Kunstversicherung: Wie sich digitale Plattformen und Online-Auktionen auswirken

Quelle: Hiscox Deutschland

Digitalisierung verändert auch den Kunstmarkt. Inwieweit das geschieht, wie der Zielgruppen-Versicherer Hiscox auf diese Änderungen eingeht und welche Herausforderungen das mit sich bringt, erklärt Alina Sucker-Kastl, Underwriting Manager Art & Private Clients bei Hiscox Deutschland, im Interview mit Versicherungsbote.

Frau Sucker-Kastl, welche Kriterien wurden bei der Erstellung der Hiscox Art Top 100 verwendet und wie haben sich diese Kriterien im Vergleich zum Vorjahr verändert?

Die Untersuchung erfasst Einzelwerke, also solche ohne Editionen, die seit 2000 entstanden sind und über einen Zeitraum der letzten fünf Jahre bei den bekannten Auktionshäusern Christie's, Sotheby's und Phillips versteigert wurden. Sie umfasst über 19.000 Kunstwerke von mehr als 5.400 Künstlerinnen und Künstlern.

Die Methodik für die Rangliste der HAT100-Kunstschaffenden basiert auf den Top 100 zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern mit dem größten wertmäßigen Marktanteil im Jahr 2023. Sie veranschaulicht ihre wichtige Position sowie ihren Einfluss auf dem globalen Auktionsmarkt für Werke, die nach dem Jahr 2000 erschaffen wurden. Die Rangliste wurde nach dem Verkaufswert und nicht nach der Anzahl der verkauften Werke erstellt.

Können Sie uns mehr über den Generationenwechsel auf dem zeitgenössischen Kunstmarkt 2023 erzählen? Welche Altersgruppen sind besonders hervorstechend und warum?

Da haben wir besonders interessante Einsichten gewonnen: Seit 2019 hat sich die Zahl der Kunstschaffenden, die zeitgenössische Kunstwerke auf Auktionen verkauft haben, fast verdoppelt. Im Jahr 2023 waren 2.330 Künstlerinnen und Künstler bei Christie's, Sotheby's und Phillips vertreten – das sind 22 % mehr als 2022. Und hier fällt besonders auf, dass 41 % dieser Kunstschaffenden unter 45 Jahre alt sind. Damit zeichnet sich ein Generationenwechsel ab, bei dem sich gerade jüngere Käuferinnen und Käufer auf das Sammeln von Werken von Kunstschaffenden aus ihrer eigenen Generation konzentrieren. Zudem wird weniger hochpreisige Kunst verkauft und auch immer öfter auf noch unbekannte Künstlerinnen und Künstler gesetzt, die das Potenzial haben, groß und profitabel zu werden.

Wie wirkt sich die Verjüngung sowohl der Kunstschaffenden als auch ihrer Zielgruppen auf die Nachfrage nach Kunstversicherungen aus?

Wir beobachten eine steigende Nachfrage an kleinsummigen Kunstpolicen, für die wir ein leicht verständliches und online abschließbares Produkt entwickelt haben. Eine höhere Anzahl an jungen Kunstschaffenden schafft eine erhöhte Nachfrage von Künstlerdeckungen im Studio oder die Absicherung junger Künstler einer Galerie, die sich im Markt gerade erst etablieren. Da deren Verkaufswerte noch in der Entwicklung sind, stellt das ganz andere Anforderungen an das Versicherungsprodukt in Bezug auf den Entschädigungswert. Diesen gilt es bei Vertragsschluss genau abzustimmen und gegebenenfalls im Verlauf des Vertrages anzupassen.

Welche spezifischen Herausforderungen und Chancen sehen Sie für Hiscox angesichts der jüngeren Generationen, die zunehmend Kunst kaufen und sammeln?

Die Herausforderung für klassische Kunst-Versicherer sowie Maklerinnen und Makler ist mit Sicherheit die Antragsstrecke. Dazu gehört das Abholen dieser Kundengruppe, denn sie hat höhere Ansprüche an digitalen Beratungs- und Abschlussmöglichkeiten.

Als Zielgruppenversicherer haben wir bewusst nicht nur die klassischen Kunstkäuferinnen und -käufer eher höheren Alters im Blick, sondern passen unser Angebot auch gezielt an eine jüngere, ebenfalls kunstaffine Altersgruppe an. Dazu müssen wir Potenziale erkennen und sie zügig umsetzen – das ist sowohl eine Herausforderung, aber auch eine Chance, um zielgruppennah und zukunftsorientiert zu bleiben. Auch Makler und Vermittler sollten gezielt die jungen Kunstaffinen auf dem Radar haben und sich entsprechend positionieren, um aktiv den optimalen Point of Sale, z.B. nach einer Onlineauktion, zu aktivieren.



Inwiefern unterscheiden sich die Investitionsmuster der jüngeren Kunstkäuferinnen und -käufer von denen der älteren Generationen?

Die jüngere Generation zeigt besonders großes Interesse an preiswerterer Kunst, da neben der aktuellen Inflationsentwicklung und hohen Zinsen Wert daraufgelegt wird, die nächsten aufstrebenden Trends und Künstlerinnen und Künstler zu entdecken.

Ein weiterer zentraler Unterschied zur älteren Generation ist, dass sich jüngere Kunstinteressierte vermehrt in sozialen Medien über Kunsttrends informiert. Instagram und Co. bieten auch den noch nicht arrivierten Kunstschaffenden eine gute Möglichkeit, ihren eigenen Werken und auch sich selbst eine reichweitenstarke Bühne zu geben. Junge, digital affine Kunstkäufer und -käuferinnen reizt gerade die Kunst, die noch nicht sehr bekannt ist, dadurch zu niedrigeren Preisen erhältlich und „instagrammable“ ist – die also vor allem in sozialen Medien funktioniert. Idealerweise haben solche Werke dann auch eine vielversprechende Wertentwicklung vor sich – und wenn nicht, ist das Risiko einer „Fehlinvestition“ überschaubar.



Welche Maßnahmen ergreift Hiscox, um die Bedürfnisse und Erwartungen der jüngeren Kunstkäuferinnen und -käufer besser zu verstehen und zu bedienen?

Unsere Underwriter sind aktiv in der Kunstszene unterwegs. Zudem befragen wir in regelmäßigen Abständen unsere aktiven und potenziellen Kunden, bewegen uns also sehr nah an der Zielgruppe, um stets ein kundenzentriertes Angebot bereit stellen zu können. Daneben ist es essenziell, dass Vermittlerinnen und Vermittler die entsprechenden Informationen und Beratungsleistungen auch digital, z.B. per Videokonferenz zur Verfügung zu stellen. So kommen sie mit der jüngeren Käufer-Zielgruppe leichter ins Gespräch und können das Potential auf ein höheres Transaktionsvolumen optimal ausschöpfen. Unsere Kunst-Underwriter führen regelmäßig Kunden- und Maklergespräche per Teams durch. Und wie erwähnt spielt ein einfacher, digitaler Online-Antrag für den Abschluss gerade in dieser Zielgruppeeine zentrale Rolle.

Außer den regelmäßigen Studien und Umfragen zum Thema Kunst richten wir auch seit Jahren den renommierten Hiscox-Kunstpreis für Absolventinnen und Absolventen der Hochschule für bildendende Künste Hamburg aus und sind Sponsoren von einigen Ausstellungen und Messen wie z.B. den „Highlights“ in München. All dies trägt dazu bei, dass wir ganz nah an der Szene dran sind, um ihre Bedürfnisse optimal verstehen zu können.



Wie verändert die zunehmende Bedeutung digitaler Plattformen und Online-Auktionen die Landschaft der Kunstversicherung?

Hier kommen wir wieder zum Point of Sale zurück und zu dem Moment, zu dem ein Kunde das erste Mal Kunst kauft. Auch in einer Online-Auktion erfolgt der Gefahrübergang auf die Käuferinnen und Käufer mit dem „Fall des Hammers“. Manchmal enthalten „physische“ und Online-Auktionshäuser eine Versicherung auch für den Transport, aber spätestens, wenn das Werk beim Kunden ankommt, sollte dieser dafür über einen ausreichenden Versicherungsschutz verfügen. Daher ist es wichtig, dass Makler sich entsprechend positionieren, über die Gefahrenlage beraten und den Abschluss der entsprechenden Police auch einfach online ermöglichen. Das Hiscox Fine Art Produkt beispielsweise enthält eine sogenannte Vorsorge für Neueinkäufe, d.h. auch bei häufigeren Kunst-Einkäufen genießt der Kunde oder die Kundin sofortigen Versicherungsschutz.

Was für diese Onlineplattformen und digital agierenden Auktionshäuser, aber auch Kunsthändler immer wichtiger wird, ist es, auch über den eigenen Cyberschutz sowie Datenschutz nachzudenken. Also ob sie und ihre gespeicherten Daten, z.B. für den Fall eines Hackerangriffs, ausreichend geschützt sind.



Können Sie Beispiele dafür geben, wie Hiscox seine Produkte und Dienstleistungen an die veränderten Marktbedingungen anpasst?

Wir bieten unser Fine-Art-Produkt für Privatkunden als Onlineantrag an. Unsere Underwriter können unsere Vertriebspartner im Kundengespräch jederzeit digital oder in einem persönlichen Gespräch beraten.

Wir sehen, dass gerade bei jungen Kunstsammelnden ein erhöhter Bedarf nach Sicherheitsberatung besteht. Hier können wir auf ein jahrelanges und internationales Netzwerk an Expertinnen und Experten zurückgreifen, die auf die individuellen Fragen unserer Kunden eingehen können – z.B. wie speziell verwendete Materialien bestmöglich geschützt werden. Unsere Sachprodukte für Kunst passen wir ebenfalls regelmäßig auf aktuelle Bedürfnisse unserer Kunden an. Da es sich hierbei um ein sehr weitreichendes Allgefahren-Wording handelt, gibt es nur sehr wenige Szenarien, die nicht versichert sind. In Sachen Cyberschutz, etwa für Kunstgalerien, finden wir Lösungen über unser gewerbliches Cyberprodukt; hier bemerken wir eine steigende Nachfrage.



Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, junge Kunstinteressierte als Käuferinnen und Käufer von morgen im Blick zu behalten und wie könnte dies langfristig den Kunstmarkt beeinflussen?


Quer durch unsere Produktpalette hinweg ist es uns wichtig, die junge Käuferinnen und Käufer im Blick zu haben. Eine kundenzentrierte Produktentwicklung bildet den Kern unserer strategischen Ausrichtung und gerade in Produkten, in denen sich ein Großteil des Geschäftes noch auf eine ältere Generation verteilt, dürfen Versicherer und Vermittler den Anschluss nicht verpassen, um für diese zukünftige Zielgruppe zur bevorzugten Anlaufstelle zu werden.

Der Kunstmarkt wird sich meiner Meinung nach in den nächsten Jahren noch stärker in diese Richtung bewegen. Es wird eine Art ‚Demokratisierung‘ bzw. Öffnung stattfinden: Ein breiterer Zugang zu „günstigeren“ Kunstwerken und eine erhöhte Transparenz, die dem Kunstmarkt und insbesondere der jüngeren Zielgruppe lange gefehlt hat. Ob wir im Kunstmarkt auch den Trend der ‚Konsolidierung‘ beobachten werden, wie wir ihn beispielsweise aktuell im Versicherungsmakler- oder Immobilienverwalterbereich wahrnehmen, wird die Zukunft noch zeigen.



Welche zukünftigen Entwicklungen erwarten Sie auf dem zeitgenössischen Kunstmarkt und wie bereitet sich Hiscox darauf vor, weiterhin als führender Versicherer in diesem Bereich zu agieren?

Unser Report weist unter anderem auf zwei deutliche Trends auf dem Kunstmarkt hin, von denen wir erwarten, dass sie weiter zunehmen: Das ist der wachsende Erfolg afrikanischer Künstlerinnen und Künstler sowie eine steigende Verkaufszahlen weiblicher Kunstschaffender.

Zur Absicherung der Werke ist unser Versicherungsprodukt bereits sehr gut auf diesen Trend aufgestellt. Und auch in der Vertriebsansprache oder bei der Gestaltung unserer Marketingaktivitäten sprechen wir junge Sammlerinnen und Sammler ebenso wie die älteren ganz gezielt an.