Viele träumen davon, ihre Selbstständigkeit ins europäische Ausland zu verlagern. Diese Entscheidung bietet zahlreiche Möglichkeiten, bringt jedoch auch einige Hürden mit sich. Versicherungsbote erklärt, was es zu beachten gilt.
Selbstständige, die sich im europäischen Ausland niederlassen, unterliegen in der Regel den Sozialversicherungsvorschriften des Gastlandes. Dies umfasst Kranken-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung. Die genauen Anforderungen variieren je nach Land, aber in vielen EU-Staaten müssen sich Selbstständige in das nationale Sozialversicherungssystem integrieren und entsprechende Beiträge zahlen. Beispiele hierfür sind:
- Frankreich: Selbstständige müssen sich in das französische Sozialversicherungssystem URSSAF (Union de Recouvrement des Cotisations de Sécurité Sociale et d'Allocations Familiales) integrieren und Beiträge zur Krankenversicherung (Assurance Maladie), Rentenversicherung (Retraite), Unfallversicherung (Assurance Accidents du Travail) und Arbeitslosenversicherung (Assurance Chômage) zahlen.
- Italien: Selbstständige in Italien müssen sich bei der INPS (Istituto Nazionale della Previdenza Sociale) registrieren und Beiträge zur Krankenversicherung (Servizio Sanitario Nazionale), Rentenversicherung (Pensione), Unfallversicherung (Assicurazione contro gli Infortuni sul Lavoro) und Arbeitslosenversicherung (Assicurazione contro la Disoccupazione) leisten.
- Spanien: In Spanien müssen Selbstständige in das Sozialversicherungssystem Seguridad Social integriert werden und Beiträge zur Krankenversicherung (Seguro de Salud), Rentenversicherung (Pensión de Jubilación), Unfallversicherung (Seguro de Accidentes de Trabajo) und Arbeitslosenversicherung (Seguro de Desempleo) zahlen.
Was gilt für die Krankenversicherung?
Wenngleich die Krankenversicherungspflicht und die damit verbundenen Leistungen variieren, sind Selbstständige in vielen Ländern verpflichtet, sich in das staatliche Krankenversicherungssystem einzuschreiben und Beiträge zu zahlen. Für privat Krankenversicherte allerdings gilt: viele Länder der EU akzeptieren mittlerweile das "Certificate of Entitlement“ – ein vom PKV-Verband zur Verfügung gestelltes und mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales abgestimmtes Dokument.
Das "Certificate of Entitlement“ gilt als Nachweis, dass die Krankenversicherungspflicht erfüllt ist. Oft reicht dann der PKV-Status aus, so dass sich die Selbstständigen nicht an dem Pflichtversicherungssystem des Auslands beteiligen müssen. Jedoch hängt dies teils auch von den Behörden ab. Insbesondere bei längerfristigen oder dauerhaften Aufenthalten kann es sein, dass man dennoch ins französische oder spanische System einzahlen muss – hier variieren Bedingungen von Einzelfall zu Einzelfall. Aus diesem Grund sollte man sich zeitig mit Experten der eigenen Krankenversicherung oder vor Ort im Ausland in Verbindung setzen.
Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC): kurzer, aber keineswegs ausreichender Schutz
Für Menschen, die sich nur kurzfristig in einem Land aufhalten oder die häufiger in verschiedene Länder reisen, bietet die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) einen Mindestschutz.
Diese deckt ein Mindestniveau an medizinischen Versorgungen ab, jedoch meist nur für die Dauer von 90 Tagen. Auch ist der Umfang des Krankenschutzes eingeschränkt. Denn abgedeckt werden nur:
- Notfallbehandlungen;
- Medizinische Behandlungen, die aufgrund chronischer oder bestehender Erkrankungen notwendig sind; Dialysen Sauerstofftherapien;
- Routine- und Notfallbehandlungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt;
- Verschreibungspflichtige Medikamente und medizinische Hilfsmittel.
Die EHIC deckt aber keine medizinischen Rücktransporte ab, obwohl diese enorme Kosten verschlingen können. Dies und die Beschränkung auf medizinisch notwendige Behandlungen machen einen zusätzlichen Schutz dringend empfehlenswert. Zudem müssen sich Patienten in einigen Ländern vor Inanspruchnahme von EHIC-Leistungen bei lokalen Gesundheitseinrichtungen registrieren lassen oder ein bestimmtes Verfahren zur Erstattung der Kosten befolgen.
Prüfen: „Deckt mein Versicherungsschutz medizinische Rücktransporte ab?“
Jeder Selbstständige, der im Ausland arbeitet, sollte prüfen, ob der Versicherungsschutz auch medizinische Rücktransporte abdeckt. Bei schweren Erkrankungen ist oft ein normaler Rückflug nicht möglich, da der Patient medizinisch betreut und versorgt werden muss, oft im Liegen und mit medizinischen Geräten. Dies verursacht erheblich höhere Kosten im Vergleich zu einer normalen Rückreise.
Zum Beispiel kostet ein medizinisch notwendiger Rücktransport von Mallorca nach Deutschland etwa 12.500 Euro. Der Fall eines jungen Mannes, der als IT-Spezialist in Thailand nach einem Treppensturz im Koma lag, verdeutlichte die drohenden Kosten: Der Rücktransport nach Deutschland kostete 80.000 Euro und war nur durch eine Spendenaktion möglich (Versicherungsbote berichtete).
Ein zusätzlicher privater Auslandskrankenschutz kann daher wichtig sein. Für längere Aufenthalte gibt es spezielle Tarife, die auch Arbeits- und Business-Aufenthalte abdecken. Eine internationale Krankenversicherung, die speziell für die Bedürfnisse von Arbeitsnomaden oder Selbstständigen im Ausland gedacht ist, kann hier helfen. Wer bereits durch eine private Krankenversicherung (PKV) geschützt ist, sollte überprüfen, ob sein Tarif den medizinischen Rücktransport abdeckt – und gegebenenfalls den Versicherungsschutz anpassen (Versicherungsbote berichtete).
A1-Bescheinigung: das wichtige Dokument
Ein wichtiges Dokument für Selbstständige im Ausland ist die A1-Bescheinigung; diese basiert auf der europäischen Verordnung 883/2004. Die Verordnung regelt: für Arbeitnehmer und Selbstständige, die vorübergehend in einem anderen EU-/EWR-Land arbeiten, gelten weiterhin die Sozialversicherungsvorschriften des Heimatlandes. Der Antrag für die A1-Bescheinigung muss elektronisch über das SV-Meldeportal der Sozialversicherung eingereicht werden. Selbstständige nutzen dafür eine zertifizierte Ausfüllhilfe – dank der Digitalisierung erfolgt dies ohne Papierformulare.
Die A1-Bescheinigung gilt für Entsendungen bis zu 24 Monaten. Für längere Aufenthalte muss eine Verlängerung oder eine neue Regelung getroffen werden. Aber auch bei kurzen Tätigkeiten wie Dienstreisen ist die A1-Bescheinigung notwendig, um die Sozialversicherung in Deutschland fortzuführen.
Falls im Ausland eine Pflicht zur Einzahlung in das dortige Sozialversicherungssystem besteht, sollte die A1-Bescheinigung vorgelegt werden, um zu klären, ob eine Ausnahme gewährt werden kann. Lokale Sozialversicherungsbehörden können hierbei weiterhelfen. Trotz A1-Bescheinigung kann es allerdings vorkommen, dass im Gastland eine Verpflichtung zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen besteht. In solchen Fällen kann eine Erstattung der doppelt gezahlten Beiträge beantragt werden – abhängig von bilateralen Abkommen zwischen Deutschland und dem Gastland.
Freiwillige Einzahlungen in die Rentenversicherung sind möglich
Ein Umzug ins Ausland bedeutet nicht zwangsläufig, dass man auf die deutsche Rentenversicherung verzichten muss. Selbstständige haben die Möglichkeit, weiterhin freiwillige Beiträge zu leisten, um ihre Rentenansprüche zu sichern. Die freiwillige Versicherung erfolgt grundsätzlich auf Antrag. Dieser kann zum Beispiel in einer Auskunfts- und Beratungsstelle oder bei einem Versichertenberater / Versichertenältesten gestellt werden.
Die Höhe der freiwilligen Beiträge kann flexibel gewählt werden. Es gibt Mindest- und Höchstbeiträge, die jährlich angepasst werden. Für das Jahr 2024 beträgt der Mindestbeitrag 83,70 Euro pro Monat und der Höchstbeitrag 1.320,60 Euro pro Monat. Selbstständige können selbst entscheiden, wie viel sie monatlich oder jährlich einzahlen möchten, wobei auch Einmalzahlungen möglich sind.
Besondere Regelungen für digitale Nomaden
Digitale Nomaden profitieren oft von speziellen Visa-Programmen, die es ihnen erlauben, ohne festen Wohnsitz zu arbeiten. Länder wie Portugal und Estland bieten spezielle "Digital Nomad Visa" an, die eine legale und steuerlich abgesicherte Tätigkeit ermöglichen. Allerdings sind die Visa an Bedingungen geknüpft:
- Portugal: Portugal bietet ein Digital Nomad Visa, das Nicht-EU-Bürgern erlaubt, bis zu einem Jahr im Land zu arbeiten, mit der Möglichkeit der Verlängerung. Bewerber müssen ein monatliches Einkommen von mindestens 3.280 Euro nachweisen. Die Bewerbung erfolgt online.
- Spanien: Das spanische Digital Nomad Visa wurde 2023 eingeführt und erlaubt es Remote-Arbeitern und Freiberuflern, bis zu zwölf Monate in Spanien zu bleiben – mit der Möglichkeit, auf bis zu fünf Jahre zu verlängern. Die Einkommensanforderungen betragen mindestens 2.400 Euro pro Monat.
- Italien: Italien bietet seit 2024 ein Digital Nomad Visa für hochqualifizierte Nicht-EU-Bürger an. Bewerber müssen ein jährliches Mindesteinkommen von 27.900 Euro nachweisen sowie eine Krankenversicherung, die für die gesamte Aufenthaltsdauer in Italien gilt. Die Visa-Laufzeit beträgt ein Jahr, kann aber verlängert werden.
- Estland: Estland war eines der ersten Länder, das ein spezielles Visum für digitale Nomaden einführte. Das Visum erlaubt einen Aufenthalt von bis zu einem Jahr. Voraussetzung ist ein monatliches Einkommen von mindestens 4.500 Euro vor Steuern in den letzten sechs Monaten.
- Kroatien: Kroatien bietet ein Visum für digitale Nomaden, das einen Aufenthalt von bis zu einem Jahr ermöglicht. Bewerber müssen ein monatliches Einkommen von etwa 2.350 US-Dollar oder 17.822,50 HRK (ca. 2.350 Euro) nachweisen. Nach Ablauf des Visums ist eine erneute Bewerbung erst nach sechs Monaten möglich.
Diese speziellen Visa ermöglichen es digitalen Nomaden, ihre Arbeit von verschiedenen Ländern aus fortzusetzen, wobei sie oft steuerliche Vorteile und vereinfachte Aufenthaltsregelungen genießen. Die genauen Anforderungen und Prozesse variieren je nach Land, weshalb eine gründliche Recherche und Vorbereitung unerlässlich sind.