Cie., im aktuellen Trendbarometer danach zu fragen, wie es um die freiwillige Absicherungsbereitschaft der Immobilieneigner bestellt ist. Dafür hat das unabhängige Analysehaus MORGEN & MORGEN exklusiv zehntausende anonymisierter Berechnungsvorgaben analysiert, bei denen eine Gebäudeversicherung neu abgeschlossen wurde.

Fast 90 Prozent der Elementarschaden-Angebote entfallen auf niedrigste Gefährdungszone

Positiv: Der überwiegende Teil der neu abgeschlossenen Wohngebäude-Verträge wird mit Elementarschutz berechnet. Ein Blick auf die letzten Jahre zeigt: Extremwetter und Bilder von vollgelaufenen Kellern haben bei vielen Immobilienbesitzern ein Umdenken bewirkt. Laut Daten von MORGEN & MORGEN sank die Nachfrage nach Gebäudeversicherungen ohne Elementarabsicherung von 41 Prozent im Jahr 2022 auf aktuell rund 32 Prozent.

Allerdings gibt es hier ein Problem, wie die weitere Analyse zeigt. Denn je höher das Hochwasserrisiko in einer Region ist, desto häufiger wird auf den Einschluss von Naturgefahren verzichtet. Fast 90 Prozent der Gebäude, bei denen eine Elementarversicherung berechnet wurde, liegen in der ZÜRS-Zone 1 – also in Regionen, die nach aktueller Datenlage nicht von Hochwasser betroffen sind.Das ist insofern zu relativieren, da anhaltender Starkregen überall auftreten und Schäden verursachen kann, wie die Versicherungswirtschaft betont. Trotzdem ist hier das Risiko sehr gering.

Aber schon in der Zürs-Zone 2, wo ein Hochwasser nach Zahlen der Versicherer seltener als einmal in hundert Jahren auftritt, lässt die Absicherungsbereitschaft rapide nach. In dieser Zone wurden 2024 lediglich rund zehn Prozent aller Gebäudeversicherungen mit einem Elementarschutz berechnet. Immerhin ist hier ein leichter Anstieg zu beobachten: 2023 waren es nur acht Prozent.

Verbleiben noch zwei Gefährdungszonen, denn insgesamt weisen die Versicherer in ihrem Zonierungssystem vier Zonen aus. In Zürs-Zone 3 treten Überschwemmungen statistisch einmal in zehn bis 50 Jahren auf, was ein mittleres Risiko bedeutet. Und in Zürs-Zone 4 wird ein hohes Risiko vorausgesagt: mit Überschwemmungen mehr als einmal in vier Jahren. Hier ging die – ohnehin schon sehr verhaltene –Nachfrage nach Gebäudeversicherungen inklusive Elementarschutz in den vergangenen Jahren stetig zurück:

  • Entfielen im Jahr 2022 noch vier Prozent aller mit Elementarschutz berechneten Gebäudeversicherungen auf die Zürs-Zone 3, so waren es im Jahr 2024 nur noch knapp ein Prozent.
  • In der Zürs-Zone 4 sank die Nachfrage aller mit Elementarschutz berechneten Policen von einem Prozent in den Jahren 2022 und 2023 auf nahezu null Prozent im Jahr 2024 (in Prozent aller mit Elementarschutz berechneten Gebäudeversicherungen).

Quelle: Jung, DMS & Cie Trendbarometer 2024

Die niedrige Absicherungsbereitschaft in den Hochwassergefährdeten Regionen erklärt Jung, DMS & Cie. mit fehlenden Angeboten und hohen Kosten. Das liege „weniger am mangelnden Risikobewusstsein, sondern vielmehr daran, dass für Gebäude in den ZÜRS-Zonen 3 und 4 entweder überhaupt kein Schutz gegen Elementargefahren angeboten wird oder nur zu sehr hohen Prämien“, heißt es hierzu im Pressetext.

Ist dem so? Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft ist nur bei jedem 100. Haus ein Versicherungsschutz gegen Elementarschäden unmöglich oder wirtschaftlich nicht sinnvoll – 99 Prozent der Häuser seien jedoch problemlos versicherbar, kommuniziert der Verband. Doch die Frage ist, zu welchem Preis. Auch Carina Götzen, Aktuarin bei der Beratungsgesellschaft Meyerthole Siems Kohlruss, berichtet von hohen Beiträgen in den Zonen mit höherem Überschwemmungsrisiko. Demnach liegen in der Zürs-Zone 3 die Prämien für Elementarschutz oft deutlich über 2.000 Euro pro Jahr, während sie in der ZÜRS-Zone 4 sogar über 3.000 Euro betragen können. Ob und wie oft die Versicherer die Annahme von Versicherungsschutz verweigern, dazu fehlen verlässliche Daten.

Solche Ergebnisse könnten die Diskussion um eine Pflichtversicherung weiter anheizen: Ziel ist es auch, die Kosten in Hochrisikozonen zu senken, indem die Beitragslast auf möglichst viele Schultern verteilt wird. Die Versicherungswirtschaft lehnt einen solchen Vorschlag ab. Sie beharrt darauf, die Beiträge weiterhin risikoadäquat kalkulieren zu dürfen und warnt davor, dass die Beiträge bei einer Versicherungspflicht sogar deutlich steigen könnten. Der Grund: Überschwemmungen gehen häufig mit Kumulschäden einher. Bei einem Ereignis wie dem Hochwasser in Süddeutschland sind oft viele versicherte Häuser in einem großen Gebiet gleichzeitig betroffen, das droht auch die Versicherer zu überfordern. Eine solche Versicherungspflicht gibt es zum Beispiel in Frankreich: Allerdings trägt hier der Staat große Teile des Rückversicherungs-Risikos.